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Tony Keil

Kreis will Wolfsabschuss anordnen

Krappe. Seit Herbst häufen sich im Landkreis Görlitz die Angriffe von Wölfen auf Nutztiere. Der Landrat will die gezielte Entnahme einzelner Tiere anordnen. Doch das gestaltet sich schwierig.

Im Landkreis gab es in den vergangenen Monaten viele Wolfsübergriffe auf Nutztiere. Wir berichteten bereits im November über Fälle, die sich im Raum Löbau häuften. Auch die Fachstelle Wolf bestätigte das kurz darauf in einer Mitteilung. Darin hieß es unter anderem: »Im Bereich zwischen Löbau, Niederseifersdorf und Görlitz sowie Weißenberg im Landkreis Bautzen gab es in diesem Jahr vermehrt Übergriffe von Wölfen auf Schafe, Ziegen und Gehegewild. In den meisten Fällen waren die Tiere ausreichend geschützt. Die überwundenen Herdenschutzmaßnahmen betrafen sowohl mobile Elektrozäune als auch nicht elektrifizierte Festzäune.«

 

Letzteres betrifft unter anderem das Damwildgehege in Krappe. Die dort getroffenen Schutzmaßnahmen »gehen über den geforderten Mindestschutz hinaus«, wie das Landesamt einräumt. Trotzdem sei der 1,80 Meter hohe Festzaun laut Dokumentation der Rissbegutachtung in mindestens zwei Fällen überklettert worden, heißt es in der Mitteilung Ende vergangenen Jahres weiter.

 

Landrat Stephan Meyer besuchte das Gehege vergangene Woche. Da berichtete Damwild-Halter Ralf Nahrstedt von 24 Tieren, die die Wölfe bei sieben Vorfällen in den vergangenen Monaten in seinem Gehege gerissen haben. Wildkameras hielten fest, wie ein Wolf über den Zaun klettert, ihn dabei »fast wie eine Leiter« nutzt, so Nahrstedt. Unter dem Zaun können die Raubtiere nicht in das Gatter gelangen. Es gibt zwar Grabestellen, aber durch einen für 20.000 Euro angelegten Untergrabschutz ist dieser Weg versperrt. Eine Option wäre noch Strom. Doch das würde nochmal 30.000 Euro kosten. Weder für Ralf Nahrstedt noch für Stephan Meyer ist das noch zumutbar. »Hier ist für die Tierhalter eine Grenze des Machbaren erreicht«, so der Landrat.

 

»Zu langer bürokratischer Prozess«

 

Durch die Häufung der Fälle ist die Diskussion um den Abschuss (in der Fachsprache Entnahme genannt) einzelner Wölfe wieder entbrannt. Und der Landrat will den jetzt auch anordnen. Allerdings braucht er dazu Rechtssicherheit. Und die ist noch nicht gegeben. Grundsätzlich ist die beim Kreis angesiedelte Untere Naturschutzbehörde für die Entscheidung zuständig. Die kann eine Entnahme aber nur anordnen, wenn durch die zum Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie gehörende Fachstelle Wolf geklärt ist, zu welchem Rudel der zu entnehmende Wolf gehört und ob das Wildgehege noch zum Territorium dieses Rudels gehört. Vereinfacht gesagt muss die Fachstelle grünes Licht für den Abschuss geben. Und das dauert. »Aus meiner Sicht ist das ein viel zu langer bürokratischer Prozess«, so der Landrat. Er macht deutlich, dass es nicht darum geht, hier ein Rudel auszurotten oder den Wolf aus der Region zu vertreiben. Der Wolf sei in der Region angekommen und das sei auch gut so. »Aber es muss in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft auch möglich sein, Tiere zu halten.« Der Wolf könne nicht über Gebühr einen Schutzstatus genießen. Ein Abschuss müsse möglich sein, um eine Verhältnismäßigkeit herzustellen und wieder Ruhe in das betroffene Gebiet zu bekommen.

 

Bisher gab es im Landkreis Görlitz erst eine Entnahme eines Wolfes. Im Februar 2018 wurde bei Krauschwitz ein Wolf geschossen. Das geschah allerdings aufgrund auffälligen Verhaltens des Tieres, also um Gefahr für den Menschen abzuwenden. Eine Entnahme aufgrund vermehrten Rissgeschehens gab es dagegen bisher im Landkreis Görlitz noch nicht. Sollte das jetzt geschehen, rechnet Stephan Meyer damit, dass das zu Konflikten mit Tierschützern führen wird. »Deswegen erwarte ich vom Freistaat nicht nur, dass er uns eine Rechtssicherheit gibt, sondern auch, dass er uns dann zur Seite steht«, so Meyer. Vor dem Abschuss stehen aber zunächst Vergrämungsmaßnahmen. Dabei würde mit Gummigeschossen auf den Wolf geschossen, um ihn dauerhaft von den Gehegen und Koppeln fernzuhalten. Erst wann das nicht hilft, kommt es zur Entnahme.


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