Die alte Saison am Gerhart-Hauptmann-Theater endete durch Corona schon im April und auch auf die neue Spielzeit wirkt sich die Pandemie aus. Wie es am Theater weitergeht, wurde jetzt bei der Spielezeitvorstellung verraten.
Eigentlich stand der Plan für die neue Saison schon. Dann kam Corona und warf alles um. Stücke mit großer Besetzung und Orchester? In diesem Jahr nicht möglich, im nächsten Jahr vielleicht. Also musste man im Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz/Zittau komplett neu ansetzen. „Die Planungen waren nicht ganz einfach, und die vergangenen Monate haben es nicht einfacher gemacht“, sagt Generalintendant Klaus Arauner. Das liegt daran, dass sich die Bedingungen und Auflagen oft ändern und auch nicht absehbar ist, wie sich die Lage in Zukunft entwickelt.
Aktuell geht man davon aus, dass die Bedingungen zum Start der neuen Spielzeit im September so seien werden wie jetzt und dass sie bis Ende des Jahres so bleiben. Für den Theaterbetrieb bringt das natürlich Veränderungen, vor allem Abstand. Nicht nur im Zuschauerraum muss auf den Mindestabstand geachtet werden, auch die Akteure müssen auf der Bühne bei Proben und Vorstellungen auf Distanz gehen.
Was die Zuschauer angeht, hat das Theater schon mit einigen kleinen Vorstellungen Erfahrungen gesammelt und so ein Konzept erstellt. Für die neue Spielzeit werden die Zuschauerräume in Zittau und Görlitz umgebaut. Heißt: Stuhlreihen raus, dafür Tische rein. Die Vorteile: Die Gäste können direkt am Tisch bedient werden und das Theater kann auf neue Abstandsregeln leichter reagieren. Das Orchester muss ebenfalls verkleinert werden und wird im ersten Rang platziert. Der Chor wird geteilt und teilweise im zweiten Rang, teilweise auf der Bühne agieren.
Für 2021 hofft das Theater auf eine Rückkehr zur Normalität und damit auf die Möglichkeit, auch wieder größere Produktionen spielen zu können. Dementsprechend wurde geplant. Man ist sich aber bewusst, dass es dafür keine Garantie gibt.
Sieben Premieren im Musiktheater
Über all diesen Veränderungen schwebte dann natürlich die Frage: Was kann man unter diesen Bedingungen überhaupt spielen? Antwort: So einiges! Sieben Premieren und zwei Wiederaufnahmen hält das Musiktheater bereit. Den Premierenauftakt macht im Oktober die romantische Operette „Das Land des Lächelns“ von Franz Lehár. Darin verliebt sich die Wiener Grafentochter Lisa in den chinesischen Prinzen Sou-Soung und folgt ihm als dessen Braut nach China. Die Operette stand schon vor Corona auf dem Spielplan und konnte erhalten bleiben, weil sie mit einer relativ kleinen Besetzung und einem kleinem Orchester auskommt. Die Kammerrevue „Dinner für vier“ war eigentlich fürs Foyer geplant, wurde aber auf die Bühne verlegt. „Im Foyer können wir das aktuell nicht machen, denn dann könnten wir vermutlich nur vor drei Zuschauern spielen“, sagt Klaus Arauner. Im Vorraum ist der Platz also zu knapp, daher der Umzug auf die Bühne. Gänzlich neu geplant ist das Stück „Diven sterben einsam“, in dem eine Provinz-Schauspielerin, die ihren Zenit längst überschritten hat, mit ihrem Leben hadert und zugleich auf dieses zurückschaut.
Die Opern „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ und „Don Giovanni“ und das Musical „Evita“ sollten eigentlich schon in der vorigen Saison gespielt werden. Sie stehen jetzt in der zweiten Hälfte der neuen Spielzeit auf dem Spielplan.
