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Stefan Staindl

Basis für den Klimaschutz legen

Senftenberg. Denis Junge ist seit dem 1. September 2023 Klimaschutzbeauftragter im Landkreis Oberspreewald-Lausitz (OSL). Im WochenKurier-Interview spricht er über seine Arbeit.
Denis Junge, Klimaschutzbeauftragter im Landkreis Oberspreewald-Lausitz (OSL).

Denis Junge, Klimaschutzbeauftragter im Landkreis Oberspreewald-Lausitz (OSL).

Bild: © Landkreis OSL

Wie macht sich bereits heute der Klimawandel im Landkreis OSL bemerkbar und was wären die Folgen, hier nicht einzugreifen?

Laut dem aktuellen Klimareport des Deutschen Wetterdienstes ist es in Brandenburg seit Beginn der Messaufzeichnungen 1881 um etwa 1,3 Grad Celsius wärmer geworden. Gleichzeitig hat die durchschnittliche Anzahl der Frost- und Eistage abgenommen und die der Sommer- und heißen Tage zugenommen. Die Niederschlagsmenge hat zugenommen. Dies gilt vor allem für den Winter. In den Sommermonaten gibt es mehr Trockenperioden, in denen zum Beispiel kleinere Fließgewässer austrocknen können. Der aktuelle Trend zu längeren Trocken- und Regenphasen setzt vor allem Landwirten stark zu. Bei langanhaltenden Hitzephasen kann es zu Ertragsverlusten bei bestimmten Anbaukulturen kommen. Wiederum durch Zunahme der Niederschlagsmenge in den Wintermonaten müssen planmäßige Bodenbearbeitungen verschoben werden. Mit Hilfe von Klimamodellen haben Wissenschaftler die Auswirkungen auf das globale und regionale Klima anhand von Szenarien untersucht. Für Brandenburg wird je nach Szenario ein Anstieg der Jahresmitteltemperatur von knapp 1 Grad Celsius bis zu 5 Grad Celsius in den nächsten 100 Jahren prognostiziert. Die beschriebenen Entwicklungen würden sich weiter verschärfen, mit resultierenden Auswirkungen auf unser tägliches Leben. Klimamodelle zeigen übrigens, dass eine Veränderung von nur 1 Grad Celsius nur mit einer deutlichen Reduktion der Treibhausgasemissionen möglich ist.

Was gehört demnach zu Ihren wichtigsten Aufgaben als Klimaschutzbeauftragter im Landkreis OSL?

Derzeit liegt mein Hauptaugenmerk darauf, ein integriertes kommunales Klimaschutzkonzept zu entwickeln. Um die gesetzlich festgelegte Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung, eine zuverlässige Basis zu schaffen. Diese dient als Grundlage für die Formulierung strategischer Leitlinien und bietet Unterstützung bei der Planung für den Landkreis. Zudem ermöglicht sie die Überwachung der Fortschritte. Nach Fertigstellung des Konzepts wird der Schwerpunkt auf die Umsetzung verlagert. Da Klimaschutz ein Querschnittsthema ist, sensibilisiere ich verschiedene Akteure in der Verwaltung und etabliere ein internes Netzwerk. Zudem engagiere ich mich in verschiedenen Netzwerken, um einerseits Know-how und Best-Practice-Beispiele zu sammeln und andererseits als Ansprechpartner mit Expertise zur Verfügung zu stehen.

Inwiefern konnten Sie sich bereits ein Bild vom Klimaschutz im Landkreis machen?

In vielen Tätigkeitsbereichen der Kreisverwaltung und auch in vielen Kommunen des Landkreises wurden in den letzten Jahren Projekte realisiert, die dem Klimaschutz Rechnung tragen. Als Kreisverwaltung kommen wir unserer Verantwortung nach und wollen dies auch weiterhin tun. Als Beispiele können hier die vollenergetischen Sanierungen der Bildungseinrichtungen Paul-Fahlisch-Gymnasium in Lübbenau und Friedrich-Engels-Gymnasium in Senftenberg angeführt werden. In OSL gehen auch viele Unternehmen und weitere Akteure mit gutem Beispiel voran, indem sie beispielsweise in Klimaschutzmaßnahmen investieren oder innovative Projekte umsetzen.

Wie gut ist der Landkreis OSL hinsichtlich Klimaschutz und Nachhaltigkeit bereits aufgestellt und wo sehen Sie erste Möglichkeiten der Verbesserung?

