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Gesundheitsrisiko Personalmangel

Görlitz. Landet ein Krankenschein beim Arbeitgeber, sind im Landkreis Görlitz Atemwegserkrankungen die häufigste Ursache. Das besagt der DAK-Gesundheitsreport. Der widmet sich auch der Frage, wie sich die Arbeit in Personalmangel-Berufen auf die Gesundheit auswirkt.
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DAK-versicherte Erwerbstätige in der Altenpflege hatten 2022 den höchsten Krankenstand mit 7,0 Prozent.

DAK-versicherte Erwerbstätige in der Altenpflege hatten 2022 den höchsten Krankenstand mit 7,0 Prozent.

Foto: DAK-Gesundheit/gettyimages

Die DAK wertet regelmäßig die Krankschreibungen aller Beschäftigten aus, die bei ihr versichert sind, und erstellt daraus einen Gesundheitsreport. Der besagt, dass der Krankenstand im Landkreis Görlitz im ersten Halbjahr 2023 gestiegen ist. Die Beschäftigten in der Region hatten 13 Prozent mehr Fehltage als im Vorjahreshalbjahr. Mit 6,0 Prozent lag der Krankenstand leicht über dem Landesdurchschnitt (5,9 Prozent). Die 6 Prozent bedeuten, dass an jedem Tag von Januar bis Juni von 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Schnitt 60 krankgeschrieben waren.

 

Laut dem Report fallen die Veränderungen in manchen Altersgruppen stärker ins Gewicht als in anderen. Insgesamt haben Fehltage aufgrund von Atemwegsproblemen und psychischen Erkrankungen besonders zugenommen, Arbeitsausfall durch Corona ist hingegen um beinahe drei Viertel zurückgegangen.

 

Mehr Atemwegsprobleme und Depressionen

 

Die meisten Ausfalltage gingen im ersten Halbjahr 2023 auf das Konto von drei Erkrankungsgruppen: An erster Stelle standen die Atemwegserkrankungen wie Erkältungen und Bronchitis. In dieser Gruppe stieg die Anzahl der Fehltage um 46 Prozent an, von 174 auf 255 Tage je 100 Beschäftigte. Unverändert viele Fehltage (241 je 100 Beschäftigte) verursachten Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems wie etwa Rückenschmerzen. Aufgrund von psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angstzuständen waren DAK-versicherte Beschäftigte im ersten Halbjahr häufiger krankgeschrieben (148 Fehltage je 100 Beschäftigte). Das Plus betrug hier 51 Prozent. Deutlich rückläufig waren dagegen die Fehlzeiten durch Corona: Sie sanken um beinahe drei Viertel (72 Prozent) von rund 56 auf rund 16 Fehltage je 100 Beschäftigte.

 

Die Hälfte hatte mindestens eine Krankschreibung

 

Schon beinahe die Hälfte der Beschäftigten hatte im ersten Halbjahr mindestens eine Krankschreibung (49,2 Prozent). So eine hohe Quote wird gewöhnlich erst am Ende eines Jahres erreicht. Bei den jungen Erwerbstätigen bis 30 Jahren war die Steigerung der Krankschreibungen mit einem Plus von 70 Prozent besonders deutlich. Auf 100 Beschäftigte kamen in dieser Altersgruppe insgesamt 123 Krankschreibungsfälle. Bei den über 50-Jährigen waren es mit 71 Fällen je 100 Beschäftigte wesentlich weniger. Allerdings sind ältere Erwerbstätige dafür eher von langwierigen Erkrankungen betroffen wie etwa Bandscheibenvorfällen oder schweren Depressionen. Für ihre Altersgruppe zeigt die Analyse deshalb zwar weniger Fälle, aber insgesamt mehr Fehltage.

 

Erschöpfung, Schlafstörungen und Kopfschmerzen

 

Um herauszufinden, wie sich Personalmangel auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirkt, wurde eine repräsentative Forsa-Befragung beauftragt. Demnach erleben im Bundesland Sachsen 41 Prozent der Beschäftigten regelmäßig Personalmangel in ihrem Arbeitsumfeld. Das führt zu einem starken Leistungs- und Termindruck, zu Überstunden und zu einem Verzicht auf Pausen.

 

In der Folge berichten die Betroffenen von allgemeiner Erschöpfung (50 Prozent), von Schlafstörungen (33 Prozent) und Kopfschmerzen (20 Prozent). Sie geben solche Beschwerden wesentlich häufiger an als Beschäftigte ohne Personalnot. „Wir müssen die Situation von Menschen, die unter Personalmangel arbeiten, besonders im Blick behalten. Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass sich die damit verbundenen Belastungen auf den Krankenstand auswirken“, sagt Andreas Motzko, Leiter der DAK-Gesundheit im Landkreis Görlitz. „Firmen und Betriebe in Sachsen sollten auch im eigenen Interesse verstärkt auf den Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeitenden achten und weitere Ressourcen ins Betriebliche Gesundheitsmanagement investieren“, so Motzko.

 

Runder Tisch gefordert

 

Für ganz Deutschland weist der Report mit 7,0 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Krankenstand in Berufen mit Personalmangel aus. „Ständiger Personalmangel ist kein Problem der Zukunft, sondern schon heute für fast die Hälfte der Beschäftigten Realität – mit gravierenden Gesundheitsrisiken. Die Arbeitswelt steht enorm unter Druck“, sagt Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstands der DAK-Gesundheit. Er schlägt einen Runden Tisch unter dem Motto „Kräfte bündeln – Belegschaften fördern – Unternehmen stärken“ unter Beteiligung von Politik, Sozialpartnern und Krankenkassen vor, um das Problem anzugehen.

 

Professor Volker Nürnberg hat die Entstehung des neuen DAK-Gesundheitsreports begleitet. Er ist Partner bei BearingPoint, BGM-Experte (BGM=Betriebliches Gesundheitsmanagement) und lehrt an verschiedenen Hochschulen. Die Studie zeige, „wie insbesondere in prekären Branchen aus Personalmangel Krankenstand entsteht.“ Tatsächlich weist der Report für die Berufsgruppen mit den größten Fachkräftelücken einen um bis zu 1,5 Prozentpunkte erhöhten Krankenstand gegenüber dem Berufe-Durchschnitt aus (5,5 Prozent). Nur die Mangelberufe im IT-Bereich bilden hier eine Ausnahme. DAK-versicherte Erwerbstätige in der Altenpflege hatten 2022 zum Beispiel den höchsten Krankenstand mit 7,0 Prozent. Bei den Beschäftigten in der Fahrzeugführung, der Kinderbetreuung und im Maschinenbau waren es 6,8 Prozent, die Krankenpflege hatte 6,1 Prozent. „Man kann von einem Teufelskreis sprechen. Hohe Fehlzeiten und Personalmangel bedingen einander und verstärken sich jeweils in den Effekten“, so Nürnberg.


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