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„Es ist eine Ehre, solche Schätze zu behüten“

Ines Jahn ist seit 20 Jahren Stadtarchivarin in Senftenberg. Jetzt ist ein Teil des Archives in das Schlossparkcenter gezogen.
Stadtarchivarin Ines Jahn steht vor einem von vielen Prachtstücken im Stadtarchiv Senftenberg: Es ist eine reproduzierte Ansicht des „Ammtes Senftenberg“ aus dem Jahr 1757. Eine Vielzahl von Informationen lassen sich aus der Kartes ablesen. Foto: sts

Stadtarchivarin Ines Jahn steht vor einem von vielen Prachtstücken im Stadtarchiv Senftenberg: Es ist eine reproduzierte Ansicht des „Ammtes Senftenberg“ aus dem Jahr 1757. Eine Vielzahl von Informationen lassen sich aus der Kartes ablesen. Foto: sts

Hallo Frau Jahn, das Archiv der Stadt Senftenberg ist ab sofort im Schlossparkcenter zu Hause. Wie gefällt Ihnen die neue Umgebung für ihre Schätze? Ines Jahn: „Wir haben mit dem neuen Archivstandort am Schlossparkcenter wirklich hervorragende Bedingungen für all die wertvollen Schätze aber auch für die zeitlich begrenzt aufzubewahrenden Unterlagen der Verwaltung erhalten.  Die ausgezeichneten Arbeits- und Recherchebedingungen für Besucher lassen es hier an nichts fehlen. Eine ständige Klimatisierung des Archivs bietet dem wertvollen Archivgut optimalste Bedingungen für eine lange oder dauerhafte Aufbewahrung. Transportwege werden durch die Barrierefreiheit und den Fahrstuhl erheblich erleichtert. Für unsere Besucher ist die Barrierefreiheit auch ein sehr geschätzter Vorteil.“ Welche Vorteile bringen die neuen Räumlichkeiten mit sich?

Jahn: „Auf 227 Quadratmeter Magazinfläche sind nun der Archivstandort der ehemaligen Realschule und der Standort des Archivs Markt 19 vereint. Das Endarchiv mit seinen Überlieferungen zur Geschichte und Historie der Stadt, Nachlässe, Sammlungen und Teile des Verwaltungsarchivs finden jetzt ausreichend Platz unter einem Dach. Freie Kapazitäten sind für die Zukunft vorhanden. Dennoch verbleibt das Rathausarchiv an seinem historischen Standort ’im Rathaus‘. Nicht nur Archivschachteln reihen sich gedrängt in den Regalen aneinander. Mit drei Kartenschränken ist auch die Plansammlung jetzt an einem Standort vereint. Ahnenforscher dürfen nun unkompliziert in verfügbaren Personenstandsunterlagen des Archivs recherchieren. Zudem können zeitgleich mehrere Besucher ihren Forschungen nachgehen. Eine helle, freundlicher Atmosphäre an vier Besucherarbeitsplätzen erlaubt diese Möglichkeit.“ Sie selbst feiern nicht nur den Einzug in das Schlossparkcenter, sondern als Stadtarchivarin auch ein Jubiläum. Seit 20 Jahren sind Sie dabei, historische Aufzeichnungen zu archivieren. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf dieses Jubiläum?
Jahn: „Es ist eine Ehre, solch wertvolle Archiv-Schätze zu behüten und es erfüllt immer wieder mit Dankbarkeit, Menschen helfen zu können. Sehr vielseitig sind die Fragen und  Augenblicke hinter den Türen eines  Archivbesuchs. Ich bin vielen Heimatforschern begegnet, habe von ihnen gelernt, Ereignisse und Geschichten in und um Senftenberg besser zu verstehen oder Dinge zu hinterfragen. Leider sind einige Stimmen nicht mehr unter uns. Dafür tun sich aber neue wertvolle Begegnungen auf, die gerade für die Sammlung der Regionalgeschichte bedeutend sind. Jeder Nachlass birgt ein Stück Geschichte, die erzählt werden will. Begeisterung zu wecken, damit Dinge erhalten bleiben und so vielleicht den Weg in ein Archiv finden, damit sie für spätere Generationen aufbewahrt werden können, gehört wie Leidenschaft und Forschungsdrang einfach zu diesem Job dazu.“ Wie haben Sie Ihren ersten Arbeitstag im Stadtarchiv Senftenberg in Erinnerung? Jahn: „1997 war es doch noch ein sehr überschaubares Archiv mit 225 laufenden Metern am Standort Markt 19. Zudem liefen gerade Sanierungsarbeiten am Flur und Bürobereich. Es war eine Baustelle und viel Lärm. Fast sprunghaft gewachsen ist das Archiv erst mit den Eingliederungen von Sedlitz 1997 und dem Amt Am Senftenberger See im Jahr 2001.“ In zwei Jahrzehnten Stadtarchivarbeit haben Sie sicher viele spannende Erlebnisse gehabt. An welche erinnern Sie sich gern zurück?
Jahn: „Ein Anruf der japanischen Filmproduktionsfirma ‹YON´S Production GmbH› im Jahr 2005 bleibt mir im Gedächtnis. Noch im gleichen Jahr wurde in Senftenberg ein japanischer Film über die Spurensuche nach noch lebenden Angehörigen des ersten deutschen Fleischermeisters in Japan, Hermann Wolschke aus Rauno, gedreht. Er blieb nach Ende des Ersten Weltkrieges und Kriegsgefangenschaft in Japan. Schon 1920 bot Hermann Wolschke hervorragende Fleischprodukte an, auch für Hotels und gehobener Gastronomie. Der Film «Geschenk aus Deutschland – Die Geschichte eines Wunders über Grenzen hinweg» wurde am 22. Januar 2006 japanweit ausgestrahlt. Dem Hermann Wolschke wurde übrigens in Tokio ein Denkmal geweiht. Es folgten dann weitere spannende Besuche aus Japan - zuletzt ein Arbeitsbesuch 2015. Der Sohn von Hermann Wolschke, mit gleichem Namen, führte lange Zeit das Erbe seines Vaters fort. Jetzt stehen beide Städte, Senftenberg und Komae, mit dem Hermann Wolschke-Verein in Komae in Verbindung. Dieser bewahrt und erinnert an das Lebenswerk von Hermann Wolschke.“ Und welche Begebenheiten würden Sie lieber wieder aus dem Gedächtnis streichen wollen? Jahn: „Die Archivumzüge der Vergangenheit, ausgenommen der jetzige Umzug, den ich als notwendig und zur Schaffung optimalster Archivbedingungen als unverzichtbar sehe. Dafür lohnt sich jede mühevolle Arbeit.“
Was lieben Sie an Ihrer Arbeit im Stadtarchiv?

