

Beifall auf offener Szene, Bravo-Rufe, Fußgetrampel und zum Schluss gefühlte 15 Minuten stehende Ovationen – die Begeisterung des Publikums bei der Premiere des Doppel-Ballettabends „Ein Sommernachtstraum“ in der Semperoper kannte fast keine Grenzen. Dabei waren einige Zuschauer zuerst eher skeptisch; denn ein Klassiker wie Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ nach der Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy und eine moderne Inszenierung von Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ standen auf dem Programm. Passt das überhaupt zusammen? Es passte, wie auch die nach der Premiere enthusiastisch aufgenommenen Aufführungen zeigten. Als sich der Vorhang hob, bot sich das Bild eines Märchenwaldes, das Reich von Elfenkönig Oberon und seiner Königin Titania. Elfen, Feen und Kobolde, die von den Menschen nicht gesehen werden können, trieben hier ihren Spuk und Schabernack. Die Menschen, das waren zwei Liebespaare, die in den Wald geflüchtet waren und um die es allerlei Verwicklungen gab. Hinzu kam eine Gruppe Handwerksleute, die sich als Künstler fühlten und ungestört ein Stück einstudieren wollten. Diese Handlungsebene kam in der einstündigen Fassung der Schauspielmusik Mendelssohns, die der englische Komponist David Lanchbery für das Ballett neu arrangierte, zwar etwas zu kurz, aber was machte das schon. Der Choreograf Frederick Ashton konzentrierte sich eben ganz auf das Geschehen im Wald und zwar mit viel Einfallsreichtum. Da tanzten die Elfen ihren Reigen in wunderschönen Kostümen. Da wirbelte der Kobold Puck in großen Sprüngen nur so über die Bühne und brachte alles durcheinander. Da stritten und vertrugen sich wieder Oberon und Titania, deren Pas de deux die Zuschauer zu wahren Beifallsstürmen hinriss. Und die beiden Liebespaare, die Puck durch sein Ungeschick „vertauscht“ hatte, taten es ihnen gleich. Dabei gab es so manche humorvolle Szene, vor allem, als der dümmliche Handwerker Zettel in einen Esel verwandelt wird, der sich das „Fell“ an einem Baum scheuert und auf Spitze tanzt! Zum Schluss klärte sich zwar alles auf, aber keiner der Akteure weiß so recht, ob seine Erlebnisse Traum oder Wirklichkeit waren. Deshalb auch der Titel des Balletts „The Dream“. Für die Tänzerinnen und Tänzer der Company der Semperoper war es alles andere als ein Traum, sondern eine Glanzleistung, hinter der hartes Training steckt. Das galt auch für den zweiten Teil des Ballettabends, die Uraufführung von „The Four Seasons“, die der britische Choreograf David Dawsons für das Ballett der Semperoper kreierte. Grundlage dafür war Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ in einer umkomponierten Fassung von Max Richter und unter Einbeziehung ergreifender Gedichte der amerikanischen Dichterin Nayyirah Waheed. In einem abstrakten Ballett für 16 Tänzerinnen und Tänzer wird auf beeindruckende Weise der Lebenskreis des Menschen und der Natur vom Aufbrechen, Erblühen, Verdorren und schließlich dem Verfall gezeigt – bis der Lauf der Jahreszeiten von Neuem beginnt. Im Gegensatz zum „Sommernachtstraum“ agieren die Tänzer auf einer leeren Bühne, die nur im Zeichen von wechselndem Licht und vier frei schwebenden geometrischen Elementen steht. Vielleicht ist das der Grund, dass sich die Zuschauer ganz auf die Musik, den Tanz und die Bewegungen konzentrieren können. Die rhythmisch veränderte Musik bietet interessante Motive, die die Staatskapelle unter der musikalischen Leitung von Benjamin Pope voll auslotet. Die Zuhörer auf den Rängen hatten das Glück, Daniel Hope bei dem Solo-Violinenpart im Orchestergraben zu sehen. Grandios verstanden es die Tanzpaare, die verschiedenen Stimmungen der Jahreszeiten darzustellen. Ihre gleitenden, oftmals schnellen Bewegungen wirkten sehr ästhetisch. (gs)