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Millioneninvestion für Dampf und Wärme

Stadtwerke Riesa investieren 5 Millionen Euro in den Kraftwerksstandort HKW Merzdorf. Im Interview SWR-Geschäftsführer René Röthig.
SWR-Geschäftsführer René Röthig (r.) und Abteilungsleiter Steffen Krechlak am Heizkraftwerk in Merzdorf, welches die umliegende Industrie mit Prozessdampf und die anliegenden Wohngebiete mit Wärme und Heißwasser versorgt. Foto: stw/Pietzsch

SWR-Geschäftsführer René Röthig (r.) und Abteilungsleiter Steffen Krechlak am Heizkraftwerk in Merzdorf, welches die umliegende Industrie mit Prozessdampf und die anliegenden Wohngebiete mit Wärme und Heißwasser versorgt. Foto: stw/Pietzsch

 Warum haben die Stadtwerke sich für diese Investition in Merzdorf entschieden?
Ganz voran gestellt sei erwähnt, dass sich unser Kraftwerk »HKW Merzdorf« auf Gröbaer Flur befindet. Dennoch verwenden wir den eingeführten historischen Namen »HKW Merzdorf«, wenn sie so wollen, aus Tradition weiter. Die ortskundigen Bürger haben recht, es handelt sich geografisch gesehen um die Gemarkung Gröba. Nervt es Sie, wenn bei einem solchen Großprojekt offensichtlich Nebensächlichkeiten wie der korrekte Name der Gemarkung die Leute bewegt?
Nein, gar nicht - schließlich investieren wir nicht jeden Tag 5 Millionen Euro in einen Standort - und keinen würde es interessieren. Auch die Genauigkeit, mit der unsere Aktivitäten verfolgt werden, finde ich gut. Die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen technischen, ökonomischen, ökologischen und rechtlichen Aspekten, gerade in der Energieversorgungsbranche sind mittlerweile so komplex, dass es auf die meisten Fragen keine einfachen sachgerechten Antworten mehr gibt. Da ist es hilfreich, wenn man Kunden hat, die Interesse an unseren Aktivitäten zeigen und sich die Zeit auch für Details nehmen. Was hat die Stadtwerke veranlasst 5 Millionen Euro in das »HKW Merzdorf« zu investieren?
Grundsätzlich versorgen wir mit unserem dortigen Kraftwerk u.a. das Reifenwerk Goodyear mit Prozessdampf zum Vulkanisieren der Reifen, das anliegende Wohngebiet und auch die neu sanierte Schule »Am Merzdorfer Park« mit Wärme und Strom. Die Technik, insbesondere eine leistungsstarke Turbine, die wir dafür im Einsatz hatten, war nun schon 20 Jahre alt und hatte die Verschleißgrenze erreicht. Worin bestanden die besonderen Herausforderungen des Turbinenaustausches?
Im übertragenen Sinne bestand die Herausforderung darin, bei voller Fahrt und ohne Leistungsabsenkung den Motor eines LKWs zu wechseln und trotzdem die Fracht pünktlich und unversehrt zum Kunden zu bringen, so dass dieser keinerlei Einschränkungen hat. Dass so ein Projekt allein schon technisch nicht ganz einfach ist, macht das gewählte Gleichnis sicher deutlich. Neben der technischen Lösung galt es, alle bau- und emissionsrechtlichen Genehmigungen sowie die Demontage- Überbrückungs- und Montagelogistik zu planen, zu koordinieren und bei Abweichungen sofort zu reagieren. Gab es denn bei der Umsetzung Abweichungen von der Planung? Und wenn ja, welche?
Ja, auch bei uns gab es Anpassungsbedarf, weil geplante Abläufe nicht exakt  umgesetzt werden konnten. Als Beispiel kann man nennen, dass die Turbine, die per Schwerlasttransport unterwegs war und der Kran, der bis 400 Tonnen heben und die Turbine in Position bringen kann, sich zunächst nicht zur gleichen Zeit auf dem Kraftwerksgelände eingefunden haben. Was ist das Wichtigste, um so ein Projekt erfolgreich stemmen zu können?
Man braucht sehr gute Leute, sowohl im eigenen Haus, als auch bei den Spezialdienstleistern, die beteiligt sind. Ohne engagierte Mitarbeiter, die Ahnung haben und mitdenken, gelingt es nicht, so ein Projekt erfolgreich zu realisieren. Ich bin froh, dass die Kraftwerksspezialisten um unseren Abteilungsleiter Steffen Krechlak nach dem vorangegangenen kleineren Projekt »Kraftwerkserneuerung HKW August Bebel Straße« jetzt auch den Turbinenaustausch an unserem größten Standort souverän gemeistert haben. So möchte ich die Gelegenheit nutzen um öffentlich »Danke!« zu sagen. Konnten auch Riesaer Firmen als Auftragnehmer von der Investition profitieren?
Grundsätzlich sind insbesondere die Firmen Goodyear und Feralpi-Stahl (durch die Dampftrasse) sehr eng mit dem Kraftwerk durch die Lieferkette verbunden. Aber auch als Auftragnehmer konnten Riesaer Firmen sich in den entsprechenden Ausschreibungen durchsetzen. Klar ist, dass in Riesa keine Turbinenhersteller ansässig sind, so dass der Löwenanteil der Investitionssumme nicht an Riesaer Firmen beauftragt werden konnte. Jedoch beispielsweise im hochspezialisierten Bereich der Automatisierungstechnik konnten wir mit der HDGS GmbH eine Riesaer Firma mit Aufträgen im höheren 6-stelligen Bereich binden. Neben der hohen Expertise, die alle beteiligten Partner eingebracht haben, hatte HDGS einen riesigen Anreisevorteil gegenüber den sonst teils national, teils international anreisenden Spezialisten. In Zeiten von Corona mit Einreiseverboten, Quarantäneauflagen und Beherbergungseinschränkungen ist es ein wesentlicher Unterschied, wenn man nicht quer durch Europa reisen sondern nur von der Robert Koch Straße in Riesa starten muss, um zum »HKW Merzdorf« zu kommen. Seit wann wird mit der neuen Turbine Wärme und dem Generator Strom produziert?
Im Januar 2021 konnten wir beginnen, die wesentlichen Komponenten des Kraftwerkes hochzufahren. Wir werden jetzt  den Inbetriebnahmeprozess abschließen. Und was folgt dann?
Dann wird das Kraftwerk im so genannten 24/7-Betrieb  betrieben. Aber auch an weiteren Investitionsprojekten mangelt es uns nicht. Eines ist nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt, unser »PV-Kraftwerk Rostocker Straße«. Wer erfolgreich bleiben will, muss aktiv sein und die richtigen Dinge richtig machen. Das Interview führte Laura Pietzsch


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