

Vorab: Einig sind sich die kommunalen Entscheider darüber, dass das Papier im Wesentlichen die zu lösenden Probleme treffend formuliert.
»Über Schlussfolgerungen … kann man im Detail geteilter Meinung sein«, formulierte der Oberbürgermeister von Cottbus, Tobias Schick. Er betrachtet die im Positionspapier beschriebenen Probleme allerdings als deutschlandweit zutreffend. »Somit haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.« Deshalb aber hält er eine Modellregion nur für die Lausitz nicht als zielführend. Denn Bürokratieabbau und Beschleunigung von Bauvorhaben müsse es landesweit geben.
Peter Döll, Chef EGC GmbH, Wirtschaftsförderung von Cottbus, sieht das ähnlich wie sein Oberbürgermeister. Cottbus und die Lausitz seien auf einzelnen Feldern ja bereits Reallabore, etwa auf dem Gebiet der Wasserstofferzeugung und -nutzung. Die Fokussierung auf einzelne Vorhaben und regionale Kooperationen hält Döll deshalb für sinnvoller.
Die Wirtschaftsregion Lausitz GmbH (WRL) ist die Landesstrukturentwicklungsgesellschaft für den brandenburgischen Teil der Lausitz und verfolgt das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Lausitz zur stärken. Heiko Jahn, Geschäftsführer der WRL, lehnte es auf Anfrage der Redaktion ab, zum Positionspapier schriftlich Stellung zu nehmen. Er teilte mit, dass er dafür das direkte, persönliche Gespräch mit den Vertretern der Unternehmerverbände bzw. deren Mitgliedern bevorzuge. Dazu fand u.a. Anfang Februar in Kooperation mit dem Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) eine Informationsveranstaltung statt.
Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier ist da anderer Meinung. Sie sieht eine Modellregion Lausitz nicht nur als Chance, sondern als Notwendigkeit: »Wenn wir nicht modellhaft etwas Neues schaffen, werden wir scheitern.« Den Fokus der Strukturförderung will sie zukünftig auf die weichen Standortfaktoren gelegt bekommen. Das sei im Zuge dessen, Fachkräfte in die Region zu ziehen und zu halten, vordergründig. Die Bürgermeisterin ärgert sich zudem, dass die Landesregierung davon abweicht, Fördermittel nur den Kommunen der vom Kohleausstieg kernbetroffenen Region zu geben.
Petra Axel, Geschäftsführerin der ASG, Wirtschaftsfördergesellschaft von Spremberg-Spreetal und damit auch verantwortlich für den Industriepark Schwarze Pumpe, betrachtet alle Forderungen im Positionspapier als wesentlich. Eine Modellregion sieht sie als »absolut realistisch«. Das müsse jedoch »im politischen Berlin, Potsdam und Dresden« ebenso gesehen werden. Es wäre jedoch schon ein Anfang, drückt sich die ASG-Chefin vorsichtig aus, wenn die für die Förderungen zuständigen Verwaltungen »der Region zugewandt« tätig seien und »die eingereichten Projekte fair bewertet bearbeitet würden.«
Der Bürgermeisterin von Forst, Simone Taubenek, geht das Positionspapier nicht weit genug, »weil wir alle immer noch in den gleichen Strukturen … denken und nicht in der Lage sind, uns komplett aus den bestehenden Regularien zu lösen und einen neuen Ansatz zu finden.« Eine Modellregion hält sie für wünschenswert, zweifelt aber, dass das noch durchsetzungsfähig sei. Was die Fachkräfte-Problematik betrifft, sieht sie ein Einwanderungsgesetz als lange fällig an, betrachtet aber hierbei vordergründig die Kompetenz in englischer Sprache für notwendig. Schließlich wolle man in der Lausitz ja »international unterwegs« sein. Ob der Just Transition Fund (JTF) als Fördermöglichkeit für Unternehmen, sich für den Strukturwandel besser aufzustellen, tatsächlich genutzt wird, betrachtet sie mit Skepsis.
