Lesehunde starten ab September
Der zweijährige Goldendoodle Joscha sitzt brav auf einer weichen Decke und lauscht den Abenteuern von Jona und Joni. Was das junge Geschwisterpaar erlebt, liest Tina Schirmag gerade ihrem Hund vor. Michael Schuchardt sitzt daneben. Der Lesehund-Ausbilder achtet auf Joscha und spricht mit Tina Schirmag über bestimmte Inhalte in der Geschichte, bittet sie, Wörter noch einmal vorzulesen, weil Joscha sie nicht ganz verstanden hat. Beide spielen mit Joscha verkürzt den Ablauf einer klassischen Lesehund-Sitzung durch. Tina Schirmag ist das Kind, Michael Schuchardt und Joscha das Lesehund-Team. Im Ausbildungsraum der Dienststelle des Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. in Cottbus sitzen an diesem Nachmittag sechs weitere Hundehalter, die mit ihren Fellnasen ein Lesehund-Team werden möchten. Sie verfolgen gespannt, was Joscha, Tina Schirmag und Michael Schuchardt ihnen dafür alles zeigen.
Lausitz unterstützteLesehund-Projekt
Das Ausbildungswochenende in Cottbus ist die Fortführung der »Lausitz hilft«-Aktion aus dem Jahr 2023. Im Oktober starteten die Südbrandenburger Johanniter – gemeinsam mit BB RADIO und WochenKurier – das Projekt Lesehunde in ihrer Region und baten die Lausitzer um Unterstützung. Sie spendeten 1.500 Euro für eine Anschubfinanzierung.
»Wir wollen innerhalb unseres Regionalverbandes Lesehunde-Teams aufbauen, damit sie Grundschüler mit Leseschwäche beim Lesen lernen unterstützen können«, erzählt Lea-Panelope Schirmag, Werkstudentin und Lesehund-Koordinatorin beim Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Regionalverband Südbrandenburg. Lesehunde werden gezielt zur Leseförderung eingesetzt. Dabei zieht sich das Team aus Vierbeiner und Hundeführer mit einem Schüler in einen ruhigen Raum – oft die Schulbibliothek – zurück. Dort sind sie unter sich und das Kind kann ohne Stress lesen üben. Es liest dem Hund vor, der geduldig zuhört, nicht tadelt und so den Lesefluss nicht mit Kritik unterbricht. Hemmungen und Ängste, laut vorzulesen, werden abgebaut. »Natürlich darf der Lesehund vom Schüler auch gestreichelt und gekrault werden. Das sorgt für eine lockere Atmosphäre, stärkt die Bindung und schafft Vertrauen. In der Regel haben Kinder immer ihr festes Lesehund-Team. Nur im Notfall soll es eine Vertretung geben – etwa bei Krankheit oder Urlaub«, sagt Lea-Penelope Schirmag.
Start zum neuen Schuljahr geplant
Wie sie informiert, sollen ab dem Start des neuen Schuljahres am 2. September die Lesehunde-Teams an Grundschulen aktiv werden. »Da wir bisher ausschließlich Teams aus Cottbus und Forst haben, soll sich ihr Wirkungskreis auch auf diese beiden Orte beschränken. Wir haben aber auch schon Hundehalter aus Spremberg, Guben und Senftenberg, die mit ihren Spürnasen ein Lesehund-Team werden wollen, das Ausbildungswochenende im Juni aber zeitlich nicht eintakten konnten.« Für sie und alle kommenden Interessenten soll es in diesem Jahr oder Anfang des nächsten Jahres einen weiteren Termin mit Michael Schuchardt geben.
Wer sich mit seinem Hund zum Lesehund-Team ausbilden lassen möchte, kann sich gern weiterhin bei den Johannitern in Cottbus melden.Wie Michael Schuchardt berichtet, kommen Lesehunde überwiegend in den Klassen 2 und 3 zum Einsatz. Ein Team geht einmal in der Woche für eine Stunde in die Schule und liest dort mit drei Kindern jeweils 20 Minuten. »Das ist für den Hund leistbar. Mehr als eine Stunde wäre auch für ihn sehr ermattend. Er muss sich konzentrieren, soll nicht einschlafen und nicht hibbelig werden«, sagt Schuchardt. »So, wie Joscha in der Übung. Er war klar bei der Sache, hat zugehört und blieb ruhig.
