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Sechs-Milliarden-Deal: Alstom will Bombardier-Zugsparte

Der Bahnhersteller Alstom hat am Montag offiziell bekannt gegeben, dass man die Zugsparte von Bombardier übernehmen wolle. Das wollen sich die Franzosen rund sechs Milliarden Euro kosten lassen.
Alstom ist ein französisches Unternehmen mit Sitz in Saint-Ouen-sur-Seine, baut unter anderem den Hochgeschwindigkeitszug TGV. Foto: Pixabay

Alstom ist ein französisches Unternehmen mit Sitz in Saint-Ouen-sur-Seine, baut unter anderem den Hochgeschwindigkeitszug TGV. Foto: Pixabay

Spekuliert wurde schon lange, jetzt gibt es auch ein offizielles Statement: Das französische Unternehmen Alstom hat am Montag bekannt geben, dass man das Zuggeschäft von Bombardier übernehmen wolle. Es gebe bereits eine Absichtserklärung, heißt es in einer Mitteilung. Den Übernahmepreis beziffert das Unternehmen mit 5,8 bis 6,2 Milliarden Euro. Gezahlt werden soll in bar und Aktien. „Ich bin sehr stolz, die Übernahme von Bombardier Transportation bekanntgeben zu können“, wird Henri Poupart-Lafarge, Chairman und CEO von Alstom in einem Statement des Unternehmens zitiert. Die Übernahme sei eine einzigartige Chance. Vor einem Jahr wollten die Franzosen noch mit der Siemens-Zugsparte fusionieren. Das scheiterte aber an Wettbewerbsbedenken der EU-Kommission. Das könnte auch beim Deal zwischen Alstom und Bombardier passieren, denn auch hier müssen die EU-Wettbewerbshüter zustimmen. Die IG Metall geht davon aus, dass ein Zusammenschluss von Bombardier und Alstom kartellrechtlich so zu bewerten ist wie die untersagte Fusion von Siemens und Alstom. Sollte es doch dazu kommen, will die IG Metall keine einseitige Konsolidierung in Deutschland akzeptieren. Bombardier hat viele Standorte in Deutschland und auch Alstoms größtes Werk ist in Deutschland. „Fest steht: Zusammenwachsen können keine Unternehmen an sich, sondern nur die dort tätigen Menschen. Diese Menschen brauchen Sicherheit und Perspektiven“, sagt Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall und für die Bahnindustrie zuständiges geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Die Deutsche Bahn sei ein Großkunde der Branche und ein staatliches Unternehmen. Die Bundesregierung habe deshalb die Pflicht, industriepolitische Maßnahmen im Sinne der Beschäftigten zu ergreifen und die industrielle Basis zu sichern. „Der Erhalt der Standorte und der Arbeitsplätze muss an erster Stelle stehen. Ich erwarte hier ein klares Bekenntnis der deutschen Politik für die Beschäftigten“, so Kerner. Bombardier war zuletzt finanziell in Schieflage geraten und hatte vor wenigen Tagen bereits den Ausstieg aus dem A220-Programm bekanntgeben. Die Kanadier hatten den Kurz- und Mittelstreckenjet entwickelt und gebaut, waren dabei aber in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Im Oktober 2017 erwarb Airbus dann eine Mehrheit des Programms. Anfang 2020 verkaufte Bombardier auch seine restlichen Anteile. Jetzt soll also auch die Zugsparte verkauft werden. „Der Verkauf der Zugsparte wird es uns erlauben, unsere Kapitalstruktur umzugestalten und neu zu definieren“, wird Alain Bellemare, Präsident und Chief Executive Officer von Bombardier, in einem Statement von Bombardier zitiert. Wie es mit den deutschen Bombardier-Standorten weitergeht, ist unklar. Die Bombardier-Zugsparte hat nach Unternehmensangaben 40650 Beschäftigte und ist in über 60 Ländern vertreten. Der Hauptsitz befindet sich in Berlin. Zu den großen Standorten in Deutschland gehören auch Görlitz und Bautzen.

„Klare Anforderungen an beide Konzernspitzen“

Bei der IG Metall Ostsachsen sieht man die Kaufabsichten mit gemischten Gefühlen: „Einerseits sind wir froh und finden es richtig, dass endlich Klarheit für das anstehende Vorhaben beider Konzerne geschaffen wurde“, sagt Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen. Andererseits stelle man ernüchternd fest, dass sich dadurch viele neue Fragen ergeben. Das grundsätzliche Ziel, einen starken Player im Schienenfahrzeugbau zu schaffen, unterstütze die IG Metall Ostsachsen. „Wir haben dabei aber ganz klare Anforderungen an beide Konzernspitzen. Der Erhalt und Ausbau deutscher Arbeitsplätze und Werke muss an vorderster Stelle stehen“, so Otto. Mit Blick auf die ostsächsischen Werke müsse beachtet werden, dass beide Werke als Vollbahnhersteller in der Lage sind, im Bereich der leichten und schweren Schiene zu agieren. „Hierzu fordern wir auch die Unterstützung der Bundes- und Landespolitik ein.“ Da es sich auch um transnationale Gespräche handelt, sei eine Vermittlung unabdingbar. Die mit Bombardier in der Vergangenheit ausgehandelte Transformation sei in vielen Teilen unzureichend umgesetzt worden. „Von daher gilt für uns und unsere Mitglieder, mindestens die Einhaltung der festgelegten roten Haltelinien. Im Grunde genommen gehen wir, unter diesen Bedingungen, in eine neue Ära und wollen offen und transparent über einen neuen und schlagkräftigen Schienenfahrzeugbauer verhandeln“, sagt Jan Otto. Auch der Görlitzer Oberbürgermeister hat sich inzwischen zu den Übernahmeplänen geäußert. Octavian Ursu: „Nach offiziellen Mitteilungen wird der Entscheidungsprozess bis zu einer möglichen Übernahme rund ein Jahr dauern. Es hängt von vielen Faktoren ab, ob dieser Kauf zustande kommt. Nicht zuletzt von kartellrechtlichen Fragen, die am Ende in Brüssel entschieden werden. Mit Michael Fohrer, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bombardier Transportation Germany, stehe ich in gutem Kontakt. Wichtig für Görlitz ist vor allem der Erhalt des Werksstandortes und der Arbeitsplätze.“


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