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Carola Pönisch

Handel fordert Strategiewechsel nach 100 Tagen Schließzeit

Am 14. Dezember 2020 wurden mitten im Weihnachtsgeschäft tausende sächsische Einzelhandelsbetriebe das zweite Mal in dieser Pandemie zwangsgeschlossen. Seit genau 100 Tagen (23. März 2021) tragen die Einzelhandelsunternehmen damit erneut einen wesentlichen Teil der Last dieser Pandemie. Jetzt fordert der Einzelhandelsverband Sachsen eine neue Strategie.
Foto: Pönisch

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"Zahlreiche, oft traditionsreiche und vor der Schließung völlig gesunde Unternehmen kämpfen jeden Tag um ihre Existenz und stehen vor einem Scherbenhaufen", sagt René Glaser, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Sachsen (HVS). Zwar wurde das Einkaufen mit click & meet (Terminbuchung) eingeführt, doch das sei keine dauerhafte Öffnungsstrategie für den gesamten Einzelhandel. "Die Personal- und Betriebskosten für diese Angebote sind oftmals höher als die Umsätze." Doch heute muss  konstatiert werden, dass auf Grund der starren Bezugnahme auf festgelegte Inzidenzgrenzwerte nicht nur ein nicht mehr zu durchschauender Flickenteppich entstanden ist, sondern das Instrument zahlreiche Unternehmen beispielsweise im Vogtland und im Erzgebirge gar nicht erst erreichte respektive aufgrund festgelegter Rückfallregelungen vielerorts bereits wieder zurückgeführt wurde. "Nach Weihnachten fällt damit nunmehr mit Ostern das zweitstärkste Saisongeschäft fast vollständig aus. Gleichzeitig kämpfen die Unternehmen noch um die Überbrückungshilfe III und Zahlungen aus dem Dezember 2020. Die Ware für Frühjahr und Ostern lagert in den Geschäften und droht, nach dem Winter abermals nicht verkauft werden zu können", so Gläser. Weg vom starren Inzidenzwert Aus Sicht des Handels bedarf es endlich eines Strategiewechsels – weg von einer ausschließlich inzidenzorientierten Schließung ganzer Branchen hin zu einer evidenzbasierten Öffnungsstrategie. Die politischen Entscheidungsträger müssen sich von starren Inzidenzwerten lösen, sich differenziert den eigentlichen Infektionsrisikoherden zuwenden, Parameter wie die Intensivbettenauslastung, die Hospitalisierung, den Impffortschritt, aber auch höhere Testquoten berücksichtigen. „Die bloße Bezugnahme auf Inzidenzen, das tägliche Hin und Her rund um die jeweilige Höhe des Inzidenz-Wertes als Maßstab für Lockerungen und das hiemit verbundene Durcheinander führen nicht nur zu erheblichen Planungs- und Rechtsunsicherheiten und zu Frustrationen bei Unternehmen und Kunden, sondern verstärken auch das allgemeine Unverständnis der Bürger, ohne das eigentliche Infektionsgeschehen wirksam einzudämmen.“ Außerdem kritisiert der HVS, dass den Unternehmen zwangsweise und ohne hinreichenden Ausgleich die Kapitalvernichtung von Geschäfts- und Privatvermögen auferlegt wird, andererseits ihnen trotz wissenschaftlicher Bescheinigung zur Sicherheit im Handel durch das RKI die Möglichkeit zur Selbstrettung verwehrt. "Diese fehlende Möglichkeit wird entgegen allen bekannten Informationen offensichtlich billigend in Kauf genommen. Und das, obwohl im Hinblick auf den Einzelhandel die Verhältnismäßigkeit und Wirkung der getroffenen Maßnahmen ernsthaft angezweifelt werden muss."


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