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Birgit Branczeisz

"Nicht noch so ein Chaosjahr!"

Dresden. Die Wohnungswirtschaft fordert im Wahljahr 2024 vor allem eines - verlässliche Politik für bezahlbares Wohnen.
Alexander Müller ist seit diesem Jahr Verbandsdirektor des VDW.

Alexander Müller ist seit diesem Jahr Verbandsdirektor des VDW.

Bild: VDW

»2023 war ein absolutes Chaosjahr, anstatt mit Vertrauen und Verbindlichkeit zu reagieren, hat die Berliner Politik ohne Not noch mehr Unsicherheit geschaffen. Förderprogramme wurden abrupt beendet oder hingen plötzlich in der Luft, ein völlig verkorkstes und schlecht kommuniziertes ‚Heizungsgesetz‘ brachte Vermieter und Mieter gleichermaßen auf, ständig gab es neue Unklarheiten um staatliche Unterstützungen und zum Jahresende machte das Hickhack um den Bundeshaushalt mit einem ganzen Blumenstrauß an neuen, meist negativen Überraschungen das Chaos perfekt.«

Wie absurd das im Detail sein kann, zeigte das Beispiel Rauchmelder-Pflicht, die einfach ein Jahr vorgezogen wurde. 5 Millionen Geräte mussten plötzlich eingebaut werden – die Mitarbeiter kamen so kurzfristig oft gar nicht hinein in die Wohnungen. Alexander Müller, seit 2015 im Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. Sachsen (VDW) und seit Januar zum neuen Verbandsdirektor berufen, zieht eine fatale Bilanz. Die Folgen dieses wohnungspolitischen Katastrophenjahres werden für die Menschen erst mit einigem Zeitverzug spürbar werden.

Beispiel Neubau: »Noch haben wir Richtfeste, weil fertiggestellt wird, was im Bau ist«, so Alexander Müller, »aber es wird dann fast nichts nachkommen, wie eine aktuelle Umfrage zeigt.« 80 Prozent der 127 Wohnungsunternehmen im sächsischen Verband – meist kommunale, aber auch kirchliche, private und genossenschaftliche, wollen 2024 keine neuen Wohnungen bauen. Damit fallen 85,3 Prozent der geplanten Projekte aus. Mit 88 Prozent betrifft es besonders massiv den sozialen Wohnungsbau. Das kommt nahezu einem Stillstand im sozialen Wohnungsbau gleich.

Viele Mieter glauben, sie hätten es schon geschafft

Die Zuschüsse reichen einfach nicht, um auf halbwegs verträgliche Mieten zu kommen. Müller fordert: »Wir brauchen andere Baukostenzuschüsse!« Ohne Förderung liegt der Wohnpreis mindestens bei 12 bis 13 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, selbst beim Standard- und Serienbau. Die Mieten in Dresden sind dabei immer noch moderat. Aber es wird Erhöhungen geben müssen, auch das verschweigt Müller nicht.

Hinzu kommt die trügerische Sicherheit vieler Menschen, dass es mit den Heizkosten »nicht so schlimm« geworden ist. Das Aus der staatlichen Preisbremse wird die Mieter aber erst mit der Betriebskostenabrechnung treffen – eine Verdrei- bis Vervierfachung der Fernwärmepreise steht ins Haus, weil Altverträge auslaufen, zum Beispiel in Grimma. »Wer soll das bezahlen? Das hat unglaubliche soziale Sprengkraft. Wir werden uns nicht scheuen, die Konfrontation zu suchen, wir sind so oft von der Politik enttäuscht worden und wir spüren die Verbitterung der Wohnungsunternehmen. So kann es einfach nicht weitergehen«, sagt Alexander Müller.

Wie der Bund mit dem Interessenverband umgeht, zeigt z.B. die Tatsache, dass der bei der kommunalen Wärmeplanung nur »optional« ins Boot geholt werden soll. »Wir sind aber Partner, keine Zuschauer!«, ärgert sich Müller. Die Landesregierung in Sachsen hat mit den neuen Förderrichtlinien »preisgünstiger Mietwohnraum“» für Sanierungen und »gebundener Mietwohnraum« für Neubau immerhin positive Akzente gesetzt. »Beide Richtlinien gehen in die richtige Richtung und werden von uns ausdrücklich begrüßt«, lobt Alexander Müller. »Es ist aber absehbar, dass die Mittel bei Weitem nicht ausreichen. Zudem ist die Belegungsbindung mit Wohnscheinen außerhalb von Dresden und Leipzig ein überflüssiges Bürokratiemonster. Es ist für mich auch unverständlich, warum nur Wohnungsunternehmen in Dresden und Leipzig davon profitieren sollen? Neubau ist auch im ländlichen Raum ein wichtiger Pfeiler, um die Bestände weiterzuentwickeln.«

2024 muss auch endlich eine Lösung für die unsäglichen DDR-Altschulden gefunden werden. Eine halbe Milliarde schleppen die Unternehmen noch mit. Ein Zuschuss für Investitionen müsste aber die Ausgangslage als Maß heranziehen. Wer abgezahlt hat und Bauprojekte deshalb verschoben hat, kann jetzt nicht leer ausgehen, während andere, mit Schulden, gestützt werden. Das sei eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

Haushaltchaos in Berlin, verordnete Energiewende und wieder anstehende Sanierungen – und das unter stetem Kostendruck und Personalmangel - die Wohnungsbranche droht kurz vor den Wahlen soziale Sprengkraft zu entwickeln.


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