Birgit Branczeisz

Das Aus der Sonntagsreden

Dresden. Die Zeit der Wohltaten ist vorbei und keiner will der Buhmann sein.

Dirk Hilbert spricht noch ruhiger als sonst. Von draußen Sprechchöre, klatschen. Ja, der neue  Haushalt bringt viele auf die Straße. Dem stehen nackte Zahlen gegenüber. Denn der Haushaltsentwurf spiegelt nur wider, was überall im Land passiert. Kostenexplosionen, eine Situation, wie sie Dresden seit dem Verkauf der Woba nicht erlebt hat. »Weil Bund und Länder es versäumt haben, die Folgekosten ihrer Gesetze zu durchdenken«, sagt der OB. Dabei hat Dresden einen Rekordhaushalt von  2,3 Milliarden Euro in 2025. Vor zehn Jahren lag der Etat noch eine Milliarde darunter. Nie war so viel Geld im städtischen System – und nichts ist gut. Dresden könnte alle Pflichtaufgaben erfüllen. Der Kernhaushalt enthält keine Neuverschuldung, wie es die Hauptsatzung verlangt. Schulden sind die Steuern von morgen – aber der Spielraum für alle freiwilligen Aufgaben verengt sich rapide. Denn Pflichtaufgaben darf und kann sich weder die Verwaltung noch der OB entziehen. Sie sind einklagbar.

So sind von 2022 zu 2026 die Kosten für den Sozialverband um 24 Millionen gestiegen; die Hilfen zur Pflege um elf Millionen; die Kosten zur Unterkunft um 17 Millionen; die Hilfen zur Erziehung um 16 Millionen. Das ist schwindelerregend. Jedes Amt hat zwar proportional mehr Geld zugebilligt bekommen, aber es reicht nicht. Deshalb sickerte früh die »Liste der Grausamkeiten« durch. Die Geschäftsbereiche mussten streichen. Zumal die Mai-Steuerschätzung erheblich weniger Einnahmen voraussagt. Der Rückgang der Zuweisungen des Freistaates sinkt für Dresden um 157 Millionen in 2025/26.

Nur sehr viele Förderungen und Projekte sind freiwillig – und fallen nach Haushaltrecht weg, wenn es eng wird. Erst die Pflicht, dann die Kür, sagt das Gesetz. Das Rechnungsprüfungsamt schreibt: »Wir heben nochmal hervor, dass oberste Priorität darauf zu legen ist, die Erfüllung der Pflichtaufgaben sicherzustellen. Transferaufgaben sind sorgfältig zu überwachen, im Hinblick auf die Abgrenzung von Pflicht- und freiwilligen Aufgaben zu bewerten und die finanzielle Stabilität Dresdens nicht zu gefährden.«  Jede vermeintliche  Wohltat wird an anderer Stelle Löcher reißen, so der OB. Die Verschuldung der Städte und Gemeinde wird zulasten künftiger Generationen neue Dimensionen erreichen, ist er sich sicher.

 

Ein Kosten-Kurz-Check

Die Personalkosten sind mit 560 Millionen ein großer Anteil 2025, 66 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Personal wurde eingestellt, wo es notwendig war, wie beim Wohngeld, aber auch, wo es gewollt war, wie beim Gemeindlichen Vollzugsdienst, Klimaschutz und digitale Verkehrswende. Die Ämter haben einen Mehrbedarf von 660 Stellen angezeigt. »Mir ist bewusst, dass Personalkosten zuerst kritisiert werden, die gesetzlichen  Anforderungen haben aber zu erheblichem Mehraufwand geführt«, so Hilbert. Trotzdem ist festgelegt, dass  KEINE weitere Stellen geschaffen werden. Stattdessen müssen Stellen flexibel verlagert werden – zu Pflichtaufgaben. Sollten sich die Gewerkschaften mit acht Prozent Lohnplus durchsetzen, müsste Dresden sogar 330 bis 400 Stellen streichen. »Wir dürften keine Stelle nachbesetzen«, so Hilbert.

Die Kitakosten betrugen 2014 noch 154,8 Millionen heute sind es 245 Millionen. Das »Kita-Moratorium« Sachsen wird zurecht von Kommunen abgelehnt, sagt Hilbert, denn das Land friert seinen Anteil ein, gleichzeitig dürfen keine Stellen gestrichen werden. Alle Parteien hatten Dynamisierung der Zuschüsse zugesagt – passiert ist nichts.

