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Jost Schmidtchen

Die Trachten liegen vorerst in der Truhe

Spremberg. Vor gut zehn Jahren löste sich der Spremberger Sorbische Hochzeitszug auf. Ein Blick in Vergangenheit und Zukunft.

Ramona Schur hat noch einmal Trachtenteile, wie die Kindertracht, die Arbeitstracht, eine Männerhose und die Tracht der jungen Frauen herausgeholt.

Ramona Schur hat noch einmal Trachtenteile, wie die Kindertracht, die Arbeitstracht, eine Männerhose und die Tracht der jungen Frauen herausgeholt.

Bild: Jost Schmidtchen

Vor mehr als 120 Jahren gehörte die Spremberger sorbische Tracht noch zum Alltag in der Stadt und den umliegenden Dörfern der Region. Nach der vorletzten Jahrhundertwende wurde sie zunehmend verdrängt infolge der Zuwanderer aus anderen Gebieten, die hier Arbeit fanden in der Textil- und aufstrebenden Braunkohleindustrie. Zum Wendischen hatte diese neue Bevölkerung keinen Bezug. Die Trachten verschwanden aus dem öffentlichen Stadtbild, viele aber von ihren Trägerinnen aufbewahrt und wurden so sprichwörtlich zu »Truhentrachten«. Ans Licht zurückgeholt hat sie Anfang der 1980er Jahre Dr. Lotar Balke, der in Drebkau lebte. Er war studierter Etnograph, sorbisch/wendischer Volksforscher und Spezialist für sorbisch/wendische Bräuche und Traditionen. Zu dieser Zeit gründete er den »Wolkenberger Sorbischen Hochzeitszug«, der nach der bergbaubedingten Umsiedlung der Einwohner nach Spremberg (um 1989) in »Spremberger Sorbischer Hochzeitszug« umbenannt und Anfang der 1990er Jahre als e.V. fortgeführt wurde.

Langjährige Vereinsvorsitzende bis zum Schluss war die Sprembergerin Ramona Schur. In Wolkenberg wurde einst auch die Spremberger sorbische Tracht getragen und so tauchten etliche Trachten aus altem Familienbesitz wieder auf. »Das waren wirklich noch Originaltrachten«, sagt Ramona Schur. »Die haben aber für den Hochzeitszug nicht gereicht und so wurden in den Jahren weitere nachgefertigt. Das erfolgte in einer Trachtenschneiderei in Cottbus, bei einer Trachtenschneiderin in Graustein und bei einer Spremberger Schneiderin.« Der Hochzeitszug hatte zahlreiche Auftritte in den Jahren seines Bestehens. Noch zu Wolkenberger Zeit waren es vor allem die Sorbischen Kreiskulturfestivals, nach der Wende seien genannt die BUGA 1995 in Cottbus, ab 1998 kamen das Sorbische Kulturzentrum Schleife dazu, der Spreewald und Dorffeste in Bluno. Beim Spremberger Heimatfest gestaltete der Hochzeitszug viele Jahre lang die Auftaktveranstaltung auf der Hauptbühne auf dem Markt, musikalisch begleitet vom Musikverein Trachtenkapelle e.V. 900 bis 1.000 Besucher erfreuten sich alljährlich an der Musik und den Tänzen. Derzeit sind sorbische/wendische Programmteile zum Heimatfest kaum noch zu finden. Vor zehn Jahren wurde klar, dass es infolge Überalterung der Mitglieder und fehlendem Nachwuchs zu überlegen galt, wie es weitergehen soll. Die logische Folge: Der Spremberger Sorbische Hochzeitszug löste sich auf. Anderswo waren die Tendenzen ähnlich.

Wo sind seitdem die Trachten geblieben und was wird mit ihnen? Dazu Ramona Schur: »Die sind an einem sicheren Ort und unter klimatisch besten Verhältnissen in Verwahrung und allesamt noch komplett vorhanden. Es sind nun eben wieder Truhentrachten geworden.« An eine Abgabe an Museen ist aktuell nicht zu denken. Dafür besteht berechtigter Optimismus, dass es bei Interesse junger Leute durchaus wieder zu einer Neugründung des Hochzeitszuges kommen könnte. So etwas wäre in der Stadt eher realistisch als in einem einzelnen Dorf. »Dann müssen wir auf die Trachten zurückgreifen können. Gehen sie an ein Museum, haben wir keinen Zugriff mehr«, sagt Ramona Schur.


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