Jahn: „Es ist oft die Begeisterung der Archivnutzer an sich, wenn sie einer Sache emotional auf der Spur sind, was nicht selten ist. Da kann es die geteilte Freude über ein lang gesuchtes oder begehrtes Fundstück sein. Ungelöste Fälle behalte ich oft Jahre lang im Gedächtnis, um später vielleicht doch noch Spuren zu finden. Nicht selten sind gerade Zufälle genau der Lösungsansatz. Jahrelang gab der Flugzeugabsturz einer Junkers Ju 52 auf das Kommandantenhaus im Jahr 1945 Rätsel auf. Eine schlechte Überlieferung aus dem Jahr 1945 und eien fehlende Berichterstattung im Senftenberger Anzeiger hatten die Ermittlung gebremst. Ein von Dachziegeln erschlagenes Nutria-Baby im Tierpark am 23. Februar 1945 war dann tatsächlich zur heißen Spur geworden. Die Beschwerde über den Tierverlust ging 1945 prompt an den damaligen Bürgermeister - mit Vermerk der Verursachung ’Flugzeugunglück vom Kommandantenhaus‘. Das sind die ganz besonderen Momente in einem Archiv.“ Was ist zurzeit Ihr absolutes Prachtstück im Stadtarchiv?

Jahn: „Das absolute Prachtstück? Das fällt mir schwer, eins zu favorisieren. Es gibt aber eine reproduzierte Ansicht des ’Ammtes Senftenberg‘ aus dem Jahr 1757. Eine Vielzahl von Informationen lassen sich hier ablesen. Ob königliche Weinberge oder Sümpfe damals existierten, Schäfer oder Schmied an einem Ort ansässig waren und vieles mehr lassen den Betrachter staunen. Erwähnenswert sind auch die bildhaften Darstellungen, ob Karten, Pläne oder historische Ansichten. Selbst ’uralte‘ Bauakten vor 1900 in filigraner Farbgebung können faszinieren. Ebenfalls sind Chronik, Bücher, Werke und Aufsätze von Rudolf Lehmann, Johann Gottlieb Paulitz, Werner Forkert absolut wertvolle Geschichtsquellen und nicht mehr aus unserem Archiv wegzudenken.“ Haben Sie noch einen Wunsch hinsichtlich des Bestandes? Was fehlt Ihnen noch unbedingt?

Jahn: „Für die Ahnenforschung werden im Vorfeld oft Adressbucheinträge recherchiert. Hier haben wir bis 1945 bedauerlicherweise Lücken. Die Jahre nach 1945 sehen absolut schlecht aus. Dabei könnten Telefonbücher aus der DDR-Zeit gerade für die Forschung nach Familienangehörigen oder Firmeneinträgen eine sehr wertvolle Quelle darstellen. Leider verfügt das Stadtarchiv nicht über solche Telefonbücher bis 1990.“
Woher beziehen Sie Ihre im Archiv gesammelten, historischen Zeitdokumente?

Jahn: „Zumeist sind es Heimatforscher, die Material an das Archiv geben, aber auch der typische Dachbodenfund kommt vor. Es sind auch ehemalige Senftenberger, die in die Ferne gezogen sind und sich dann von ihren Sammlungen trennen möchten. Im vergangenen Jahr hatten wir das große Glück, den Nachlass an Büchern, Werken und Aufsätzen des bekannten Historikers der Niederlausitz, Rudolf Lehman, zu erhalten. Diese wurden von seinem in diesem Jahr bereits verstorbenen Sohn Reinhard Lehmann der Stadt Senftenberg überlassen. Vor wenigen Tagen ist nun ein kleiner Nachlass von Reinhard Lehmann im Archiv angekommen. Seine Witwe hat dies veranlasst.“ Ihr letztes Wort…?

