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Weihnachtszeit – Schaufensterwettbewerb und Kuba-Orangen

- Vor 30 Jahren -
Adventsabend in der Sprem Mitte der Achtziger, im Hintergrund die Pyramide, Foto: Erich Schutt

Adventsabend in der Sprem Mitte der Achtziger, im Hintergrund die Pyramide, Foto: Erich Schutt

Im DDR-Lexikon finden wir zum Stichwort Weihnachten folgende Definition: „Fest der angeblichen Geburt Christi; erst seit dem 4. Jh. gefeiert, trat an die Stelle vorchristlicher Wintersonnenwendfeste; es wird heute meist rein weltlich als Fest der Familie gefeiert ... In der sozialistischen Gesellschaft erhalten sich Weihnachtsbräuche, die mit Jahresabschlussfeiern, Kinder- und Familienfesten verbunden sind.“ Das gibt ungefähr die Richtung an, wie man im atheistischen Staat mit dem wichtigsten christlichen Feiertag umgehen wollte. Nicht abschaffen wie in der Sowjetunion, wo mit dem Jolka-Fest und den Märchenfiguren Väterchen Frost sowie Sneguroschka am Neujahrstag eine weltliche Alternative zwangsweise eingeführt wurde. Nein, den Christen in der DDR wurde Weihnachten gelassen und ansonsten ein Fest des Friedens gefeiert. Die mehr oder weniger gelungenen weltlichen Weihnachtslieder dudelten auf dem Cottbuser Weihnachtsmarkt neben „Vom Himmel hoch“. „Jedes Jahr zur gleichen Stunde kommt der liebe Weihnachtsmann. Er ist schon ein alter Kunde: Paul von nebenan.“ Friedrich Schorlemmer sagte, dass sich das Weihnachtsfest in der DDR als Familienfest durchgesetzt hatte. „Dennoch sei den Menschen die Weihnachtsgans wichtiger gewesen als die Weihnachtsbotschaft und die entscheidende Frage war 'Wird es Südfrüchte geben?'.“ Die in der Nachwendezeit vielfach kolportierte Jahresendflügelfigur war jedoch ein Witz aus dem „Eulenspiegel“. Weihnachten 1987 in Cottbus Vor dreißig Jahren stand auf dem Cottbuser Weihnachtsmarkt schon die große Pyramide. Tatsächlich war es die Versorgung der Menschen für die Feiertage, die mit Kampf und Krampf  bewerkstelligt werden musste. Dazu wurden schon mal bestimmte Produkte bis zu den Feiertagen zurückgehalten. Weihnachten spielte dann auch in den Medien eher eine nebensächliche Rolle. Die Leser der Lausitzer Rundschau wählten im Dezember die Sportler des Jahres. An der Abstimmung nahmen auch die Cottbuser teil, die im Kirowadskaja Oblast in der Sowjetunion an der Erdgastrasse werkelten. Erst unmittelbar vor dem Fest gab es etwas stimmungsvolle Bilder. Der Volkskorrespondent Helmut H. dankte der Partei für die 42. Friedensweihnacht. Der Thälmannpionier Axel R. wünschte Frieden für die Kinder in Nikaragua. Und Irma Uschkamp, die Bezirksratsvorsitzende, ermahnte die Leiter, die „Vorzüge des Sozialismus noch wirkungsvoller mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt zu verbinden.“ Sieger im weihnachtlichen Schaufensterwettbewerb wurden das Verkaufskollektiv im „Süßen Eck“, das Werbekollektiv des Konsument und die Konsum-Fleischerei in der Straße der Jugend 153. Solche eher dekorativen Aktionen konnten nicht die verhältnismäßig schlechte Versorgung der Bevölkerung verdecken. Die Menschen waren in der zweiten Hälfte der Achtziger zunehmend unzufrieden. Vergleichsmaßstab war nicht Polen, sondern der Werbeblock im Westfernsehen. Und die Zahlen sprechen für eine solche Verschlechterung, obwohl Cottbus als „Arbeiterzentrum“ im DDR-Vergleich ganz gut dastand. Südfrüchte machten 1988 weniger als ein Viertel des Angebots aus. Und da waren die Kuba-Orangen schon mitgezählt. 1978 waren das noch gut 40 Prozent des Angebots. Zwei Jahre danach In der Adventszeit zwei Jahre später war die DDR nicht mehr wiederzuerkennen. Die Welle der Demonstrationen hatte, zwar mit Verspätung, auch die Niederlausitz erfasst. Eine Serie von Rücktritten offenbarte das Dilemma, in das die DDR geraten war. Sogar die neue SED-Spitze des Bezirks stellte fest, dass eine „korrupte Partei- und Staatsführung die Gesellschaft an den Rand des Abgrundes geführt hat.“ Ab 8. Dezember 1989 druckte die Lausitzer Rundschau das Programm des „Westfernsehens“. Die Bezirkshygieneinspektion veröffentlichte Daten zur Schadstoffbelastung. Die Cottbuser mutmaßten über eine geheime „Stasi-Abhörzentrale“ in Madlow und begrüßten die Aussetzung des Unterrichts in den Schulen am Samstag. Am 13. Dezember dann bestimmten Stadtverordnete und Gäste Waldemar Kleinschmidt zum amtierenden Oberbürgermeister. Nur wenige Tage später erfuhren die Menschen in beiden deutschen Staaten in der aus der Stadthalle übertragenen ARD-Sendung „Musikantenstadl“, dass Cottbus als erste Stadt in der DDR ein nicht von der SED bestimmtes Stadtoberhaupt hatte. Weihnachten kam 1989 in den Medien scheinbar nur am Rande vor. Mit der Losung „Keine Gewalt!“ zeigten die Ostdeutschen jedoch, Christen und Nichtchristen, dass sie die die Weihnachtsbotschaft wohl verstanden hatten.


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