Im Landkreis wurden bereits viele Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien umgesetzt. So weist der Landkreis bezogen auf seine Fläche eine hohe Dichte an Windkraftanlagen zur Erzeugung von Ökostrom auf. Im Bereich der Nachhaltigkeit sind durch die Nutzung von Biomasse mehrere Anlagen zur Energiegewinnung entstanden. Auch im Bereich der Forschung wurden Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung gelegt. Die Region ist - auch unter Berücksichtigung des Strukturwandels - im Strombereich derzeit gut aufgestellt und fördert und unterstützt fortschrittliche Entwicklungen und den Ausbau der entsprechenden Infrastruktur. Die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien ist ein wichtiger Baustein für den Strukturwandel in der Region. An vielen Stellschrauben muss in den nächsten Jahren noch gedreht werden - im Energiebereich, insbesondere im Wärme- und Verkehrssektor, beim Klimaschutz und den vielen anderen damit verbundenen Themen. Aber wir haben schon viel erreicht. Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet für mich, die Bedürfnisse der Gegenwart so umzusetzen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten. Insofern trägt der Klimaschutz zu einer nachhaltigen Entwicklung bei.

Zu Ihren Aufgaben als Klimaschutzbeauftragter des Landkreises zählt auch die Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes. Wie gehen Sie diese Herausforderung an und welche Schritte können Sie dafür bereits im Jahr 2024 gehen?

Die Erstellung des Klimaschutzkonzeptes wird über die Kommunalrichtlinie »Zur Förderung von Klimaschutzprojekten im kommunalen Umfeld« des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Die Erstellung des Klimaschutzkonzeptes für den Landkreis erfolgt nach vorgegebenen Kriterien und Vorgaben der »Nationale Klimaschutzinitiative«. Als Leitbild werden die klimapolitischen Ziele des Landes Brandenburg berücksichtigt. Die Richtlinienvorgaben für die Erstellung sind verbindlich. In 2024 ist die Erstellung einer Treibhausgas- und Energiebilanzierung, sowie der Szenarien- und Potentialanalyse für den Landkreis die größte Herausforderung. Die dafür ausgeschriebene Dienstleistung mit einem externen Anbieter steht kurz vor der Auftragsvergabe. Die IST-Analyse wird gemäß den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes (KSG) die aktuellen Verbräuche und Emissionen in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfall und LULUCF -Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft- untersuchen. Dies ermöglicht eine detaillierte Erfassung der Situation im Landkreis. Darüber hinaus wird die IST-Analyse auch auf die Verwaltung des Landkreises ausgeweitet. Basierend auf dieser Grundlage folgt eine Szenarien- und Potenzialanalyse, die wichtige Erkenntnisse darüber liefert, welche Sektoren durch welche Maßnahmen positiv beeinflusst werden können. Der resultierende Maßnahmenkatalog wird sowohl Maßnahmen für eine klimaneutralere Verwaltung als auch sektorspezifische Maßnahmen umfassen. Der Landkreis ist hier in der Verantwortung möglichst günstige Rahmenbedingungen zu schaffen um alle Akteure dabei zu unterstützen ihren Weg zur Klimaneutralität umzusetzen. Die Ableitung von Leitlinien erfolgt auf Grundlage dieser Analyse. Der gesamte Erstellungsprozess wird durch Beteiligungsmaßnahmen und Expertenrunden begleitet. Das Ziel besteht darin, am Ende ein beschlussfähiges Konzept zu erhalten, das die Bedürfnisse des Landkreises widerspiegelt und von einer breiten Mehrheit unterstützt wird.

Viel Zeit steht Ihnen nicht zur Verfügung. Ab Anfang 2025 soll bereits das finale Konzept als strategisches Leitbild die nachhaltige Entwicklung des Landkreises fördern. Welche Bedeutung hat ein solches Klimaschutzkonzept für einen Landkreis und wie bindend ist es?

Die Ratifizierung des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 durch Deutschland und die darauf basierende Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes des Bundes haben einen allgemein verbindlichen Klimaschutzauftrag festgelegt. Dieser Auftrag wird vom Bund über die Länder bis zu den Landkreisen und Kommunen weitergegeben und hat das klare Ziel, Netto-Null-Emissionen bis zum Jahr 2045 zu erreichen. Der individuelle Weg dorthin muss jedoch von jedem Unternehmen und jeder Kommune eigenständig gestaltet werden. Das Klimaschutzkonzept dient als Instrument oder Leitfaden zur Umsetzung der gesetzlichen Ziele. Mit diesem Konzept schaffen wir einen bedeutsamen Handlungsrahmen für eine nachhaltige Entwicklung und die Reduzierung der CO2-Emissionen in den kommenden zehn Jahren. Die Klimaschutzziele fließen somit langfristig in jede Entscheidung ein. Beispielsweise werden bereits jetzt Neubauten des Landkreises mit umweltfreundlichen Technologien wie Wärmepumpen, intelligenter Steuerungstechnik, Solar- und Speichertechnik ausgestattet. Dennoch hängt die konkrete Umsetzung letztendlich von den verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen ab und erfordert entsprechende Beschlüsse im Kreistag. Ein Klimaschutzkonzept ist für viele Förderprogramme eine unabdingbare Voraussetzung. Es bildet die Grundlage, um weitere Fördermittel zu akquirieren oder eine höhere Förderquote zu erreichen. Jedoch sind bereits jetzt finanzielle Engpässe erkennbar. Der Klimaschutzauftrag ist derzeit noch als eine freiwillige Leistung eingestuft und könnte in angespannten Haushaltssituationen in den Hintergrund rücken. Um kommunales Engagement im Klimaschutz weiter zu fördern, bedarf es meiner Meinung nach einem Umdenken und insbesondere zusätzlicher Finanzierungsmöglichkeiten seitens Bund und Land.