Dem schließt sich Fred Mahro, Bürgermeister von Guben, an. Die Mittelverwendung beim JTF erzeuge einen hohen bürokratischen Aufwand, der nur von größeren Unternehmen bewältigt werden kann. Die Fachkräfteproblematik sieht er im Papier der Unternehmerverbände treffend beschrieben. Hinsichtlich der Mobilität fehlt ihm dort jedoch eine Aussage in Richtung Osten. Die Notwendigkeit von Entbürokratisierung und Deregulierung bestätigt er, sieht das aber ähnlich wie das Cottbuser Stadtoberhaupt als deutschland- bzw. europaweites Problem. Wichtig ist ihm besonders, dass der Strukturwandel an den Landesgrenzen nicht beendet sein darf. Er hält grenzüberschreitende Projektförderung für sehr wichtig.
Auch Heike Gensing, Geschäftsführerin der CIT GmbH, Wirtschaftsförderung des Landkreis Spree-Neiße, würde das für gutheißen. Was eine verstärkte Zusammenarbeit der brandenburgischen wie sächsischen Landkreise in Lausitz voraussetzen würde. Das Positionspapier müsse mit konkreten Maßnahmen untersetzt werden. Für die Umsetzung einer Modellregion sieht sie jedoch angesichts der mangelhaften personellen wie auch finanziellen Ausstattung der kommunalen Verwaltungen wenig Spielraum. Wenn, wäre auch hier eine (bundes)länderübergreifende Kooperation zwingend.
Der Landrat des Spree-Neiße-Kreises, Harald Altekrüger, begrüßt die Positionen im Konzeptpapier und wertet sie als »Anstoß zur Etablierung einer Modellregion«. Allein in der Tatsache, dass sich hierzu mehrere einflussreiche Verbände zusammengefunden haben, spräche dafür, dass das umsetzbar sei. Dazu böte auch der Net-Zero Industry Act gute Rahmenbedingungen.
Dr. Klaus Freytag, Lausitz-Beauftragter des brandenburgischen Ministerpräsidenten, bestätigt die im Positionspapier beschriebene Problemlage, dürfte aber mit seiner Feststellung, »eine Kannibalisierung findet nicht statt«, womit er den Abzug von Fachkräften aus dem regionalen Mittelstand durch Großprojekte meint, auf widersprechende Wahrnehmungen stoßen. Er macht anhand von Beispielen deutlich, dass seitens des Landes schon einiges auf dem Weg ist, um den Nachwuchs mittels neuer regionaler Berufsschulen verstärkt heranzuziehen. Der Lausitz-Beauftragte betont die Indiskutabilität des Kohleausstiegsdatums 2038. Dr. Freytag versteht die Kritik an der »Bürokratie« bei der Förderantragsbearbeitung, macht aber darauf aufmerksam, dass es sich bei den Fördersummen um Steuergelder handelt, deren sinnhafte Verwendung geprüft und nachgewiesen werden müsse. Auch in Anbetracht dessen, dass die Lausitz an dieser Stelle im Gegensatz zu anderen Regionen bevorzugt behandelt wird. Für ihn ist die Lausitz »bereits eine Modellregion. Was hier in den letzten drei Jahren passiert ist, sucht seines gleichen.« Das sei ohne »Sonderwirtschaftszone« gelungen. Eine solche sei, betont auch er, bei den Verhandlungen zum Strukturstärkungsgesetz, im Bund nicht mehrheitsfähig gewesen. Mittlerweile gibt er jedoch dieser Idee kaum noch eine Chance, denn wie wolle man weitere Ausnahmen für eine Region begründen, die mittlerweile »im deutschlandweiten Vergleich das größte Wirtschaftswachstum hat?«
Modellregion Lausitz? Nicht nur Chance, sondern dringend notwendig