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Bravo, ein Treffer!

Die Schützengesellschaft Kamenz gehört zu den Vereinen, die in der Pandemie einen Mitgliederzuwachs verzeichneten.
Präsident Thomas Reinecke (li.) und Pressesprecher Benedikt Kainz. Foto: Rainer Könen

Präsident Thomas Reinecke (li.) und Pressesprecher Benedikt Kainz. Foto: Rainer Könen

Ob ich mal schießen wolle? So könne ich einen genauen Eindruck bekommen, wie sich das anfühlt, wenn man sich am Schießstand auf ein Ziel konzentrieren müsse. Benedikt Krainz reicht mir eine großkalibrige Pistole, beschreibt mir deren Funktionsweise, rät mir, sie vorsichtig zu laden. Dann ist es soweit. Vor mir, in 25 Metern Entfernung, hängt die Zielscheibe. Meine Ohren sind von einem Kopfhörer geschützt, ich stehe aufrecht, die Pistole mit beiden Händen festumklammert, ich atme tief durch. Schaue zu Benedikt Krainz. Der nickt, kann losgehen. Ich drücke vorsichtig ab, der Rückstoß ist heftig. Irgendwo auf der Schießbahn spritzt Sand auf. Von den nächsten vier Kugeln findet nur eine die Zielscheibe. Warum schießt der Mensch eigentlich? Antwort von Krainz: Weil es Spaß macht. Aber was ist so besonders an diesem Spaß? Die Konzentration, das Alleinsein beim Zielen und Abdrücken, diese Entspannung nach dem Schuss, die etwas Erlösendes hat. All das wird es wohl sein, warum es die Mitglieder der Kamenzer Schützengesellschaft regelmäßig zum Training auf den in Bernbruch gelegenen Schießplatz zieht. In den zurückliegenden Monaten, während des Dauerlockdowns, sah das jedoch anders aus. Da war hier kaum etwas los. Der 52-jährige Benedikt Krainz, der im Verein für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, spricht von einer »unangenehmen Zeit«. Meisterschaften entfielen, Trainingstermine wurden abgesagt, Feste, bei denen der Verein sonst immer dabei war, fielen aus. Trotzdem wuchs die Mitgliederzahl: 2019 lag sie bei 122, im Februar 2021 bei 136. Krainz rechnet damit, dass in diesem Sommer die 140er Marke übersprungen wird. Er erklärt, warum. Wer eine erlaubnispflichtige Waffe besitzt, muss ein regelmäßiges Training mit dieser nachweisen. In einem Verein wie der Schützengesellschaft. Heißt: Monatliches Schießtraining im Jahr. Wer seine Waffe respektive den Waffenschein behalten will, muss übungstechnisch ständig am Ball sein, sprich, regelmäßig dem Schießstand einen Besuch abstatten. Und hat man eine Sportschützen-Waffenbesitzkarte, wird diese von den Behörden regelmäßig geprüft, muss man nachweisen, dass man Mitglied in einem Verein wie der Schützengesellschaft ist. Mit ein Grund, warum sich auch bei der Kamenzer Schützengesellschaft in der Corona-Zeit niemand abgemeldet hat.

Entschleunigen und Repräsentieren

Seit knapp zehn Jahren nimmt in Kamenz das Interesse am Schießsport zu. Zum einen, weil der Verein bei großen Veranstaltungen in der Lessingstadt oft Präsenz zeigt, aber auch, weil mittlerweile viele erkannt haben, dass man nicht nur beim Joggen oder Fitnesstraining entschleunigen kann, sondern auch beim Schießsport. Auf die Frage, wer sich da der Schützengesellschaft anschließt, erklärt Krainz, dass das zumeist Menschen seien, die mitten im Leben stehen. Eine Familie gegründet und eine Arbeit haben, Haus gebaut, kurzum: all das geschafft haben, was zu einem erfüllten Leben gehört. Die Freizeit, die da bleibt, wird mit dem Schießsport ausgefüllt. Macht ja auch schön was her, wenn man bei großen Festen in der Öffentlichkeit den Verein in der schmucken Schützenuniform präsentieren kann. Etwa beim Forst- und beim Flugplatzfest oder bei Wohltätigkeitsveranstaltungen. Da zeige man dann auch, dass man Teil des städtischen Vereinslebens sei, so Benedikt Krainz weiter. Der sich jedes Mal freut, wenn sich neue Schießsport-Interessierte in Bernbruch einfinden. Ob er denen auch gleich eine Pistole in die Hand drückt? Nun, 15 Mal durfte ich schießen. Fazit: Eine Kugel traf – den Zielscheibenrand. Die anderen spritzten in den Sand oder rissen Löcher in die Holzbrüstungen der Schießbahn. »Ist okay für den Anfang«, meinte Benedikt Krainz. Naja, ich hätte schon gerne häufiger treffen wollen. So bleibt nur die Erinnerung an die mir um den Kopf herumfliegenden leeren Patronenhülsen. Gehört ja auch zu dem, was man Schießsport nennt.


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