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Mein Reisetagebuch- Tag 5

Unterwegs mit dem Lutherpass 2017
Foto: Katrin Brunk

Foto: Katrin Brunk

Tag 5 – 31.3.2017 Doberlug und Finsterwalde  „Es wollen zwei auf Reisen gehen...“ - wer kennt es nicht, das alte Ferienlagerlied. Also planen wir heute einen Tagesausflug nach Doberlug und Finsterwalde ein, die nicht weit auseinanderliegen.  Früh geht es ab Mühlberg los, 45 min Autofahrt und wir sind da. Klärchen scheint ohne Unterlass bis zu ihrem Untergang. Die Prophezeiung des RBB wird wahr, Sonne satt. Was sagt man dazu?  Ziel 1: Doberlug mit Kloster, Schloss, Rautenstock und Hof Nr. 14. Zuallererst bekommt der Mönch, also der aus Holz vor dem Refektorium, von uns einen Lutherpass in die Hand gedrückt. Den kennt er noch nicht, schließlich lebte er 1184 mit 11 anderen Mönchen und einem Abt hier im Kloster. Dieses wiederum besetzte Kurfürst Johann Friedrich 1541 mit einem geschickten Schachzug. 6 Jahre später verlor er es wieder an Böhmen. Soviel zum Thema Politik und Taktik.  Dieses geschlossene Ensemble aus steinernen Zeitzeugen wie Kloster, Schloss und Kirche muss man genießen, spätestens seit der Landesausstellung 2015. Da ging es nämlich rein platonisch darum, wo Preußen Sachsen küsst, nämlich ganz dicht an den Landesgrenzen mit so viel geschichtlichen Berührungspunkten.  Am Empfang im Schloss treffen wir Carola, die „Schlossfee“ vom Dienst. Sie gibt uns praktische Tipps für die weiteren Stunden und Stempel Nr. 5. Drinnen wartet die Ausstellung von Künstlern zur Reformation auf uns. Wir philosophieren ganz unbeschwert über verrückte Bilder und zerbrechen uns den Kopf wegen irren Skulpturen. Sehr witzige, herausfordernde und tiefsinnige Ideen füllen die Räume. Unsere grauen Zellen arbeiten auf Hochtouren, hier ist selbst für Kunstbanausen was dabei. Theologisch wie künstlerisch Luther hat die Kirche auf den Kopf gestellt. Wer sich die Ausstellung ansieht, sollte nach diesem Objekt suchen!  Bevor wir uns verabschieden, begutachten wir regionale Töpferarbeiten, Schmuck und andere schöne Dinge in den Verkaufsvitrinen. Zarte, nicht mittelalterliche Ketten zieren kurze Zeit später unseren Hals, ein typisches Frauenlaster. Na und, müssen wir „Gewissensbisse“ haben?  Entlang der Kleinen Elster spazieren wir zum ehemaligen Küchenteich des Klosters, sehr idyllisch liegt er vor uns Bei den Mönchen kam viel Fisch auf den Tisch, die Brüder wussten was gesund ist, neben Bier zum Beispiel. Die Buchen müssen wir nicht suchen, sie wachsen in einem Wald daneben. Im Kiefernland Brandenburg ist das schon was Besonderes.  Vor dem Schaufenster von „Elfes“ bleiben wir stehen. Jane erinnert sich an ihre ersten Jeans, gekauft in diesem seinerzeit überall bekannten Geschäft. Die Leute kamen zu Ostzeiten sonst woher wegen den Klamotten, Warteschlange inklusive. Schräg gegenüber liegt der Hof Nr. 14. Aber das ist nicht irgendein Hof, sondern ein kleiner Geheimtipp für einen Wochenendausflug, wer es so richtig natürlich mag. Lasst euch weiter überraschen... alte privilegierte Apotheke, Fachwerkhaus neben dem Schloss, Weißgerbermuseum in Kirchhain, es lohnt sich für Auge und Ohr.  Die Tür zum „Rautenstock“ gleich daneben ist offen, die junge Frau vom Service ermuntert uns zu einer Besichtigung des ehemaligen Quartiers, in dem mal 100 Pferde versorgt wurden. Jetzt umsorgt man Gäste, und zwar in 3 Sterne-Qualität.  Schlafwandlerisch steuern wir auf das Cafe Leibnitz zu. Mittagspause. Unser Speiseplan wird heute wie folgt aussehen: mittags einen unverschämt köstlichen Eisbecher und abends Fischteller bei Suhr in Langennaundorf. Das klingt wie Musik in unseren Ohren! Bitte fragt euch jetzt nicht, warum diese Zusammenstellung und diese Fahrroute. Wir lieben Experimente!  