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308.000 unbezahlte Überstunden

Görlitz. Rund 816.000 Überstunden haben die Menschen im Landkreis Görlitz im vergangenen Jahr am Arbeitsplatz zusätzlich geleistet. Davon 308.000 zum Nulltarif, also ohne Bezahlung. Das ergab eine von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten beauftragte Untersuchung.
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Mal eben eine Stunde dranhängen – oder auch zwei oder drei. Die NGG wollte wissen, wie groß der Überstunden-Berg ist

Mal eben eine Stunde dranhängen – oder auch zwei oder drei. Die NGG wollte wissen, wie groß der Überstunden-Berg ist

Foto: NGG | Nils Hillebrand

Wie oft werden im Landkreis Überstunden gemacht? Das wollte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wissen und hat das Pestel-Institut mit einer Untersuchung beauftragt. Ergebnisse des »Überstunden-Monitors«: 816.000 Überstunden wurden geleistet, davon 308.000 ohne Bezahlung. »Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen im Landkreis Görlitz durch unbezahlte Mehrarbeit rund 4,44 Millionen Euro quasi geschenkt. Und das ist schon äußerst sparsam – nämlich nur auf Mindestlohn-Basis – gerechnet«, sagt Thomas Lißner von der NGG Dresden-Chemnitz. Außerdem sei der Überstunden-Berg auch ein Gradmesser für den massiven Fachkräftemangel.

 

Die Wissenschaftler des Pestel-Instituts haben bei ihrer Untersuchung aktuelle Mikrozensusdaten ausgewertet. Basis der Überstunden-Berechnung ist die Übertragung von Branchen-Durchschnittswerten auf die Beschäftigungsstruktur vom Kreis Görlitz. Allein für Hotels, Restaurants und Gaststätten wurden damit 42.000 geleistete Überstunden ermittelt, 14.000 davon unbezahlt.

 

»Es wird Zeit, das Fachkräfte-Loch zu stopfen«

 

Mit Blick auf die Überstunden warnt die NGG Dresden-Chemnitz: Hotellerie und Gastronomie könnten nicht dauerhaft auf die »Goodwill-Überstunden« ihrer Beschäftigten bauen. »Es wird höchste Zeit, das Fachkräfte-Loch zu stopfen, das die Corona-Pandemie noch vergrößert hat. Das klappt allerdings nur, wenn Hotels und Restaurants bereit sind, attraktive Löhne zu bezahlen. Perspektivisch muss der Gastro-Startlohn für eine Köchin oder einen Restaurantfachmann nach der Ausbildung bei 3.000 Euro pro Monat für einen Vollzeitjob liegen«, so Thomas Lißner. Dieses Lohn-Ziel müsse die Gastro-Branche Schritt für Schritt erreichen. Nur dann werde es gelingen, junge Menschen für eine Ausbildung im Hotel oder Restaurant zu gewinnen.

 

Das Gastgewerbe erlebe gerade einen regelrechten »Fachkräfte-Schwund und Mini-Job-Schub«. Ob in der Küche, im Service, an der Hotelrezeption oder an der Bar: »Die Branche versucht, fehlende Fachkräfte immer häufiger durch angelernte Beschäftigte zu ersetzen«, berichtet der Geschäftsführer der NGG Dresden-Chemnitz. Mittlerweile seien 33 Prozent der Gastro-Beschäftigten im Kreis Görlitz Mini-Jobber.

 

Der Fachkräfte-Mangel und eine faire Bezahlung in der Gastronomie, im Lebensmittelhandwerk und in der Ernährungsindustrie waren auch ein Schwerpunktthema auf dem Gewerkschaftstag der NGG Mitte November in Bremen, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet wurde.


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