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Fackelzüge und Flaggenparaden – Naziterror beginnt (1. Teil)

- Vor 85 Jahren -
Cottbuser Anzeiger vom 30. Januar 1933. Quelle: Stadtarchiv Cottbus

Cottbuser Anzeiger vom 30. Januar 1933. Quelle: Stadtarchiv Cottbus

 Am 27. Januar 1933 erschien im Cottbuser Anzeiger unter der Überschrift »Justizrat Hammerschmidt 75 Jahre alt« der folgende Glückwunsch: »Ein hochgeschätzter Bürger unserer Stadt, Justizrat Hammerschmidt, begeht am kommenden Sonnabend seinen 75. Geburtstag. Er zählt zu den wenigen, die sich ein ganzes Leben hindurch dem Dienst am Allgemeinwohl in vorbildli­cher Weise widmeten.« Abraham Hammerschmidt war seit 1910 Stadtverordneter und später Mit­glied der Deutschen Demokratischen Partei, einem Vorgänger der heutigen FDP. Er beriet die Oberbürgermeister Werner und Dreifert und hatte großen Anteil daran, dass im Stadtparlament »so mancher drohende Sturm be­schwichtigt werden konnte.« An die­sem 27. Januar spielte es noch keine Rolle, dass Hammerschmidt Jude und Mitglied im Vorstand der Cottbuser Synagogengemeinde war. Wenige Tage zuvor hatte er als Alterspräsident noch die Wahl des Vorstandes der Cottbuser Stadtverordnetenversammlung geleitet. Eine Woche später war alles anders. Als Hammerschmidt ein Jahr später starb, weigerte sich der Cottbuser Anzeiger, der ihm zwölf Monate zuvor noch euphorische Glückwünsche darbrachte, die Todesanzeige des Juden zu veröffentlichen. Was war geschehen? Fackelzug auch in Cottbus Bei den Reichstagswahlen im November 1932 blieb die Nazipartei zwar stärks­te Kraft, hatte zum ersten Mal jedoch Stimmen verloren. Die Wirtschaftskrise führte in Deutschland zu Massenelend, sechs Millionen waren ohne Arbeit. Führende Industrielle und Bankiers drängten Reichspräsident Hindenburg, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Diesen Forderungen gab der alte Ge­neral am 30. Januar 1933 nach. Dem legalen Machtantritt Hitlers folgte eine Zeit des Terrors, mit dem sogenannten Ermächtigungsgesetz nur notdürftig ummantelt. Nach dem Reichstagsbrand Ende Februar wurden die parlamenta­rischen Institutionen, die kommunale Selbstverwaltung und die bürgerlichen Freiheiten schnell und zum großen Teil unter dem Beifall der Bevölkerung abgebaut. Fackelzüge, Aufmärsche und Flaggenparaden bestimmten fortan das Bild der Städte. Zeitgleich mit dem Fackelzug zu Hit­lers Machtergreifung am 30. Januar in Berlin gab es in Cottbus einen ähnlichen Umzug. »Gegen 8 Uhr setzte sich vom Schillerplatz aus der lange Zug der S.A.-Leute und Parteimitglieder in Be­wegung und marschierte durch einige Straßen der Stadt. Überall erregten die marschierenden S.A.-Leute Aufsehen und die Bevölkerung nahm regen An­teil«, schrieb der Cottbuser Anzeiger. Kreisleiter Polack sagte zwar, dass »man den Kommunismus und Bolschewismus nicht mit drakonischen Maßnahmen auszurot­ten« gedenkt, sondern »den deutschen Arbeiter von innen heraus zum Nationalsozialismus bekehren« wolle. Der einsetzende Terror gegen Andersdenkende, gegen Kommunisten, Sozialde­mokraten, Gewerkschaf­ter und Juden in Cottbus zeigte das Gegenteil. Auch in Cottbus war im Frühjahr 1933 die Anzahl der Menschen gering, die inmitten von Flitter und Standartengold ahnten, dass aus den Feuern der Fackel­züge Scheiterhaufen für Bücherverbren­nungen und später lodernde Feuer in den Krematorien wurden. Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass nur zwölf Jahre später auch die Stadt Cottbus im Feuer untergehen würde. Das Schicksal der Hammerschmidts Das Schicksal der Familie Hammer­schmidt steht symbolisch für den Lei­densweg der Cottbuser Juden. Von den sechs Kindern des Anwalts überlebte nur Hans den Holocaust. Der Sohn Hermann, ebenfalls Jurist, hatte im I. Weltkrieg an der Somme und bei Ypern gekämpft. Er konnte als ehemaliger Frontsoldat noch kurze Zeit weiter prak­tizieren. Die Nazis ermordeten ihn 1944 im KZ Schwetig. Die Stolpersteine vor dem Haus Bahnhofstraße 62 erinnern daran. Der Name Abraham Hammerschmidts erschien im Februar 1933 allerdings noch einmal im Cottbuser Anzeiger. Das Blatt hatte in diesen Wochen eine stramme Kehrtwendung gemacht, be­jubelte die Maßnahmen der neuen Füh­rung und goss eine Welle des Schmut­zes über die linken Parteien aus. Da die bevorstehenden Kommunalwahlen aber wenigstens nach außen einen halbwegs demokratischen Anstrich haben sollten, waren alle Parteien noch zugelassen. Die Partei Hammerschmidts schaltete Anzeigen und warb für »ruhige Beson­nenheit, Verantwortungsgefühl und nüchternes Urteil«. Doch dazu waren die Cottbuser nicht mehr in der Lage. Über die Wahlen zur Stadtverordne­tenversammlung vom März 1933, die Gleichschaltung der Stadtverwaltung und die Entlassung kommunaler Wahl­beamter soll in der nächsten Woche berichtet werden.


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