Ziel 2: Mit kaltem „Eisbauch“ bei 22 Grad Weiterfahrt nach Finsterwalde, früher auch aus unergründlichen Motiven „Dusterbusch“ genannt. Heute ist es die Hauptstadt des fröhlichen Gesangs. Auf dem Parkplatz dort offenbart sich eine extra breite Lücke zum Einparken. Wie hilfreich! Wir schlendern über den Marktplatz gezielt zum Sänger-und Kaufmannsmuseum. Hier nehmen wir uns reichlich Zeit, denn es geht gleich um Singen und Spielen. Also eins stellen wir mal so in den Raum: Die erste Boygroup der damaligen Zeit waren nicht die Comedian Harmonists sondern die Sänger von Finsterwalde. Um 1900 entstand das heute noch so beliebte Lied aus einem Musical von Herrn Wolff. Und wer hat´s gesungen? Genau, die drei oder vier Jungs und mit ihnen alle Bürger, ob sie wollten oder nicht. Die ganze Geschichte erzählt das alte Haus in der Langen Straße. Hier geht ein großer Wunsch für uns noch in Erfüllung: Einmal im Leben Orgel spielen! Ja, das dürfen wir, allerdings unter erschwerten technischen Bedingungen, mit ohne Strom. Die Miniorgel krächzt das Sängerlied, denn der Blasebalg streikt. Dem Mitarbeiter ersparen wir einen mehrstimmigen Satzgesang eben dieses Liedes, er sollte den Feierabend noch erleben. Und dann lacht das Herz Spielzeug ohne Ende, Kaufmannsläden wie wir sie noch von früher kennen! Ja, so einen ähnlichen hatte ich auch! Ach, noch einmal Kind sein, wenigstens für eine Stunde. Wo steht bitte schön die Zeitmaschine? Wir müssen leider weiter, die Zeit entflieht. Jane sucht einen bestimmten Laden, verflixt wo ist der bloß? Na dort an der Ecke! Spielzeug steht im Schaufenster, nichts wie rein zu Raißle. Die Verkäuferin spielt mit uns, einfach so, ein paar neue und alte Spiele. Eine echte Fachfrau. Na guck mal, das gab´s früher auch! Wir haben viel Spaß dabei, finden alte Bekannte wie Maulwurf Pauli oder Frau Elster.  Dabei vergisst man glatt mal sein Alter und natürlich auch die Uhr. Aber “ein Buch mit sieben Siegeln“ ist nirgendwo zu finden.... Schloss Finsterwalde, dich kennen wir noch nicht. Du gefällst uns. Hier residiert die Verwaltung der Stadt. Der Innenhof gibt eine wundervolle Wandmalerei frei. Alte Türen und Klinken, hübsche Häuschen in den Gassen, die geschichtsträchtige Trinitatiskirche - das alles ist Finsterwalde und noch mehr. Den alten Musikladen, wo meine Eltern die erste Gitarre für mich kauften, den gibt es am Markt nicht mehr. Aber Musik spielt hier die erste Rolle, am Sängerdenkmal im Zentrum hört man sie förmlich. Ich glaube, das Lied braucht eine Mühlberger Strophe, denn wir singen auch mit Leib und Seele. So ungefähr könnte sie klingen: „Wir sind aus Mühlberg, komm von der Elbe. Auch wir hier leben für den Gesang. Dass wir aus Mühlberg sind, das hört ein jedes Kind. Wir singen Noten, wo keine sind.“ Luther hätte wahrlich seine Freude daran, gehörte er doch zu den Gründern zahlreicher Kantoreien und komponierte die Hymne der Reformation. Und wie alle wissen, kennen böse Menschen keine Lieder, sagt jedenfalls der Dichter J. G. Seume, ein gebürtiger Sachse.  Ist ganz schön warm heute, wir haben mächtig Durst und Appetit auf ein Bierchen. Der Fahrer hat Pech, nämlich ich. Muss eben mal warten bis wir Zuhause sind. Das Brauhaus Finsterwalde an der Kreuzung öffnet erst abends, das war nicht vorhersehbar. Verdammt, Durst ist schlimmer als Heimweh. Das Haus liegt an der deutschen Bierstraße, wirklich sehr beruhigend. „Wer kein Bier hat, hat nichts zu trinken.“ Wie recht du wieder hast, Martin! Am Fenster drücken wir uns nochmal die Nase platt für einen Blick auf die Biertanks, denn drinnen ist es ein bisschen wie im Museum, wenn ich mich recht erinnere. Wer hier lang fährt, sollte auf jeden Fall einkehren, man kann sich auch frisch gebrautes Bier abfüllen lassen. Schon im Mittelalter wurde gebraut, was das Zeug hielt, zumal es eins der saubersten Getränke damals war. Auch heute noch ist Bier für manchen ein Grundnahrungsmittel. Also dann Prost liebe Gemeinde!  Es geht wieder nach Hause, mit Rückenwind über Langennaundorf zum Spontan-Stopp bei Fisch-Suhr. Und weil Fisch schwimmen muss, gibt´s bei Jane auf dem Hof noch ein gepflegtes, dunkles Bierchen. Dieser Tag dürfte nie zu Ende gehen, aber Klärchen verschwindet im Westen und wir in unsere vier Wände. Meine alte Finsterwalder Gitarre steht traurig in der Ecke und flüstert mit den Noten. Na gut, lassen wir den Abend noch leise gemeinsam ausklingen. Tschüss bis April du ehrwürdiges Wittenberg – die Preußen klopfen dann an deiner Tür!  K. Brunk/ März 2017 „Die Musik ist die beste Gottesgabe, und sie vertreibt den Teufel“. (nach M.L.)


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