

Ab Aschermittwoch wird es im Osnabrücker Dom ein besonderes Highlight geben: Eine Kopie des Zittauer Fastentuchs wird den Hochaltar bis Ostern verhüllen und damit an eine mittelalterliche Tradition anknüpfen. Fastentücher blicken auf eine gut 1000-jährige Geschichte zurück, den Altar in der österlichen Bußzeit zu verhüllen und sich damit auf das Fest der Auferstehung vorzubereiten. Das Verhängen in der Fastenzeit war eine Bußübung für die Gläubigen, die den Gottesdienst nur noch hörend verfolgen konnten, während die Augen quasi „fasteten“. Die Redewendung „am Hungertuch nagen“ hat hier ihren Ursprung und bezieht sich nicht nur auf materielle, sondern auch auf sinnliche Armut in der Zeit vor Ostern. Fastentücher entstanden vor allem im Alpenraum, aber auch in Norddeutschland. Originale haben das Mittelalter allerdings kaum überdauert. In Zittau sind gleich zwei dieser Tücher erhalten geblieben, die vor Ort besichtigt werden können, die aber zu empfindlich sind, um sie zu bewegen oder gar zu transportieren. Kopien der beiden Tücher machen sich aber auf den Weg nach Osnabrück. Das Große Zittauer Fastentuch von 1472 wird im Dom zu sehen sein, während das Kleine Zittauer Fastentuch von 1573 den Altar in der Marienkirche verhüllen wird. Das Große Zittauer Fastentuch erzählt schachbrettartig in 90 Bildern die biblische Geschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Jüngsten Gericht. Es gehört nicht nur zu den ältesten, sondern mit knapp sieben Metern Breite und acht Metern Höhe zu den größten weltweit. Nachdem es 200 Jahre lang den Altarraum der Zittauer Johanniskirche verhüllte und sich seine Spur danach nur teilweise verfolgen lässt, konnte es im Juni 1945 schließlich stark beschädigt aber erhalten geborgen werden. 1994/95 wurde es von der Schweizer Abegg-Stiftung als „Kunstwerk von Weltgeltung“ restauriert. In Osnabrück besteht also demnächst die einmalige Gelegenheit, einen Eindruck von einem der wichtigsten Werke der Kunstgeschichte zu bekommen. Das Große Fastentuch wird bis zum 19. April im Dom sein. Die Installation wird von einem Vortragsprogramm begleitet. Die beiden Kopien sind Bestandteil der Wanderausstellung "Begegnungen, die berühren - Die Zittauer Fastentücher und ihr Umfeld", die bereits an vielen Orten Deutschlands, Tschechiens und Polens, aber auch in Belgien (Brüssel) Italien (Rom, Turin, Pistoia), den Niederlanden (Zeist, Naarden) und in Israel (Jerusalem, Yad Hashmona) zu sehen war. Um Transport, Auf- und Abbau kümmern sich seit vielen Jahren Volker Dudeck, Jost Grunert und Bernd Wabersich. Am 27. Februar wird Dr. Volker Dudeck in Osnabrück einen Vortrag "Die Zittauer Fastentücher - einzigartig in Deutschland, bedeutend für Europa" halten. Das Projekt bildet einen weiteren Mosaikstein, um Zittau als „Stadt der Fastentücher“ und Kulturstadt bekannter zu machen. Seit der Restaurierung der Zittauer Fastentücher 1995 in der Abegg-Stiftung Riggisberg (Schweiz) haben mehr als 600000 Menschen die berühmten Tücher gesehen. Auch letztes Jahr kamen rund 19000 Besucher aus ganz Deutschland und weit darüber hinaus, um die originalen Fastentücher zu besichtigen.