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Wo geht‘s denn hier zum Hausarzt?

„Weil du Kassenpatient bist, nimmt dich in Weißwasser kein Arzt?“. Mit diesem Satz wandte sich Siegrid Juppe in einem Leserbrief an den WochenKurier. Nachdem ihr Hausarzt in den Ruhestand gegangen war, fand die Weißwasseranerin keinen neuen. Ein Problem, mit dem sie nicht alleine dastehen dürfte. Wir haben bei den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung nachgefragt.

Nachdem sich Rotraud und Holger Fiedler in den Ruhestand verabschiedet hatten, war Siegrid Juppe auf der Suche nach einem neuen Hausarzt. Doch den zu finden, gestaltet sich (nicht nur in Weißwasser)  schwierig. Bei der Weißwasseranerin kam noch hinzu, dass sie seit Jahren an Typ-1-Diabetes leidet und mit dem Ruhestand der beiden Ärzte nicht nur einen neuen Hausarzt, sondern auch einen neuen Diabetologen brauchte. 
Im Februar begann sie, sich nach einem neuen Arzt umzuschauen. Die Antwort in den neun besuchten Arztpraxen war immer die gleiche: „Wir nehmen keine neuen Patienten.“ Eine Ärztin erklärte sich immerhin bereit, die durch den Diabetes benötigten Rezepte und Überweisungen auszustellen, solange Siegrid Juppe keinen neuen Arzt gefunden hat. Mit der Bitte um Hilfe wandte sich die Weißwasseranerin dann an ihre Krankenkasse. „Die hat sich wirklich sehr bemüht und alle Ärzte angerufen“, sagt Siegrid Juppe. Nur gebracht hat es nichts. 
Die Kassenärztliche Vereinigung schickte auf Anfrage eine Liste mit 22 Ärzten. Die sind allerdings teilweise sehr weit weg. Sich jetzt einen Hausarzt zu suchen, der im Alter dann nicht mehr oder nur noch extrem schlecht zu erreichen ist, darauf wollte sich die ehemalige Sporttherapeutin auch nicht einlassen. 

Wie viele Hausärzte gibt es in der Region?
Aber was tun, wenn einen kein Arzt aufnimmt? Wie viele Allgemeinmediziner gibt es in und um Weißwasser überhaupt? Und dürfen die Ärzte Patienten einfach so ablehnen? Dazu haben wir die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) befragt. 
Die Vereinigung spricht von Bezugsregionen und teilt diese im Norden des Landkreises in die Regionen Weißwasser und Bad Muskau ein. In der Bezugsregion Weißwasser sind derzeit 16 Hausärzte tätig. Drei haben ihre Praxis zum 1. April ersatzlos geschlossen. Im Raum Bad Muskau kommen nochmal sechs Ärzte dazu. 
Ob in Zukunft noch weitere Ärzte in den Ruhestand gehen, weiß die Kassenärztliche Vereinigung laut eigener Aussage nicht genau. „Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen nicht vorhersagen kann, wie viele Ärzte aufgrund des Renteneintrittsalters tatsächlich in den nächsten Jahren ausscheiden werden. Ein Grund hierfür liegt in der Aufhebung der Altersbeschränkung für die Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung. Die Hausärzte entscheiden selbst, wann sie ihre Praxis abgeben möchten.“