Die geplanten Investitionen umfassen bis 2029 rund 260 Millionen in Bildung, zusätzlich den Bau  des BSZ Elektrotechnik mit 140 Millionen; 260 Millionen für Straßen und Brücken – u.a.  Königsbrücker Straße, Nossener Brücker, Hamburger Straße, Blaues Wunder – in den Vorhaben  stecken aber auch erhebliche Fördermittel-Erwartungen. Da kann einiges schiefgehen, außerdem darf sich der Freistaat nicht vom Schulhausbau verabschieden. Investiert werden soll in die Wirtschaft. Auch bestehende Planungen müssen auf den Tisch – von vornherein Wunschprojekte starten, die zu teuer sind, sorgt nur für Frust.

Für Bus & Bahn wird bereits unterstellt, dass die Technischen Werke 55 Millionen jährlich für die DVB aufbringen, unterstellt, dass die Gewinnabführung der SachsenEnergie mittelfristig steigt – trotzdem fehlen Millionen. Grund ist laut Hilbert die unzureichende Finanzierung von Angeboten, die durch Bund und Land gemacht wurden. Bis zu 20 Millionen sind im Bildungsticket z.B. nicht gegenfinanziert. »Der Stadtrat muss sich damit auseinandersetzen, ob wir weiterhin die gleichen Leistungen bei der DVB bestellen können, wie bisher«, so Hilbert als Fazit. Klar ist für ihn auch:  »Wir können uns keinen Neubau einer Schwimmhalle leisten. Wenn der Stadtrat das dennoch will, muss er sagen, woher da Geld kommen soll.«  

Für die Carolabrücke wird Dresden trotz angekündigter Unterstützung erheblich in die Tasche greifen müssen. »Dazu müssen wir uns von Projekten verabschieden, die dieser Stadtrat beschlossen hat. Anders als manche behaupten, geht es eben nicht um Lieblingsprojekte des Oberbürgermeisters, sondern um Beschlüsse – z.B. Fernsehturm und Robotron-Kantine«, führt er nüchtern aus. Seine Anfrage bei Bund und Land, ob diese Fördermittel anders eingesetzt werden dürfen, hat Wirtschaftsminister Martin Dulig für die Staatsregierung schriftlich mit einem klaren NEIN beantwortet. »Dieses Festhalten an starren Förderstrukturen angesichts leerer Kassen ist falsch«, findet Hilbert, »ein ‚weiter so‘ wird aber nicht mehr helfen.«

Die BUGA überdenken. Einstimmig beschlossen, aber nicht mehr sicher – die Bundesgartenschau. Ohne die BUGA bleiben aber einige wichtige Themen auf der Strecke. Projekte gegen Überhitzung Wohngebiete, zur Offenlegung der Gewässer, die Badestelle Kiessee Leuben, eine abgesicherte Zukunft der Galopprennbahn und mehr. »Dass BUGA-Ideen gekürzt werden, scheint mir zwingend.«

Seine persönliche Botschaft: »Niemand im Rathaus hat vorsätzlich die Gelder eingekürzt, weil wir es für politisch richtig halten. Ich lasse es auch nicht so stehen, wir würden nur auf Jugend, Soziales und Kultur abzielen.« Dresden muss mehr einnehmen, denn die Politik in Berlin scheint derzeit keine neuen Prämissen zu setzen. Deshalb wird etwa die  Grundsteuer ab 2027 erhöht, deshalb steigen  Parkgebühren.

»Die Dresdner fragen sich da zu Recht, welches Ziel der Haushalt verfolgt, wenn er nur den gesetzlichen Vorgaben entspricht«, so Hilbert und er antwortet:

Erstens. Handlungsfähig bleiben, sonst gibt die Rechtsaufsicht den Takt vor und der Stadtrat gibt sein Mandat ab.

Zweitens. Die Investitionen absichern. Nur mit Gewerbesteuern sind Ausgaben von morgen absichern.

Drittens.  Für die Zukunft vorsorgen. In die Dresdner Innenansicht sind keinerlei globale Entwicklung eingepreist – und die Nachrichten sind erschreckend. »Wir können nicht so tun, als ob uns das nichts angeht.«

Dresden ist kein Sonderfall, Chemnitz hat einen Fehlbetrag, der eine Genehmigung eigentlich unmöglich macht. Leipzig sieht vor, dass die Schulden von 1,2 auf 1,6 Milliarden steigen. »Das hatten wir nicht mal in den schlimmsten Zeiten«, so der OB.  

Dresden hat hohe Standards, kann im dreistelligen  Millionen-Bereich investieren. Dennoch werden es  die schwierigsten Beratungen seit 20 Jahren. Hilbert hat mit allen Fraktionen gesprochen, es gibt zahlreiche »rote Linien«. Auch ein Datum ist gesetzt: Bis 12. Februar soll ein Weg gefunden werden. Die Zeit der Sonntagsreden ist im Dresdner Stadtrat vorbei, wenn man für die Menschen dasein will.

 

 

 

 


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