Das hört Frauchen Tina Schirmag gern. »Unser Ziel ist es, später einmal eine Therapiehundeausbildung zu durchlaufen, um Menschen auf medizinischem Weg zu helfen. Den Einsatz als Lesehund wollen wir als Einstieg nutzen. Ich bin gespannt, wie Joscha diese Aufgabe meistert«, erzählt die 31-Jährige. Sie ist Erzieherin im Evangelischen Kindergarten im Cottbuser Stadtteil Ströbitz und weiß aus Erfahrung, dass Hunde vor allem Kinder begeistern. »Dass die Johanniter jetzt Lesehunde in unserer Region aufbauen ist eine tolle Sache. Da möchten wir uns gern einbringen und Kindern helfen, besser lesen zu lernen.«
Mischling Teddyliebt Kinder
Mit ihrem Teddy – einem zwölf Jahre alten Mischling – ist Gabriele Wagner aus Forst nach Cottbus angereist. »Wir sind in der Rettungshundestaffel Forst aktiv, arbeiten bereits als Therapie- und Besuchshund und sind dabei in Pflegeheimen und Werkstätten im Einsatz«, erzählt die 63-jährige Kinderkrankenpflegerin.
»Es macht uns beiden Spaß, mit Menschen Kontakt aufzunehmen und sie aus ihrem schwierigen Alltag zu holen. Wenn sie Teddy sehen, dann erinnern sich die Älteren an ihre eigenen Hunde, fangen an zu erzählen und werden wieder aktiver.« Wie Gabriele Wagner sagt, ist Teddy ein passender Lesehund: »Er liebt Kinder. Das zeigt er jedes Mal, wenn wir Kitas und Schulen besuchen und den Kindern dort beim Lernen helfen. Die Lesehund-Ausbildung soll Teddy auch nach seiner Zeit als Rettungshund ermöglichen, aktiv zu bleiben.«
Beruta (65) und Achim Kasper (66) wollen sich mit ihrer vier Jahre jungen Rhodesian Ridgeback-Hündin Gina zum Lesehund-Team ausbilden lassen. »Wir sind jetzt beide Rentner, haben Zeit und wollen uns sinnvoll in die Gesellschaft einbringen. Da Gina gut mit Kindern klarkommt, wollen wir es mit ihr versuchen«, erzählt Beruta Kasper aus Cottbus.
Erste Schulezeigt Interesse
Kathrin Pusch ist Besitzerin einer Labrador-Hündin. »Sina ist zwei Jahr jung«, erzählt die 54-Jährige, die als Lehrerin an der Bewegten Grundschule Cottbus tätig ist. »Ich möchte es mit ihr versuchen und herausfinden, ob sie ein guter Lesehund ist. Ich sehe täglich, wie wichtig es ist, Kindern beim Lesen lernen zu unterstützen. Daher freut es mich auch, dass unsere Schule Interesse an Lesehunden signalisiert hat.«
Lea-Penelope Schirmag möchte ebenfalls ihren zweijährigen Labrador Otis zum Lesehund ausbilden. »Wir sind auf einem guten Weg. Den ersten Stresstest von Michael Schuchardt hat er bereits bestanden«, sagt sie und fügt an, dass Otis aktuell eine Ausbildung zum Rettungshund durchläuft. »In zwei, drei Jahren kann er die Prüfung ablegen. Bis dahin wollen wir uns als Lesehund-Team einbringen und Kindern helfen.«
Lesehund-Idee aus München
Wie Michael Schuchardt berichtet, hat er zum Ausbildungsbeginn geschaut, ob die Hunde frei von Aggressionen sind und mit Stress umgehen können. »Beispielsweise haben wir einen Regenschirm direkt vor dem Hund aufgespannt und seine Reaktion beobachtet.« Des Weiteren gab es für die künftigen Lesehund-Begleiter allgemeine Informationen zur Organisation und zum Ablauf einer Lesehund-Sitzung. Michael Schuchardt hatte vor einigen Jahren die Lesehund-Idee aus München nach Potsdam transportiert. Heute ist er Lesehund-Ausbilder und Coach der Leseteams aus dem Johanniter Regionalverband Potsdam-Mittelmark-Fläming. In seinem Regionalverband sind mittlerweile über 20 Lesehunde-Teams aktiv.
Impuls aus den eigenen Reihen
Johanniter Steffi Pietralczyk freut sich über den ersten Aufschlag für die Lesehunde in Südbrandenburg. Sie war die Ideengeberin für das Projekt und bildet mit ihrer English Setter-Hündin Jala ein Lesehund-Team. »Toll, dass wir mit der Ausbildung jetzt den nächsten Schritt machen, um mit Lesehunden Schülern helfen zu können.« Ihr Mann Mirko beteiligt sich ebenfalls und bildet mit der Irish Setter-Hündin Amra ein Team.
Kontakt zu den Lesehunden der Johanniter in Südbrandenburg über Koordinatorin Lea-Penelope Schirmagn Telefon: 0355/ 47746175 oder E-Mail: medien.sbrb@johanniter.de