Leider keine Nachfolger in Sicht
Auch bei der Frage zur Nachfolge gibt die Antwort der KVS wenig Grund zur Hoffnung auf schnelle Besserung: „Die Resonanz auf die Werbeversuche der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen für eine hausärztliche Tätigkeit in der Region Weißwasser war und ist leider sehr schlecht. Sowohl unsere Suche im Ärzteblatt Sachsen als auch die umfangreichen Fördermöglichkeiten bei einer Praxisübernahme bzw. bei einer Praxisneugründung in der Region haben bislang in der Ärzteschaft kein Interesse gefunden.“
Eindeutiger wird es bei der Frage danach, ob die Ärzte Patienten ablehnen dürfen: „Vertragsärzte können die Behandlung wegen Überlastung ablehnen. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen hat keinerlei Befugnisse, den Arzt in solchen Fällen zur Aufnahme weiterer Patienten zu verpflichten. Ein Arzt kann grundsätzlich frei entscheiden, ob er eine Behandlung übernimmt.“ Was wird gegen den Ärztemangtel getan und sind Ärzte im Ausland eine Alternative?  Die Hausarztsuche gestaltet sich in Weißwasser schwierig und Nachfolger sind laut Kassenärztlicher Vereinigung nicht in Sicht. Was wird unternommen, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, an wen kann man sich im Ernstfall wenden und sind Ärzte im Ausland eine Alternative?  „Mit welcher Arroganz und Selbstverständlichkeit die Arzthelferinnen mich abgewimmelt haben, kann man nicht beschreiben. Sie haben nicht zugehört und auf meine Fragen gab es nur ein Achselzucken“, schreibt Siegrid Juppe in ihrem Leserbrief. Ähnliche Szenen dürften auch viele andere Patienten erlebt haben und noch erleben.  Aber im Krankheitsfall ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle. Was macht man also, wenn man keinen Hausarzt hat? Die IKK weißt dazu darauf hin, dass „in wirklichen medizinischen Not- und Akutfällen jeder Arzt verpflichtet ist, zu helfen“. Die DAK ergänzt, dass es „für den Ernstfall zunächst den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst gibt. Bei akuten Erkrankungen können sich Patienten in sprechstundenfreien Zeiten unter der bundesweiten Rufnummer 116 117 an diesen allgemeinen Bereitschaftsdienst wenden. Informationen zu spezialärztlichen Bereitschaftsdiensten finden Sie auf der Webseite der KV Sachsen“.  Förderung und Studieren in Europa Das alles sind für den Notfall hilfreiche Hinweise. Nur ist nicht jede Krankheit ein Notfall. Was also wird getan, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken? Die KVS verweist hier auf Förderungsmaßnahmen in Form von Gewährung eines Mindestumsatzes und eines Investitionskostenzuschusses. Dadurch seien bisher zwei Hausärzte für die Region gewonnen worden. Derzeit existieren für die Bezugsregion Weißwasser zwei Förderstellen und zwei weitere für die Bezugsregion Bad Muskau.  Darüber hinaus bestehen auch Fördermöglichkeiten für Ärzte in Weiterbildung. Um Ärztenachwuchs zu gewinnen, hat die Kassenärztliche Vereinigung in Zusammenarbeit mit der Universität Pécs außerdem das Modellprojekt „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“ ins Leben gerufen. Seit drei Jahren studieren deutsche Medizinstudenten an der Universität Pécs und verpflichten sich, sich nach Abschluss ihres Medizinstudiums als Hausarzt im ländlichen Raum Sachsens niederzulassen.
Hausarzt im Ausland, geht das? Gerade für Menschen im grenznahen Raum könnte ein Arzt im Ausland eine Alternative sein, wenn sie in Deutschland keinen finden. Allerdings herrscht oft Verunsicherung, ob das überhaupt möglich ist. Hierzu klärt die AOK auf: „Der Reiz, in grenznahen Regionen einen polnischen bzw. tschechischen Arzt in Anspruch zu nehmen, ist groß. Versicherte können sich nach verschiedenen Vorschriften grundsätzlich im europäischen Ausland behandeln lassen. Hierbei ist zwischen dem Sachleistungsrecht nach den entsprechenden EG-Verordnungen und dem deutschen Kostenerstattungsrecht zu differenzieren. Beim Sachleistungsrecht bedarf es einer Genehmigung durch die Krankenkasse, welche diese mittels des sogenannten Vordrucks E112 erteilt.  Versicherte werden dann in dem betreffenden Land so behandelt, als wären sie im dortigen System der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Es gelten also die Vorschriften des Behandlungsstaats. Bei der Kostenerstattung wird man wie ein Privatpatient behandelt. Patienten müssen die Kosten zunächst selbst begleichen und erhalten erst im Nachhinein einen Teil der Kosten von der AOK erstattet. Grundsätzlich erstattet die AOK höchstens den Betrag, den wir bei der gleichen Behandlung in Deutschland getragen hätten. Es kann also sein, dass Kosten für eine Leistung nicht übernommen werden dürfen, weil sie keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland darstellt.“ Auch andere Krankenkassen wiesen auf WochenKurier-Anfrage auf die Möglichkeit der Behandlung im Ausland hin. Vor dem Gang zum Arzt im Ausland sollten die Patienten aber mit ihrer Krankenkasse klären, was möglich ist und welche Kosten erstattet werden. Siegrid Juppe hat inzwischen in Spremberg zumindest einen neuen Diabetologen gefunden. „Nach Spremberg fährt jede Stunde ein Zug, deswegen habe ich mich für diesen Arzt entschieden“, sagt die Weißwasseranerin. Denn der Arzt muss für sie auch ohne Auto erreichbar sein, schließlich kann es im Alter passieren, dass man irgendwann nicht mehr selbst fahren kann oder will. Tony Keil Haben Sie ähnliche Erfahrungen bei der Hausarztsuche gemacht? Schreiben Sie uns: redaktion@wochenkurier.info, Betreff: Hausarzt


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