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Birgit Branczeisz

Wie das Blau der Ostsee in die Kirche kam

Weixdorf. Diese Kirche fand immer ihre Liebhaber.

Das Kirchengestühl war grau. Empore, Bildfassungen - alles schlicht grau. Wäre der Weixdorfer Pfarrer Siedel nicht nach Hiddensee gefahren, es wäre grau geblieben. Doch der Pfarrer hatte sich so in das Blau des Meeres verliebt, dass es 1912 die Farbe Blau sein musste. Fortan hatten die Weixdorfer eine maritime Kirche. Eine gewöhnliche Dorfkirche war sie da längst nicht mehr:

Das lag an Pastor Samuel David Roller (1779-1850). Der war nicht nur äußerst beliebt, sondern er wurde sogar eine literarische Figur. Roller konfirmierte 1816 den Porträt- und Historienmaler Wilhelm von Kügelgen, der Roller 1870 in seinen postum veröffentlichten "Jugenderinnerungen eines alten Mannes" ein literarisches Denkmal der Dresdner Romantik setzte. Jetzt wurde das Gemeindehaus in "Pastor-Roller-Haus" benannt. So steht sie nun da, die kleine, bedeutende Dorfkirche, mitten in einem lieblichen Ensemble mehrerer Gebäude. Dach und Korpus sind vor 10 Jahren erneuert worden.

Nur innen wurde in den letzten 30 Jahren nichts gemacht. "Da wurde es Zeit", sagte sich Alexander Manzke und gründete 2020 mit anderen einen Kirchbauverein. Sommercafés, Budenzauber und Spendenaktionen, die ersten 50.000 Euro kamen recht schnell zusammen, sagt der Vereinsvorstand. Im letzten Jahr konnte deshalb die hohen schmalen Fenster restauriert werden. Die Holzwerkstatt Ulrich Haferland in Finsterwalde nahm sich der Sache an.

Vor allem aber fand sich mit der Architektin und Geschäftsführerin Claudia Domnick von Planstudio Dresden nicht nur eine Frau vom Fach, sondern vor allem eine Ur-Weixdorferin. Etwas Besseres konnte der Kirche nicht passieren. Der Ort mag seine Kirche. Die kleinen Fenster wurden im Ehrenamt aufgearbeitet, auch die alte Schüttung schaufelten die Weixdorfer heraus. Wenn die neue Dämmung eingebracht wird, gibt es den nächsten Aufruf. Bei so viel Herzblut ist das heimisch gewordene Meeresblau natürlich wieder ein Muss.

Ein gutes Händchen für alte Kirchen

Da Bildeinfassungen, Orgelgewandung und Emporen bereits im Originalblau von 1912 eingefasst sind, bleibt es dabei. Die Ostseeliebe von Pfarrer Siedel ist denkmalwürdig. Nur die Bänke und die Säulen unterhalb der Empore bekommen einen helleren Blauton - in den 1960er Jahre hatte man einfach ein dunkleres Blau aufgetragen. Ob nun Ostsee- oder Himmelsblau, die kleine Saalkirche wird lebensfroh.

Dafür sorgen Handwerker, die den Bauraum Kirche als etwas Besonderes schätzen. "Gerade bei der Elektrik hatten wir viele Absagen", sagt Claudia Domnick. Denn hier muss der Elektriker ein Händchen für die alte Glockensteuerung haben und um so manche Ecke basteln. Mit Elektro Stasch aus Freital fand sich eine Firma, die in etlichen Kirchen gearbeitet hat. Das Baugeschäft Dirk Scheibe aus Weixdorf kümmert sich um Rohbau und Putz, Zimmermann Sören Ruhland aus Dresden um die Dielung und Malermeister Burghard Mann aus Finsterwalde um den guten Farbton.

Mitte Juni sollen die Heizkörper kommen, Bankkonvektoren, die sich jetzt via Smarthome steuern lassen. "Das darf aber nur der Küster", lacht Claudia Domnick. Mit der HTW Dresden hatten die Weixdorfer s ein Jahr lang das Raumklima ihrer Kirche gemessen, voll besetzt und leer, sommers wie winters. Die Kirche ist topfit und bis zum Erntedank hoffentlich schmuck.

www.Kirchbauverein-weixdorf.de

 


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