»Ich wollte nicht nach Schwarze Pumpe«
Lausitz. »Wir haben mit Kohlenstaub in der Nase im Knappensee gebadet«, erinnert sich Robert Pohl an seine Kindheit, »das war normal für uns«. Hoyerswerda war damals »ein brodelnder Hexenkessel, eine coole Stadt, was das kulturelle und soziale Leben betraf und hatte zugleich Struktur«, meint er lachend. »Aus jedem Hauseingang kamen wochentags um sieben Uhr durchschnittlich zehn Kinder, die sich auf den Weg in den Kindergarten oder die Schule machten.«
Die Situation heute betrachtet der 1967 Geborene als dramatisch: „Die Stadt hat immer noch genug Spielplätze – aber da spielen keine Kinder mehr!«, beschreibt er die Auswirkungen des Wegzugs junger Menschen und die daraus resultierende Überalterung. Zugleich aber sieht er Chancen für »Hoy«, wie die Einheimischen gern sagen, sich im Strukturwandel neu zu positionieren. »Die Stadt ist eine geniale Spielwiese für diverse soziokulturelle Initiativen, ein Paradies für Radfahrer, ein ruhiger, sehr preisgünstiger Wohnort inmitten der Urlaubsregion Seenland, mit einer modernen Infrastruktur und guten Anbindungen nach Dresden, Görlitz oder Bautzen. Das sind die Vorteile der Stadt und die muss man ausbauen.«
Robert Pohl verließ 1989, noch vor dem Mauerfall, die DDR gen Westen, seinen Forstfachwirt in der Tasche. Der war kein Wunschberuf, diente eher als Alternative zu den Kohle- und Energieberufen, die ganze Jahrgänge hier lernten. »Aber ich wollte nicht nach Schwarze Pumpe!« In der BRD qualifizierte er sich zum Immobilien-Kaufmann und war dann nach der Wende für große Handelsketten in Polen und Tschechien aktiv. Mittlerweile wohnt er in Prag, ist aber mindestens einmal monatlich in Hoyerswerda. Dann besucht er seine Tochter und nimmt, so notwendig, Termine bei »meinem Arzt« und »meinem Friseur« wahr. Außerdem ist er nach wie vor Mitglied im Lausitzer Handball-Verein Hoyerswerda (LHV).
Pioniergeist zieht wieder mehr junge Leute in die Lausitz
Aber auch geschäftlich ist Robert Pohl in »Hoy« mittlerweile engagiert. »Fakt ist, es darf nicht mehr weiter Leerstand zurückgebaut werden. Wir werden in den kommenden Jahren wieder mehr Wohnraum brauchen.« Die zukünftige Entwicklung der Stadt sieht er mit einem »grünen Vorfahrtsstempel« versehen. Der Strukturwandel ermöglicht schnelleres Handeln, meint er. Es gäbe weniger Bürokratie. Die Möglichkeiten ließen einen neuen Pioniergeist zu. Das zieht wieder junge Leute hierher, die was bewegen wollen und hier auch können. Robert Pohl: »Man kann sich selbst Heimat schaffen.« Dazu zitiert er John F. Kennedy: »Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt.«Fakt sei, dass die Bürger der Stadt stolz sein können. Allein das sollte schon Grund genug sein, Gemeinschaft zu pflegen. »Altersübergreifend!«, betont Pohl. Denn Hoyerswerda habe ideale Voraussetzungen, Alt und Jung besser zusammenzubringen als anderswo. Mehrgenerationenhäuser wären nur eine Möglichkeit. Wie auch immer. »Nicht reden, sondern machen!«, mahnt der Pendler zwischen der Lausitz und Böhmen.