Im Bereich der erneuerbaren Energien ist der Landkreis OSL bereits umfangreich unterwegs. Er erzeugt das 3,6-Fache an Strom mehr als das, was er selbst verbraucht. Landrat Siegurd Heinze hat angekündigt, dass es in diesem Bereich weiter aufwärtsgehen soll. Ist das überhaupt notwendig - immerhin wird mehr erzeugt als verbraucht - und inwiefern stehen dafür noch entsprechende Ressourcen im Landkreis zur Verfügung?

Der aktuelle Stand der Entwicklung beim Ausbau erneuerbarer Energien ist äußerst ermutigend. Unser Landkreis, der bereits als Energieregion etabliert ist, wird auch weiterhin dieser Ausrichtung folgen. Es ist jedoch unzureichend, nur die Gesamterzeugung mit dem Gesamtbedarf zu vergleichen. Ein zentrales Anliegen ist die Sicherstellung der Energieversorgung, wobei die Windenergie hier eine besondere Rolle spielt. Die Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz Spreewald hat kürzlich den Teilregionalplan Windenergienutzung zur öffentlichen Diskussion gestellt. Dieser Plan gewährleistet, dass die vom Bund vorgesehenen Flächen für die Windenergie genutzt werden können, ohne übermäßig stark in die Landschaft einzugreifen. Gemäß dem Plan sollen etwa 50 neue Anlagen in den bereits bestehenden Vorzugsgebieten errichtet werden. Besonderes Augenmerk wird auch daraufgelegt, ältere Windanlagen zu ertüchtigen, um eine deutliche Steigerung der Effizienz zu erreichen. Ein weiterer zu berücksichtigender Punkt ist die Zunahme des Strombedarfes im Zuge der Verkehrs- und Wärmewende. Daher lässt sich der tatsächliche Strombedarf in 20 Jahren schwer vorhersagen. In diesem Zusammenhang sind fortlaufende Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien eine klare Investition in die Zukunft. Der entsprechende Ausbau der Netze und die Schaffung von Speicherkapazitäten stellen zusätzliche Herausforderungen dar.

Was kann jeder einzelne Bewohner im Landkreis OSL zum Klima- und Ressourcenschutz beitragen? Welche Tipps haben Sie?

Die Einflusskraft und Verantwortung des einzelnen Bürgers sollten keinesfalls unterschätzt werden. Beim Einkauf bieten sich Möglichkeiten, gezielt auf regional erzeugte Produkte zu setzen, da diese in der Regel einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck aufweisen. Gleichzeitig unterstützt man damit die regionale Wertschöpfung. Eine umweltfreundliche Mobilität im Alltag, sei es zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem öffentlichen Nahverkehr oder in Fahrgemeinschaften, trägt dazu bei, den Individualverkehr zu reduzieren. Die bewusste Nutzung von Energie und Ressourcen spielt eine entscheidende Rolle. Anstatt Dinge wegzuwerfen, könnte man sie reparieren. Auf Mehrweg anstelle von Einweg zu setzen oder sogar unverpackte Produkte zu bevorzugen, sind ebenfalls nachhaltige Entscheidungen. Als Privatperson treffen wir täglich viele kleine Entscheidungen, die nicht nur dazu beitragen können, CO2 einzusparen, sondern auch lokale Akteure zu stärken.

Trotzdem fällt es oft schwer, solch scheinbar einfachen Dinge umzusetzen. Woran liegt das? Sind Klima- und Ressourcenschutz ein zu abstraktes Problem?

Der Mensch passt sich nur langsam an Neuerungen an. Die Einsicht zur Verhaltensänderung sollte aus sozioökonomischer Sicht durch verschiedene Anreize unterstützt werden, leider ist in der Praxis oft das Gegenteil der Fall. Die Kosten des Klima- und Ressourcenschutzes belasten die Bürger in vielen Bereichen finanziell. Dennoch ist wahrzunehmen, dass die Relevanz des Themas Klima- und Ressourcenschutz angekommen ist. Die Abstraktheit des Themas liegt vielmehr in der richtigen Art und Weise zu informieren, »mitzunehmen« und für die Themen zu begeistern.

Was noch zu sagen wär?

Insgesamt ist zu sagen, dass wir uns den verändernden klimatischen Gegebenheiten in vielfältiger Weise anpassen müssen, um die Auswirkungen für unser Ökosystem aber auch für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten.

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