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Gegen Stellenabbau: Tausende demonstrieren in Görlitz

Nach wie vor droht Ostsachsen der Verlust vieler Industriearbeitsplätze. In Görlitz kamen heute tausende Menschen zu einer Großdemo zusammen um ihre Wut über die Konzernentscheidungen deutlich zu machen und für den Erhalt dieser Arbeitsplätze und damit die Zukunft der Region zu kämpfen.

Arm an Hiobsbotschaften ist die Region momentan beileibe nicht. Bombardier will in Görlitz massiv Stellen abbauen, Siemens das Werk in der Neißestadt gleich ganz schließen. Der Waggonbau in Niesky musste Ende des vergangenen Jahres Insolvenz anmelden und die Fabrik für Elektroautos, die ein chinesischer Investor in Rothenburg bauen wollte und die bis zu 1000 Arbeitsplatze schaffen sollte, kommt nun doch nicht. Dementsprechend ist man in der Region die Bilder von Protest, von Demonstrationen, von Menschen die um ihre Arbeitsplätze kämpfen inzwischen gewohnt. Trotzdem war das Bild, das sich heute in Görlitz bot, etwas Neues und Beeindruckendes. Denn so viele Menschen wie heute gingen in Görlitz lange nicht mehr auf die Straße. „Wir wollen zeigen, dass wir kämpfen können. Das hat uns im Westen keiner zugetraut“, sagte Jan Otto, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall, bevor sich die Waggonbauer und viele weitere Demonstranten vom Bombardierwerk aus gegen 13 Uhr auf den Weg Richtung Brautwiesenplatz machten. Zu gleicher Zeit startete auch vom Siemens-Werk aus ein Demonstrationszug. Die beiden Gruppen kamen schließlich am Brautwiesenplatz zusammen, um gemeinsam über die Berliner Straße Richtung Obermarkt zu laufen. Auf dem Markt wiederrum warteten schon viele Demonstranten, so dass der Platz letztlich mit tausenden Menschen gefüllt war. Nach ersten Schätzungen geht die IG Metall von über 7000 Teilnehmern aus. Auch viele Kinder waren darunter, denn die umliegenden Schulen beteiligten sich an dem Protest. Die IG Metall sprach von 1000 Schülern, die gemeinsam mit ihren Lehrern auf den Obermarkt gekommen waren. Auch viele Politiker nahmen an der Demo Teil. Dabei waren unter anderem der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), der Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla (AfD), die Bundestagsabgeordnete Caren Lay (Die Linke), der Bundestagsabgeordnete Stefan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen), der Landtagsabegordnete Octavian Ursu (CDU) und der Landtagsabgeordnete Thomas Baum (SPD).

Es braucht Konzepte

Von den Rednern auf der Bühne hörte man dann Sätze, die man in den vergangenen Wochen und Monaten schon oft gehört hat. Es geht um die Zukunft der Region, die großen Unternehmen haben eine Verantwortung und die Werke leisten gute Arbeit. Was soll man auch sagen, wenn sich die Situation seit der letzten Demo zumindest nach außen hin nicht groß verändert hat. Man konnte aber auch Fortschritte heraushören. „Ich habe mit dem Kanzleramt telefoniert, die Kanzlerin hat ihre Hilfe zugesichert. Sie ist mit beiden Unternehmen im Gespräch“, sagte beispielsweise Jan Otto. Die Probleme der Region scheinen also endlich auch auf Bundesebene angekommen zu sein. Immerhin. Allein mit Appellen an die Verantwortung wird man die Unternehmen aber nicht dazu bewegen, ihre Entscheidungen zu überdenken. Letztlich geht es darum, Konzepte und Ideen zu entwickeln, die den Vorständen den Erhalt der Werke und Arbeitsplätze schmackhaft machen. „Wir sind wütend auf Siemens und Bombardier, die mit ihren Entscheidungen die Zukunft der Region gefährden. Aber wir bieten auch Lösungen an und schauen in die Zukunft“, bekräftigte denn auch Jan Otto. Auf die Gespräche und Lösungsvorschläge wird es in Zukunft wohl stärker ankommen, als auf die Zahl der Teilnehmer bei der nächsten Demo. Und doch sind eben diese Demonstrationen wichtig. Sie zeigen, dass die Region zusammensteht und Konzernentscheidungen nicht kampflos hinnimmt. So sieht es auch der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig, der in dem Demonstrationszug von Bombardier mitlief und auf dem Obermarkt ans Mikrofon trat: „Ich weiß nicht, wann in Görlitz zum letzten Mal eine Kundgebung in dieser Größenordnung stattfand. Das ist euer Erfolg.“ Die Staatsregierung sei mit Bombardier und Siemens im Gespräch. Oberbürgermeister Siegfried Deinege sagte: „Die Zukunft wird in Görlitz gestaltet – der Kampf hat jetzt erst begonnen.“ Die Stadt stehe einig und selbstbewusst hinter dem Protest für den Erhalt der Werke. Nun müssten die Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zum Erfolg geführt werden.

Treffen mit Bombardier-Vorstand

Der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege hatte sich vor drei Tagen im Hennigsdorfer Werk mit dem Bombardier-Vorstandsvorsitzenden Michael Fohrer getroffen. Aufgrund der früheren Tätigkeit Deineges als General Manager bei Bombardier sei man ohne Umschweife auf die Inhalte und Fachspezifika des Portfolios sowie die Strategien für Bombardier Transportation in Görlitz eingegangen, heißt es aus der Stadtverwaltung. Nach dem Informationsaustausch, bei dem der OB die Bedeutung des Bombardier-Werkes für die Einwohner der Stadt Görlitz, die Arbeitnehmer und Leiharbeiter und deren Familien betonte, fasste er zusammen: „Festzuhalten bleibt, dass die Verhandlungen von Bombardier mit den Arbeitnehmervertretern in vollem Gange sind. Bombardier hat ein Strategiekonzept entwickeln lassen und als Verhandlungsbasis vorgelegt.“ Das sei wichtig für die weiteren Verhandlungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Deinege sieht zurzeit mehrere inhaltliche Aspekte in dem Konzept, die hinterfragt und abgeklärt werden müssen. „Über die konkreten Inhalte werde ich nicht informieren, weil es sich um laufende Verhandlungen von Bombardier-Transportation und Arbeitnehmervertretern handelt. Ich werde mich jedoch zeitnah mit der Arbeitnehmerseite treffen, um Punkte des Strategiekonzepts durchzugehen und die inhaltliche Diskussion weiterzuführen.“ Danach werde sich der Oberbürgermeister erneut mit dem Bombardier-Strategieteam und dem Verantwortlichen für die Geschäftsentwicklung des Unternehmens treffen, um sich inhaltlich auszutauschen. „Ich bewerte das Gespräch mit der Bombardierführung heute in Hennigsdorf als konstruktiv“, so Deinege.      


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