Georg Zielonkowski

Weltenbummler auf zwei Rädern

herum. Kürzlich sind Anni und Justin Wenzke nach fast 14 Monaten wieder daheim in Sielow angekommen, wo sie ihre 15.000-Kilometer-Weltreise beendet haben. Nicht als übliche Touristen hat das Ehepaar die 21 Länder bereist - die zwei Weltenbummler waren als Radtouristen unterwegs. Dem "hermann" gaben sie danach Einblicke in ihre Abenteuer-Tour…

Wie kommt man auf die Idee einer Weltreise per Fahrrad?


Justin: Wir haben 2017 eine Buchmesse in Leipzig besucht und dort aus Büchern etwas von dieser Art zu reisen gehört und gelesen. 2020 wollten wir unsere eigene Reise antreten, aber dann kam ja nicht nur für uns Corona dazwischen.
Anni: Von der Umsetzung des Plans sollte uns das doch nicht abhalten und so feilten wir weiter an den Feinheiten. Zu dem Zeitpunkt war uns allerdings nicht klar, dass wir drei Kontinente bereisen würden - geplant war zunächst nur die Fahrt auf dem Festland durch Europa und Asien.



Wie habt ihr eure Planung aufgebaut? Nach den bevorzugten Ländern, nach den Längen der Etappen und der zu erwartenden Witterung?


Justin: Erst einmal haben wir geschaut, wie weit wir kommen, ohne in ein Flugzeug zu steigen. Im Endeffekt hat es dann doch nicht ohne funktioniert, aber damit stand Südostasien zunächst als grobes Ziel auf unserer Liste.
Anni: Wichtig war auch zu recherchieren, wie man die Dinge rund um die erforderlichen Visa hinbekommt, es muss ja alles unterwegs organisiert werden. Kurzzeitig standen auf dem Weg nach Südostasien als Zwischenziel auch die "Stan-Länder" als Option im Raum, doch letztlich haben wir uns für den mittleren Osten mit den Emiraten und dem Oman entschieden. So hat sich das Bild zusammengefügt. Und irgendwann haben wir uns gesagt, dass Amerika auch nicht unerreichbar ist, also haben wir für die Schlussetappen auch die USA mit in die Planung einbezogen.
Justin: Wichtig war, dass wir uns bezüglich unserer Ausrüstung an der Route orientiert haben. Uns erwarteten ja nicht überall die gleichen Temperaturen.



Was haben denn eure Eltern zu eurem abenteuerlichen Plan gesagt, wollten die euch bremsen?


Anni: Also meine Mama fand das von Anfang an cool, genau wie mein Opa. Mein Vater hatte ja selbst schon etwas ähnliches gemacht, als er nach Frankreich geradelt ist. Da habe ich sicher was geerbt.
Justin: Bei mir sah das etwas anders aus, denn meine Familie stand dem Projekt eher skeptisch gegenüber. Sicherlich wäre es ihnen lieber gewesen, wenn wir in der Heimat geblieben wären, schließlich waren sie besorgt darüber, was uns da hätte alles passieren können.



Wenn man diese abenteuerlichen Angaben zu der Route hört, setzt das von den Radlern einen perfekten Fitnesszustand voraus, aber auch eine unglaubliche Bike-Erfahrung. Wie hattet ihr euch denn auf die zu absolvierenden Langstrecken vorbereitet?


Anni: Grundsätzlich hatten wir einen ordentlichen Fitnesszustand und jeder von uns hatte schon mal eine 140-km-Tour absolviert, insofern wussten wir, was da auf uns zukommt.
Justin: Es war allerdings nicht unser Ziel, um jeden Preis Kilometer zu schrubben. Vielmehr haben wir Tagesetappen von 50 bis 80 Kilometern geplant. Schließlich wollten wir uns neben dem Radfahren auch mal etwas ansehen und am Abend stand meistens noch Kochen auf dem Programm - als Jäger nach irgendwelchen Rekorden sehen wir uns nicht. Es waren ja auch viele Steigungen dabei, das Wetter und die Straßenverhältnisse spielten eine wichtige Rolle und auch die Kontakte unterwegs, wollten wir gerne mitnehmen.