Jahn: „Die Geschichte lebt von Erinnerungen, die es wert sind, erzählt zu werden. Doch genau das geht nur, wenn sie auch aufgeschrieben werden. Viele spannende Geschichten habe ich schon gehört, aber diese nicht selbst erlebt. Wer etwas Geschichtsbewegendes erlebt, möge es aufschreiben, damit es erhalten bleibt und vielleicht sogar einen Platz im Archiv erhält.“

Das Stadtarchiv Senftenberg...

• ...zirka 930 laufende Meter Aktenbestand von insgesamt über 1200 laufende Meter sind in diesem Jahr am Standort Schlossparkcenter unter einem Dach gezogen - bstehend aus Verwaltungsarchiv und Endarchiv. Das Rathausarchiv bleibt weiterhin an seinem historischen Standort – im Rathaus.   

• ...am neuen Standort sind die Aufschlüsselungen des Bestandes noch nicht komplett erfolgt, da nach dem Einzug in die neuen Räume noch so Einiges verpackt und neu geordnet werden muss. Deshalb ein Auszug:
- etwa 9000 Zeitungen
- Presseausschnitts-Sammlungen ab 1973  
- Karten und Pläne
- Fotoalben – ohne Angabe der Fotoanzahl
- Calauer Kreisblatt 1839 bis 1947
- Königlich-Preußisches Amtsblatt 1830 bis 1917
- 15 laufende Meter Personenstandsregister
- Nachlass von Rudolf Lehmann, Nachlass von Werner Forkert, Nachlass von Walter Stecklina  und weitere
- historische Bestände der Ortsteile - (digital) Ausgaben der Märkischen Volksstimme von 1946 bis 1952 - (digital) Senftenberger Anzeiger Januar bis März 1933 - (digital) Senftenberger Zeitung 1962 bis 1967 - verschiedenste Sammlungen zu Bergbau, Feuerwehr, Kirchen, Grube Marga, und mehr - Glassammlung Hosena
•...das Archiv verfügt zumeist über Papierakten. Eine dauerhafte Klimatisierung bei 18 Grad Celsius mit einer Luftfeuchte bis 50 Prozent ist hier optimal.

• ...das Stadtarchiv Senftenberg ist alt. Mitte des 15. Jahrhunderts ist die Verwaltung erstmals in Erscheinung getreten. So müssen Schriftnachweise geführt worden sein. Im Brandenburgischen Landeshauptarchiv lässt sich im Findbuch auf eine Akte aus dem Jahr 1579 schließen. Die vielen Stadtbrände in Senftenberg sorgten leider für Verluste an Archivgut. •...die Folgen des letzten Krieges gingen auch am Archiv nicht spurlos vorbei. Dabei wurden schon 1944 zum Schutz des wertvollsten Archivbestandes vier Holzkisten im tief gelegenen Keller des Schlosses Guteborn versteckt. Das Schloss schien scheinbar sicher, so mitten im Wald. Dem war aber nicht so. Nach dem Krieg sollten die Akten wieder zurückgeholt werden. Geeignete Räumlichkeiten gab es damals nicht. Turbulente Verhältnisse ließen eine Rückholung im März 1946 überhaupt erst zu. Die Kisten waren inzwischen aufgebrochen. Zudem hatte ein Wasserschaden den Innungsakten erheblich zugesetzt. Verluste an Archivgut waren hier unvermeidbar. • ...1962 erfolgte eine Übernahme der historischen Bestände Senftenbergs als Depositum in das Brandenburgische Landeshauptarchiv. Bis in das Jahr 2009 hat es gedauert, dass die Stadt Senftenberg ein aktuelles Findbuch zum Bestand in Potsdam, erstellt durch Dr. Neininger, erhalten hat. Für Interessierte liegt dieses Findbuch zur Einsicht bereit.
 
• ...genutzt werden kann das Archiv von jedem, der ein berechtigtes Interesse nachweisen kann. Das heißt, wer an einer Sache interessiert ist, darf auch das Archiv nutzen. Ein förmlicher Benutzungsantrag ist zu stellen. Zu bedenken ist, dass nicht jede Recherche auch gebührenfrei ist. Für rein private Nutzung fallen Gebühren nach der gültigen Verwaltungsgebührensatzung an. Heimatforscher und Vereine der Stadt Senftenberg, Schüler und Studenten sowie beim Vorliegen eines überwiegend öffentlichen Interesses, kann Gebührenfreiheit gewährt werden. Weitere Informationen zum Stadtarchiv gibt es «HIER»
• ...Anfragen aus Personenstandsregistern, zu Geburten, Eheschließungen und Sterbefällen sind mit Abstand die meist begehrten Auskünfte. Hierbei handelt es sich um Anfragen von Privat, aber auch Amtsgerichte, Genealogen, Rechtsanwälte oder auch die Gesellschaft für Grundstücksverwaltung.


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