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Mutterworte: „Legt den Russenkindern etwas auf die Mauer“

„Wider das Vergessen“ – es wirkt, als wäre der Name des Zeitzeugenprojektes eine Mahnung in unserer heutigen turbulenten Zeit.
Regina Elsner ist sicher: „Wir haben viele Jugendliche erreicht.“                       Foto: Tom H. Seidelt

Regina Elsner ist sicher: „Wir haben viele Jugendliche erreicht.“ Foto: Tom H. Seidelt

Hoyerswerda. Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ veranstaltet dieses Treffen alljährlich in Hoyerswerda. 
Übrigens immer wieder mit ganz besonderen Gästen. Eine weitere Zeitzeugin davon bekam die Jugendredaktion erst kürzlich vor Kamera und Mikrofon, die Rede und Antwort stand: Regina Elsner. 
Antrieb ihres Wirkens ist eine bewegte Kindheit im Nationalsozialismus,  gegen den ihre Familie Widerstand ausübte. Das Elternhaus von Regina Elsner war antifaschistisch geprägt. Ihre Eltern waren nicht bereit, das Unrechtssystem der Nazis mitzutragen. Als Folge dessen waren sie Schikanen wie täglichen Meldungen ausgesetzt, was sie aber nicht einschüchterte. Die Mutter beispielsweise setzte sich für sowjetische Kriegsgefangene ein, die sie nachts heimlich ins Haus ließ. Diese wurden dann mit dem Notdürftigsten versorgt, während Regina Elsner und die anderen Kinder in andere Zimmer geschickt wurden. „Aber ich habe das sehr wohl mitgekriegt und war schon da sehr aufgeschlossen“, erinnert sie sich. Auch ein anderes Erlebnis hat sie in jungen Jahren geprägt. In Schwarzenbach im Erzgebirge, ihrer Heimat in Kindertagen, kamen eines Tages Kinder an. Zwölfjährige Zwangsarbeiter aus der Ukraine, die in der örtlichen Fabrik ihren Dienst verrichten mussten. Gekleidet in viel zu große Steppjacken und mit Tüchern um den Kopf. „Meine Eltern haben immer gesagt, wir sollen etwas auf die Mauer am Hang legen.  So hatten die Kinder wenigstens etwas zu essen. Meinen Eltern haben gar nicht überlegt, uns da mit einzubeziehen.“ 
Sie habe schon früh gelernt, was es bedeute, anderen zu helfen, merkt Regina Elsner nachdenklich an. Auch nach dem Krieg blieb für ihre Eltern der Traum einer friedlichen, besseren Welt dominierend. Als Leiterin einer Kita in der DDR blieb der Antifaschismus immer Mittelpunkt ihrer Arbeit. 
Hoyerswerda 1991
Elsner war Mitte 50, als rechtsextreme Ausschreitungen Hoyerswerda in einen tagelangen Ausnahmezustand versetzten. Auch bei ihr saß der Schock tief: „Ich habe gedacht: wir müssen irgendetwas tun, das darf nicht sein. Die Jugendlichen mussten aufgeklärt werden, damit es nicht wieder zu so etwas kommen kann.“ Ihr erster Gedanke: Zeitzeugen aus der Hitler-Zeit zu Wort kommen zu lassen. 
Mit einer Freundin begann sie, an die hiesigen Schulen zu gehen und alles in die Wege zu leiten. Schnell konnte die Stadt Hoyerswerda überzeugt und mit ins Boot vom VVN-BdA geholt werden. Die Bilanz ist ansehnlich: „Wenn Sie mal überlegen, mit wieviel hunderten von Schülern wir schon in Auschwitz waren und mit wieviel hunderten Schülern wir Gespräche geführt, Buchlesungen abgehalten und Filme angeschaut haben. Dann kann ich sagen, dass wir in der Stadt Hoyerswerda bestimmt schon weit über tausend Jugendliche erfasst haben.“ Auch das gescheiterte NPD-Verbot treibt sie um.  Nicht mit erhobenem Finger schimpfen, sondern helfend den Jugendlichen zeigen, wo Hass hinführt – das sei jetzt geboten. Mit ihrem Kampfgeist hat Regina Elsner viel erreicht. Und doch wirkt sie auch nach 21 Jahren mit Zeitzeugen immer noch nicht müde.
Tom H. Seidelt (redaktion@wochenkurier.info)
Jugendredaktion


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