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20 Jahre als Politesse auf Senftenbergs Straßen

Senftenberg. 20 Jahre Politesse.  Entgegen aller Klischees wird Marina Tietze von den Senftenbergern durchaus geschätzt, respektiert sowieso. Beschimpfungen, Drohungen und Ausreden – sie musste sich in den knapp zwei Jahrzehnten so gut wie alles anhören. Jetzt hat sich die bekannteste Politesse der Kreisstadt in den Ruhestand verabschiedet.

Mit dem weißen Dienstauto war Marina Tietze viel unterwegs. Wenngleich sie durchs Stadtgebiet am liebsten zu Fuß patrouillierte. Zum Abschied nahmen Sachgebietsleiter Tillmann Bartz (r.) und ihr Nachfolger Torsten Manthey ihre Kollegin nochmal in die Mitte.

Mit dem weißen Dienstauto war Marina Tietze viel unterwegs. Wenngleich sie durchs Stadtgebiet am liebsten zu Fuß patrouillierte. Zum Abschied nahmen Sachgebietsleiter Tillmann Bartz (r.) und ihr Nachfolger Torsten Manthey ihre Kollegin nochmal in die Mitte.

Bild: Andera Budich

»Was will die Kleene?« diese Frage musste sich Marina Tietze ziemlich oft anhören. 1,52 Meter groß und zierlich – das sind nicht unbedingt Gardemaße für eine Politesse, die auf Senftenbergs Straßen und rund um den See patrouilliert und sich gegen aufgebrachte Fahrzeugführer durchsetzen muss. Für die 63-Jährige war das aber nie ein Problem. Sie hat sich nie die Butter vom Brot nehmen lassen, wie der Lausitzer sagt. Sich Respekt zu erarbeiten und auch im Streitfall auf Augenhöhe zu begegnen ist keine Frage der Größe. Das hat Marina Tietze eindrucksvoll bewiesen.

 

Sie hat nicht einfach nur »bloße« Knöllchen verteilt: Sie hat zugehört, war offenes Ohr - ein bekanntes Gesicht einfach, das gerade ältere Menschen gerne für einen kleinen Plausch angesprochen haben.

 

Autofahrern knallhart Strafzettel aufzudrücken, das war nicht ihr Ding. Sie hat geredet, erklärt und darauf hingewiesen, was falsch gemacht wurde. Je nach den Umständen hat »die Kleene« auch Milde walten lassen. Schließlich gehe es bei ihrer Arbeit nicht um bloßes Bestrafen, sondern vielmehr darum, den Autofahrern nachhaltig zu vermitteln, warum ihre Parkweise gegen Regeln verstößt.

 

»Den Spagat zwischen der Gesetzeslage und den Sorgen der Bürger hat Marina immer bravourös gemeistert«, sagt Sachgebietsleiterin Ramona Donath.

 

Rund 36 000 Verwarnungen im ruhenden Verkehr hat Marina Tietze in den knapp 20 Jahren auf der Straße verteilt. An einige wenige erinnert sie sich bis heute. Weil die Abgestraften ausfallend reagierten, ihr Gewalt androhten und die Kontrolle verloren.

 

Eine brenzlige Situation gab es mal in der Erxlebenstraße. Auto parkt im absoluten Halteverbot. Das Knöllchen unterm Scheibenwischer im Seitenblick, baut sich der Fahrer vor der 1,52 Meter-Frau auf und brüllt sie gnadenlos an. Wutentbrannt gibt er Gas und braust davon. Kommt aber wenig später wieder, um sich zu entschuldigen. »Von der Strafanzeige habe ich abgesehen, die Verwarnung ist natürlich geblieben«, erinnert sich Marina Tietze.

 

Vorfälle dieser Art waren zum Glück selten. Im Normalfall sind die Senftenberger freundlich, bitten um Nachsicht, reden ruhig mit ihr. Die typischen Ausreden hat Marina Tietze in all den Jahren Hundertfach gehört. Sie reichen von »Ich kann nicht laufen« bis zu „»ch muss nur schnell Brötchen holen!«

 

Ihren Job hat die gelernte Postfachangestellte und spätere Schulsekretärin immer gern gemacht. Zu ihrem ganz persönlichen Fazit gehört auch, dass Frauen länger und ambitionierter diskutieren, Männer hingegen gern auch mal ihren Charme spielen lassen.

 

Womit sie bei Marina Tietze in der Regel aber abgeblitzt sind. Die Hitliste der Knöllchen-Schwerpunkte in Senftenberg kann Marina Tietze schnell aufzählen: der Markt, die Erxlebenstraße, die Calauer Straße, die Mittelstraße, Schmiedestraße und Schlossstraße.

 

Mit dem breiteren Aufgabengebiet im neuen Sachgebiet Vollzugsdienst ist Marina Tietze im letzten Jahr ihrer Berufskarriere nochmal zur Höchstform aufgelaufen. Ruhestörungen, Fahrerermittlungen, Wildschäden, Einfangen von freilaufenden Hunden und illegale Müllberge – alles genau ihr Ding.

 

Ihre Uniform hat Marina Tietze inzwischen abgelegt. Der Abschied ist ihr schwergefallen – weil sie ihren Job bis zum Schluss mit Herzblut gemacht hat, weil sie die Zeit im Ordnungsamt geliebt hat. Jetzt will sie mit ihrem Mann die Zeit mit den beiden Enkeln genießen, Haus, Hof und Garten in Schuss bringen und die Reisekoffer packen. Der Urlaub nach Andorra ist gebucht, Vietnam steht auf der To do-Liste.


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