Am 6. August im vergangenen Jahr ging es los. Bei strömendem Regen seid ihr vom Saspower Sportplatz aus gestartet. Ein angenehmer Auftakt sieht anders aus…


Justin: Das mag stimmen, aber einen Grund, nicht loszufahren, findet man vermutlich immer. Wie man so sagt, haben wir mit den Hufen gescharrt und haben den Start herbeigesehnt.
Anni: Mit diesem Auftakt sind wir ja quasi auch dem Winter entflohen und immer dem warmen Wetter hinterhergefahren.



Fährt man mit dem Rad mal nach Burg, dann braucht es keine große materielle Vorbereitung. Ihr aber musstet an so viele Dinge denken, die mitzuführen waren. Woher wusstet ihr, was zwingend dabei sein muss?


Anni: Natürlich gibt es im Netz viele Informationen, mit denen wir uns intensiv beschäftigt haben. Am Ende konnten wir erfreut feststellen, dass wir nichts Wichtiges vergessen hatten, wir waren gut vorbereitet.
Justin: Ja, weil wir aus dem Netz auch echt wichtige Hinweise bekamen. Beispielsweise haben wir uns gefragt, wie man auf dem Fahrrad Strom generiert - deswegen hatten wir ein Solarpanel dabei. Auch den Wassersack hatten wir zuvor nicht im Visier, genau wie eine faltbare Küchenspüle.



Vorsorglich gehören auch geeignete Medikamente in den Koffer einer solchen Tour…


Anni: Auch daran mussten wir denken. Ein guter Freund von uns ist Rettungssanitäter, er hat uns die bestmögliche Reiseapotheke zusammengestellt. Er hat uns dann auch noch schnell unsere Erste-Hilfe-Kenntnisse aufgefrischt. So waren wir gut gerüstet. Wir hatten auch in der Vorbereitungszeit ärztlichen Beistand, bei dem wir erfahren haben, welche Impfungen für die zu besuchende Orte zwingend erforderlich sind.



Schauen wir auf eure Route. Die Zeit vergeht schnell und so kam Weihnachten immer näher. Hattet ihr euch für die Feiertage ein besonders schönes Ziel ausgesucht?


Justin: Wir waren Heilig Abend und den Feiertagen in der Wüste, konkret im Oman. Wir hatten 27 Grad, also nicht zu heiß. Von daher war es erträglich.
Anni: Es war natürlich etwas komplett anderes. Ich würde es aber nicht wieder gegen Familie und Freunde tauschen wollen.



Ihr hattet euch immer wieder andere Übernachtungsarten ausgesucht. Woran habt ihr diese Wechsel orientiert?

Anni: Wir haben unsere Übernachtungen immer an die örtlichen Gegebenheiten oder an unseren Gemütszustand angepasst. Waren beispielsweise die Hotels zu teuer, die Natur zu schön oder wollten wir einfach unsere Ruhe haben, waren wir wild campen. War es zu dicht besiedelt, lies das Wetter keinen erholsamen Schlaf im Zelt zu und die Hotels waren günstig, sind wir eingecheckt.
Justin: Und wenn wir Lust auf soziale Kontakte hatten und einen intensiven Blick in die Kultur werfen wollten, haben wir uns um private Gastgeber bemüht. Hier zum Beispiel auf der Plattform für Radreisende: "Warmshowers". Oft genug wurden wir aber auch spontan auf der Straße aufgegabelt und dann ergab sich das von selbst.



Ich erinnere mich an einen Bericht von euch, in dem ihr von einem Privatquartier erzählt habt. Da wurdet ihr in ein Haus eingeladen, wo sich die Bedingungen aber so ganz anders dargestellt haben und ihr gemeinsam mit dem Gastgeber und dessen Bruder im selben Bett übernachtet habt …


Anni: Natürlich hört sich das besonders an. Aber erst einmal haben wir uns in solchen Situationen Gedanken gemacht und abgewogen, wie groß der Risikofaktor ist. Aber in dem Fall war alles anständig und unser Gastgeber richtig nett. Fährt man offen durch das Land und ist daran interessiert, Land und Leute kennenzulernen, so ist man nicht vor Überraschungen geschützt.



Wie hat es denn in dem Fall und auch sonst mit der Sprache funktioniert. Ihr seid beide im Englischen gut unterwegs, nicht immer und überall hilft das aber…


Justin: Das war immer landesabhängig. Hat es in Indien super funktioniert, war es zum Beispiel schwerer in Vietnam. Dort sprachen recht wenige Englisch oder die Leute haben sich einfach nicht getraut. Das Problem lag ja genauso bei uns, da wir nicht die Sprachen der Welt sprechen können. Aber mit der Unterstützung unserer Hände und Füße sind wir überall durchgekommen. Mal mehr und mal weniger gut.



