

Große Spektakel haben Tradition am Senftenberger Theater. Außergewöhnliche Spielorte, besondere Themen und ein bisschen Party, sozusagen Erlebnistheater, soll den Zuschauer begeistern und Lust auf mehr machen. In diesem Jahr ist aufgrund des 50-jährigen Seejubiläums als Spielort Großkoschen prädestiniert. Der frisch restaurierte Dorfkrug, das AmphiTheater und die Seesporthallen sind die Spielorte der zeitgenössischen Inszenierungen, die sich um Identitäten, Verantwortung und zukünftiges Leben in der Lausitz ranken. Novum in diesem Jahr: Die Zuschauer sehen an einem Abend trotz Aufteilung alle Stücke. Startpunkt der theatralen Zeitreise ist am Parkplatz Großkoschen.
Wer sich für den Start im Dorfkrug entscheidet, sieht sich im Stück "Blick zuru?ck nach vorn" von Ulrike Müller mit Menschen konfrontiert, die von ihrer DDR-Vergangenheit geprägt, über die Wende-Euphorie hin zur kapitalistischen Identitätssuche, ihre persönlichen Erlebnisse mit dem Zuschauer teilen. Unter anderem zeigen Lena Conrad, Sybille Böversen oder Robert Eder, wie unterschiedlich die Generationen diesen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel erlebten. Der historisch restauriert Saal des Großkoschener Dorfkrugs bildet die passende Kulisse. Trotz etwas klischeehafter Darstellung der DDR-Zeit, findet sich sicher so mancher Zuschauer in den Erlebnissen der Figuren wieder.
Das AmphiTheater ist Schauplatz für das zweite Stück des Abends. "Die Kinder" von Lucy Kirkwood, ein Kammerspiel, das sich mit der Verantwortung der Generationen füreinander beschäftigt. Schon beim Betreten des Freilufttheaters wird klar hier ist nichts so, wie man es gewohnt ist. Die Zuschauer sitzen auf der Bühne und das weite, dunkle Rondell wird zur Bühne eines atomaren Unfallszenarios. In sicherer Entfernung hat Robin (Roland Kurzweg) seinen Garten und Hazel (Christina Dom) hält sich mit Yoga fit. Mehr scheinen sie nach der großen Katastrophe nicht mehr zu brauchen. Plötzlich taucht Rose (Catharina Struwe), eine ehemalige Kollegin, auf. Nach und nach kommen die alten Geschichten und auch ein selbstgebrauter Pastinaken-Schnaps auf den Tisch. Aber es geht Rose nicht nur um ein Wiedersehen mit ihrem alten Geliebten Robin, sondern um viel mehr. Rose verfolgt einen Plan, die beiden anderen zu überzeugen, Fehler der Vergangenheit einzusehen und endlich dafür einzustehen. Die hervorragende Spielqualität der drei Schauspieler lässt erahnen, welche Konflikte durchlebt werden, um die Frage nach gesellschaftlicher und persönlicher Verantwortung zu beantworten.
Nach einer einstündigen Pause geht es in die Zukunft. Die Seesporthalle wird zum Senftenberg im Jahr 2073. Die Stadt ist zum Millionen-Moloch geworden und die Zukunft liegt nach Meinung einer findigen Firma im Senftenberger See. Dafür wird kräftig geworben. In drei Gruppen erlebt das Publikum hautnah das Für und Wider eines Lebens unter der Wasseroberfläche. Die Inszenierung "2073 - Hundert Jahre See" kommt mit einer opulenten grünen Landschaft in der Seesporthalle dem Zuschauer beim Eintreffen entgegen. Nach der Gruppeneinteilung bewegt man sich zwischen dem Stimmengewirr der Zukunfts-Promoter und Wissenschaftler hin und her. Zum Ende darf das Publikum abstimmen, wo es in Zukunft leben möchte. Man hat seine Zukunft also selbst in der Hand.
In fünf Stunden durchlebt der FestSpiel-Gast die nahe Vergangenheit, Gegenwart und eine mögliche Zukunft - eben "woher - wohin".