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„Wahre Reform der Kirche beginnt bei jeder und jedem selbst“

Am Dienstag, wird Reformationstag gefeiert – oder doch Halloween? WochenKurier sprach mit Thomas Köhler, Superintendent des Kirchenkreises Niederlausitz.
Thomas Köhler, Superintendent des Kirchenkreises Niederlausitz. Foto: Archiv/sts

Thomas Köhler, Superintendent des Kirchenkreises Niederlausitz. Foto: Archiv/sts

Sup. Köhler, Dienstag ist der 31. Oktober: Reformationstag oder Halloween? Thomas Köhler: „Für mich ganz klar Reformationstag und das den ganzen Tag lang. Halloween, also der Abend vor Allerheiligen, wird ja nur am Abend begangen.“ Können Sie kurz erklären, was am Reformationstag gefeiert wird?
Köhler: „Nach der Überlieferung hat Martin Luther am 31. Oktober 1517 Thesen zur Reform der Kirche an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen. Er wollte damit zu einer Diskussion zur Reform der Kirche einladen. Später wurde dieser Tag zum Gedenktag der Reformation und ist zugleich Mahnung, dass Kirche sich immer wieder ändern muss.“ Und worauf wurzelt Halloween?
Köhler: „Halloween kommt von dem englischen Wort ‘All Hallows’ Eve’, was Abend vor Allerheiligen bedeutet. Allerheiligen ist ein katholisches Fest, an dem der Heiligen gedacht wird. Halloween kommt eigentlich aus Irland. Die Form des Festes jedoch, wie wir es kennen, stammt eher aus Amerika.“ Wir befinden uns aktuell im Jubiläumsjahr, begehen 2017 den 500. Jahrestag der Reformation: Welche Bedeutung hat für Sie persönlich der Reformationstag?
Köhler: „Wenn ich den Reformationstag feiere, erinnere ich mich an Jesus Christus als den Grund unseres Glaubens. Kirche soll auf ihn hinweisen. Da es seit der Reformation eine katholische und eine evangelische Kirche gibt, ist dieser Tag für mich auch immer ein Schmerz, dass beide Kirchen nicht zusammenkommen.“ Und worauf sollten sich die Menschen an diesem Tag besinnen?
Köhler: „Jesus Christus ist das Fundament der Kirche. Der Glaube an ihn macht mich frei, mein Leben zu gestalten. Nichts und niemand muss mir Angst machen.“ Martin Luther ist die zentrale Figur in der Reformation. Was ist für Sie die Leistung von Martin Luther?
Köhler: „Martin Luther hat die Bibel neu in den Mittelpunkt der Kirche gerückt. Durch die Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache hat er unsere gemeinsame deutsche Sprache geschaffen. Er hat uns Menschen in das direkte Gegenüber zu Gott gestellt, ohne dass es einer Vermittlung durch geweihte Personen bedarf.“ Wie würde demnach die Welt heute ohne Luthers Reformation aussehen?
Köhler: „Schwer zu sagen. Über den Verlauf der Geschichte kann man nur spekulieren. Auf jeden Fall würde es die evangelische Kirche nicht geben, zumindest nicht in der Form, wie wir sie heute kennen. Aber auch die katholische Kirche würde anders aussehen.“ Als Luther in den Kirchen seiner Zeit predigte, waren diese sehr gut gefüllt. Heute sind die Gotteshäuser meist nur zu kirchlichen Höhepunkten voll. Kann Kirche die Sehnsucht der Menschen nicht mehr erfüllen?
Köhler: „Wir sollten uns zunächst über unsere Sehnsucht verständigen. Haben wir eine gemeinsame, oder ist sie nur individuell für jede und jeden anders? Zudem haben wir heute das Gefühl, dass wir Menschen die Welt beherrschen. Es scheint so, als seien wir die Herren. Jedoch zeigen uns gerade Wetterunbilden der letzten Wochen, wie stark auch wir noch abhängig sind. Dass die Frage dennoch stehen muss, ob wir in den Kirchen die richtige Sprache sprechen, ist unbestritten. Auch für diese Frage gibt es den Reformationstag.“ Halloween ist ein Fest mit Spaßfaktor und zieht junge Leute an. Wie kann da die Kirche überhaupt mithalten?
Köhler: „Spaß gehört zum Leben und muss sein, ist jedoch nicht alles. Leider gibt es auch andere Zeiten und Situationen. Auch daran erinnert die Kirche. Der Glaube gibt Trost in schweren Zeiten. Nicht zufällig sind Kirchen voll in solchen Situationen, wie nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin oder dem Tod der Feuerwehrleute bei Lehnin.“ Im Handel ist augenscheinlich mehr Halloween als der Reformationstag vertreten. Müsste die Kirche ihre Reformation nicht besser vermarkten – auch abseits eines Jubiläums? Köhler: „Gerade in diesem Jahr war so viel Reformation, dass manche schon sagen: Es reicht. Vom Lutherpass über den Lego-Luther, den Kirchentag in Berlin, vielen Veranstaltungen an vielen Orten gerade am Reformationstag bis zur Weltausstellung in Wittenberg. Ansonsten ist Reformationstag kein Event, sondern eher ein Tag des Nachdenkens.“ Wie sollten religiöse Eltern sich verhalten, wenn ihre Kinder lieber als Gespenster verkleidet durch die Straßen ziehen wollen, anstatt der Reformation zu gedenken? Köhler: „Ich würde sie gewähren lassen, aber vielleicht ist ja vorher noch Zeit, in einen der Gottesdienste zu gehen und an die Reformation zu denken.“ Welche kirchlichen Angebote gibt es am Reformationstag im Kirchenkreis Niederlausitz? Haben Sie einen Geheimtipp? Köhler: „Neben etlichen regionalen Gottesdiensten wie in Lübbenau oder in Prießen bei Doberlug-Kirchhain oder in Straupitz gibt es nach dem Gottesdienst das nun schon traditionelle Lutherspiel in Luckau mit vielen Mitspielern. So wird der Bürgermeister von Luckau den Bürgermeister von Luckau spielen. Die Pfarrer von Luckau und der Umgebung werden mitspielen, Mitglieder der Kirchengemeinde und der Theaterloge sowie Besucher aus der Partnerkirchengemeinde Koblenz.“ Wie werden Sie selbst den 31. Oktober verbringen? Köhler: „Ich werde zunächst in Luckau als Kurfürst Friedricht der Weise mitspielen. Am Nachmittag werde ich ab 15.17 Uhr in Finsterwalde auf dem Marktplatz sein. Dort beginnt der Nachmittag mit Chorsingen und Lutherszenen. Es folgen bis 20.17 Uhr die Eröffnung eines Stelenweges, eine letzte Führung durch die Reformationsausstellung des Sänger- und Kaufmannsmuseums, ein Konzert des Chores ’Laudate‘ und Auszüge aus dem Pop-Oratorium Luther mit den Trinity-Gospels.“ Haben Sie ein Kiste Süßes im Haus, falls abends kleine Gespenster klingeln? Köhler: „Ja, das haben wir, aber ich selbst werde wohl erst später am Abend zu Hauses sein, so dass ich wahrscheinlich niemand begrüßen kann.“ Ihr letztes Wort…? Köhler: „Wahre Reform der Kirche beginnt bei jeder und jedem selbst.“ (Stefan Staindl)


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