Junge Konzerte vorerst nicht möglich
Bei der Neuen Lausitzer Philharmonie beginnt die neue Spielzeit mit dem 1. Philharmonischen Konzert mit dem passenden Titel „Willkommen zurück“. „Die kommende Spielzeit beginnen wir in kleinerer Besetzung als gewohnt mit Sinfonien von Mozart und Schubert. Wir hoffen aber, im weiteren Verlauf der Spielzeit wieder zu größeren Meisterwerken von Wagner und Bartók zurückkehren zu können“, sagt Generalmusikdirektorin Ewa Strusinska. Man freue sich wieder auf fantastische Solisten aus Deutschland, Polen, England, Frankreich, Estland und Spanien. Im letzten Philharmonischen Konzert des Beethoven-Jubiläumsjahrs 2020 wird dieser mit seiner 2. Sinfonie geehrt und gleichzeitig dem kürzlich verstorbenen Krzystof Penderecki gedacht.
Vorerst leider nicht möglich sind die Jungen Konzerte aus der Reihe „Hexenritt und Drachentöne“. „Das Konzept der Reihe baut auf der Nähe zwischen den Akteuren auf. Das freie Spiel zwischen Künstlern, Kindern und ihren Begleitern ist unter den aktuellen Bedingungen einfach nicht denkbar“, sagt Klaus Arauner.
Isolation statt Propaganda
Im Schauspiel hat Corona für einen Themenwechsel gesorgt. „Wir wollten in der neuen Spielzeit das Thema Propaganda aufgreifen. Es war aber schnell klar, dass das aktuell nicht machbar ist“, sagt Schauspielintendantin Dorotty Szalma. Stattdessen steht ein aktuell sehr präsentes Thema im Mittelpunkt: Isolation.
Zum Start gibt‘s viel Humor. In „Loriot“ wird der ganz normale Wahnsinn Alltag mit all seinen großen und kleinen Hürden und zwischenmenschlichen Kommunikationsproblemen auf den Punkt gebracht. In „Die Seuche“ wachen Menschen an einem fremden Ort auf, sind eingesperrt in einem System aus Raumquadern mit Gängen und Türen. Das Gerücht über eine Seuche taucht auf und in der klaustrophobischen Isolation nagt die Frage, ob man selbst zu den Gesunden oder Infizierten gehört? Zu den 14 Premieren gehört auch Hikikomori. Das Stück widmet sich einem relativ neuen Phänomen. Der japanische Begriff bezeichnet eine Sozialphobie, bei der sich junge Menschen zuhause einigeln und sich über Monate, manchmal Jahre, von der Außenwelt abschotten. Dazu gibt es vier Wiederaufnahmen, darunter „Mothers“ und „Heiße Ecke“.
Die Freiheit der Einschränkung genießen
Im Tanz hat man sich den aktuellen Bedingungen ebenfalls angenommen. „Wir genießen die Freiheit der Einschränkung“ lautet das Motto. Das war ursprünglich der Untertitel des Stückes „Plan b“ und passt perfekt auf die momentane Situation mit all den Schwierigkeiten und Herausforderungen. Denn die bietet auch Wege für eine neue Art der Kreativität. Die will die Tanzcompany in drei Premieren ausleben. Im Oktober gibt es die Welturaufführung von „Egoversum“. Darin geht es um einen altbekannten Gedanken, bei dem sich wohl jeder mal ertappt, wenn er älter wird: „Die Jugend von heute!“ Hängt sie nur am Tropf von Twitter und Instagram, schlägt selten eine Zeitung und noch seltener ein Buch auf und ist überhaupt vor allem mit sich selbst beschäftigt? Oder ist dieser Blick auf die Millenials vielleicht doch unfair?
Im Januar feiert „Zerinnerung“ Premiere. „Die Idee entstand bei dem Besuch einer Ausstellung in Tel Aviv“, sagt Dan Pelleg, der die Tanzcompany zusammen mit Marko E. Weigert leitet. Dort waren Werke der israelischen Künstlerin Orly Azran zu sehen. Sie wird auch als Ausstatterin an Zerinnerung mitwirken. Mit „Viva Vivaldi!“ will die Tanzcompany im März einen Blick auf die eher unbekannten Stücke des italienischen Komponisten werfen. Abseits der vier Jahreszeiten soll den Tänzern und Tänzerinnen Spielraum gegeben werden, um ihre eigenen Ideen umzusetzen. Wieder auf den Spielplan geschafft haben es im Tanz die Stücke „De fesche Mode“ und „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“.