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Crowdfunding für ein besonderes Gemälde

Görlitz. Ein einst in den Görlitzer Sammlungen gezeigtes und lange als verschollen geltendes Gemälde ist auf dem Kunstmarkt wiederaufgetaucht. Es soll zurückgeholt werden. Bei der Finanzierung hofft der Förderverein der Sammlungen auf Unterstützung via Crowdfunding.

Links: Das Gemälde »Anton Graff, Bildnis einer jungen Frau, um 1780«; Rechts: Kunsthistoriker Kai Wenzel.

Links: Das Gemälde »Anton Graff, Bildnis einer jungen Frau, um 1780«; Rechts: Kunsthistoriker Kai Wenzel.

Bild: Links: Görlitzer Sammlungen/Rechts: Pawel Sosnowski

Görlitz (pm). Es galt seit 1945 als verschollen: das geheimnisvolle, unvollendete Bildnis einer jungen Frau aus dem Bestand der Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur. Das Werk stammt von dem berühmtesten Porträtmaler Mitteleuropas im 18. Jahrhundert – Anton Graff. Das Gemälde wurde in den Kriegswirren 1943 mit weiteren Kunstwerken auf das südlich von Görlitz gelegene Schloss Kuhna (heute polnisch Kunów) ausgelagert. Nun ist es wieder auf dem Kunstmarkt aufgetaucht. »Juristische Mittel für den Rückerhalt eines solchen Kriegsverlustes gibt es nicht. Einzige Möglichkeit, es wieder nach Görlitz und in die Görlitzer Sammlungen zurückzuholen, ist ein Rückkauf«, teilt Ina Rueth, bei den Görlitzer Sammlungen für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing zuständig, mit.

 

Nötig ist dafür eine Summe von 20.000 Euro. Fördermittel könnten das möglich machen. Doch um die zu erhalten, muss auch ein Eigenanteil, in dem Fall 4.000 Euro, aufgebracht werden. Denn wollen die Görlitzer Sammlungen über eine Crowdfunding-Aktion aufbringen. Die hat der Förderverein »Freunde der Görlitzer Sammlungen« am 23. Mai gestartet. Sie wird bis 22. Juni laufen und ist auf der von den Görlitzer Stadtwerken betriebenen Internetseite Görlitz Crowd unter www.goerlitz-crowd.de/rueckkehr zu finden.

 

»Der Förderverein und die Görlitzer Sammlungen hoffen auf tatkräftige, vielfältige Unterstützung. Selbst kleinste Beträge helfen uns dabei, die unbekannte Schöne nach fast 80 Jahren wieder nach Hause zu holen. Sie soll künftig für die Öffentlichkeit im Barockhaus, Neißstraße 30, zu sehen sein. Auch das Publikmachen dieser Aktion ist eine wertvolle Hilfe für die Rückkehr dieses besonderen Kriegsverlustes«, so Kunsthistoriker Kai Wenzel von den Görlitzer Sammlungen.

 

Zur Historie und Besonderheit des Bildnisses

 

Im Dresdener Atelier des Malers Anton Graff entstanden die Bildnisse namhafter Persönlichkeiten wie der Dichter Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Schiller, des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. oder des Oberlausitzer Universalgelehrten Adolf Traugott von Gersdorf. Unter Graffs mehr als 2.000 Gemälden gibt es eine sehr kleine Gruppe unvollendeter Werke. Zu ihnen gehört dieses Bildnis einer jungen Frau, deren Name nicht überliefert ist. Genauso unklar ist auch, warum Graff ihr Porträt nicht zu Ende malte. Im unfertigen Zustand eröffnet es heute einen einzigartigen Blick in die Arbeitsweise des Künstlers. "Während er das Gesicht der sanft lächelnden Frau bis in feinste Details fertigstellte, scheint ihre hochgesteckte Frisur direkt in den nur angedeuteten Hintergrund überzugehen", beschreibt Kunsthistoriker Kai Wenzel das Gemälde. "Dadurch entsteht eine einzigartige Wirkung, die bereits auf die Kunst der Moderne vorauszuweisen scheint." Anton Graffs Gemälde gelangte 1901 als Geschenk des Görlitzer Malers Theodor Thieme in das Kaiser-Friedrich-Museum (heute Kulturhistorisches Museum der Görlitzer Sammlungen). Dort gehörte es zu den Glanzstücken der Dauerausstellungen in der Oberlausitzer Gedenkhalle (heute Miejski Dom Kultury in Zgorzelec) - bis es im Zweiten Weltkrieg verloren ging.

 

Wer noch mehr zum Bildnis und zum Thema "Kriegsverluste" erfahren möchte, hat dazu in der kommenden Woche Gelegenheit. Kai Wenzel bietet Interessierten einen kostenfreien Themenabend mit anschließender Führung an: Verloren und Wiedergefunden. Kriegsverluste in den Görlitzer Sammlungen Mittwoch, 31.5.2023, 18.00 Uhr | im Kaisertrutz, Galerie der Moderne | Eintritt frei


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