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Tony Keil

Denn Sorgen kann man teilen

In einer Wohnung in Görlitz klingelt das Telefon. Eine Frau nimmt den Hörer ab. Am anderen Ende der Leitung erklingt eine Männerstimme. „Keiner lässt mich in Ruhe. Ich will einfach nur meine Ruhe haben. Mein Sohn ist schon seit einer ganzen Weile tot und ich bin sehr traurig.“ Die Frau redet 18 Minuten mit dem Anrufer, hört sich seine Probleme an, ist für ihn da. Sie ist Telefonseelsorgerin.
Nicole Hackel, stellvertretende Leiterin der Telefonseelsorge Oberlausitz, mit der Broschüre, die anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Telefonseelsorge herausgegeben wurde. Foto: Keil

Nicole Hackel, stellvertretende Leiterin der Telefonseelsorge Oberlausitz, mit der Broschüre, die anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Telefonseelsorge herausgegeben wurde. Foto: Keil

In diesem Jahr wird das Kriseninterventionstelefon in der Oberlausitz 25 Jahre alt. Seit einem Vierteljahrhundert telefonieren Männer und Frauen ehrenamtlich mit Menschen, die Sorgen und Probleme haben, die vielleicht einsam sind oder sich mit ihrem Problem den Freunden und der Familie nicht anvertrauen wollen oder können. Etwa zwei Millionen Gespräche werden im Jahr bundesweit bei der Telefonseelsorge geführt. Die Anrufe sind kostenfrei und anonym, die Telefonseelsorger rund um die Uhr erreichbar. Eine Herkulesaufgabe, die viel ehrenamtliches Engagement erfordert. „Bei der Telefonseelsorge Oberlausitz sind rund 90 Menschen im Einsatz“, erzählt die stellvertretende Leiterin Nicole Hackel. Um am Telefon angemessen auf die Anrufer reagieren zu können, geht dem Dienst eine einjährige Ausbildung voraus. Sie beinhaltet Aspekte wie Gesprächsführung, Entwicklungspsychologie, psychische Störungen und Sinn- und Glaubensfragen.

Wie werde ich Telefonseelsorger?

Bei einem Infotag am 2. November (ab 19 Uhr bei der Caritas, Wilhelmsplatz 2) können sich alle Interessierten über die Telefonseelsorge informieren. Wer als Telefonseelsorger ehrenamtlich in Görlitz arbeiten will, kann sich entweder beim Träger, dem Diakonischen Werk Bautzen, melden, oder das entsprechende Formular auf der Homepage der Diakonie herunterladen, ausfüllen und abschicken. Die Bewerber werden am 18. und 19. November zu einer Auswahltagung eingeladen, auf der Einzelgespräche geführt werden um zu schauen, ob die Bewerber für den Dienst infrage kommen. Im Januar beginnt die Ausbildung mit einem Wochenende in Schmochtitz. Die Ausbildungsgruppe aus maximal 14 Leuten trifft sich danach noch an fünf Samstagen und 18 Abenden unter der Woche, bevor die Ausbildung mit einem weiteren Ausbildungswochenende in Schmochtitz abgeschlossen wird. Danach sind die Teilnehmer für mindestens zwei Jahre Telefonseelsorger. Fachliche Voraussetzungen für die Mitarbeit gibt es nicht, jeder ab 25 Jahren kann sich bewerben.

Wo steht das Telefon?

„Wir haben an unseren beiden Standorten in Bautzen und Görlitz je eine Dienstwohnung gemietet. Dort gibt es Küche, Bad und einen Schlafplatz, falls sich die Mitarbeiter beispielsweise während einer Nachtschicht mal hinlegen wollen“, verrät Nicole Hackel. Jeder Mitarbeiter hat zwei Dienste à vier Stunden oder eine Nachtschicht mit acht Stunden im Monat. Dazu kommt einmal pro Monat eine zweistündige Fallbesprechung, in der sich die Telefonseelsorger gemeinsam mit einem Supervisor austauschen. „Die Tätigkeit fordert nicht nur, sie gibt den Mitarbeiter auch etwas“, sagt Nicole Hackel. Zu ihrer Arbeit befragt, gaben die Telefonseelsorger unter anderem an, dass sie durch die vielen geführten Gespräche die eigenen Grenzen und Bedürfnisse besser erkennen, offener geworden sind, sich in ihrer Persönlichkeit weiterentwickelt haben und ihr eigenes Leben noch mehr schätzen. Wenn in der Görlitzer Wohnung das Telefon klingelt, dann bekommen die Telefonseelsorger nicht immer nur Probleme zu hören. Viele Anrufer wollen auch einfach nur Danke sagen.                

Telefonseelsorge Oberlausitz

Krisentelefonnummern: 0800 111 0 111 0800 111 0 222 (kostenfrei, anonym, rund um die Uhr) Wer spezielle Informationen möchte oder an einer Mitarbeit interessiert ist, kann sich in der Geschäftsstelle der Telefonseelsorge melden. Telefon: 03591/481660 Weitere Infos gibt es auf der Homepage der Diakonie Bautzen.


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