Angesichts so vieler Erlebnisse ist es sicher schwer, ein Ranking zu erstellen. Ich will dennoch fragen, was euch denn am meisten beeindruckt hat, welches Ereignis hat sich besonders bei euch eingebrannt …


Anni: Am meisten hat uns beide die unglaubliche Gastfreundschaft beeindruckt, die wir genießen durften. Was auffällig wohl auch deshalb war, weil dieses Thema auf der Liste deutscher Tugenden nicht ganz oben steht. Aber wie wir das vor allem in den muslimischen Ländern und auch in Indien erleben durften, das war schon beeindruckend und eben für uns auch ein Stück weit ungewöhnlich, weil eben auch Menschen, denen es längst nicht so gut geht wie uns, diese unglaubliche Gastfreundschaft praktiziert haben.
Justin: Und weil wir das so erlebt haben, hoffen wir, dass wir durch unsere Erfahrungen dieses Thema auch ein wenig in unsere Heimat transportieren können.



Gab es denn zu diesem Thema ein besonders Schlüsselerlebnis, das diese eure Erfahrungen unterstreicht?


Anni: Es war in der Türkei, dort hatten wir uns verfahren, weil es in der Türkei mindestens sechs Orte mit dem Namen "Dedeler" gibt. Wir jedenfalls sind nicht in dem Dedeler gelandet, wo ein Warmshower Gastgeber auf uns wartete. Jedenfalls kamen wir nach einem kompletten Regentag mit Anstieg im "falschen" Dorf an. Als wir die erste Person auf der Straße nach unserem Gastgeber fragten, sagte man uns, dass dieser Herr hier nicht wohnt. Völlig fertig vom Tag und schon bei dem Gedanken an Zeltaufbau bei Regen in der Dunkelheit sprach uns ein weiterer Herr an und zeigte uns, wo wir in seinem Garten unser Zelt aufstellen konnten. Doch bevor es so weit kam, hat uns die Familie ins Haus gebeten, zu einem wunderbaren Essen eingeladen, das von einer solchen Qualität war, als fiele genau an diesem Tag Ostern, Weihnachten und Neujahr zusammen. Anschließend haben sie sogar ihr Schlafzimmer für uns geräumt und im Wohnzimmer geschlafen. Eine wirklich sehr eindringliche Erfahrung.



Inzwischen seid ihr wieder ein paar Wochen daheim. Es gab einen emotionalen Empfang durch eure Eltern und Freunde und am Abend ein zünftiges Grillfest. Ihr hattet viel zu erzählen und seid aber nach und nach angekommen. Ist euch etwas aufgefallen nach der langen Zeit in der Fremde?


Justin: Zunächst sind wir sehr glücklich, wieder bei unseren Familien daheim angekommen zu sein. Wunderbar auch, dass wir die vielen Annehmlichkeiten, auf die wir monatelang verzichtet haben, nun wieder nutzen können. Wie das Wasser aus der Leitung, den Kühlschrank, die komplette Versorgung aus dem Supermarkt, das genießen wir im Moment mehr als zuvor. Wir leben jetzt nicht mehr sieben Tage und 24 Stunden lang draußen im Freien, wir sind in einer gemütliche Wohnung und müssen uns keine Gedanken machen, wenn das Wetter mal nicht mitspielt. Jedenfalls hat uns der Alltag so ein bisschen wieder, der derzeit von unserer Jobsuche bestimmt wird. Insofern hatten wir noch gar nicht richtig die Möglichkeit, gesellschaftliche oder kulturelle Unterschiede miteinander aufzurechnen.

 

Chronologische Liste der bereisten Länder

  • Deutschland
  • Tschechien
  • Österreich
  • Slowakei
  • Ungarn
  • Serbien
  • Bulgarien
  • Türkei
  • Zypern
  • Vereinigte Arabische Emirate
  • Oman
  • Indien
  • Nepal
  • Indien
  • Vietnam
  • Laos
  • Thailand
  • USA
  • Vereinigtes Königreich
  • Frankreich
  • Belgien
  • Niederlande
  • Deutschland



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