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André Schramm

Ende Gelände

Bei einem Pressetermin zum IndustriePark Oberelbe (IPO) sind nicht nur die Gastgeber, sondern plötzlich auch die Gegner am Start. So wurde dann auf einem kalten Acker zwischen Pirna und Krebs hitzig diskutiert, Heidenaus Bürgermeister Lebensmittelentzug angedroht und nebenbei noch ein Loch gebohrt – an der richtigen Stelle.

 »Wie wäre es, wenn man Ihnen einen Monat lang die Lebensmittel wegnimmt«, fragt ein IPO-Gegner den Heidenauer Bürgermeister. Dieser antwortet etwas ironisch, dass es seinem Körper wahrscheinlich nicht schaden würde. Zu diesem Zeitpunkt ist die durchaus interessante Verwaltung-Anwohner/Gegner-Presse-(Polizei)-Begegnung unweit des A17-Zubringers längst warmgelaufen. Jürgen Opitz ist als Chef jenes Zweckverbandes vor Ort, der am Feistenberg ein interkommunales, 140 Hektar großes Industriegebiet errichten will. Pirna, Dohna und Heidenau haben das Bündnis letztes Jahr geschmiedet, die Landeshauptstadt Dresden stieß wenig später als Kooperationspartner dazu. Als Hauptgründe werden die gegenwärtig schlechte Wirtschaftsleistung und der demografische Wandel in der Region genannt. Die  Erschließungskosten für die Gewerbeflächen beliefen sich auf 110 Millionen Euro, sagt Christian Flörke, Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna und IPO-Projektentwickler. Und was haben jetzt Lebensmittel damit zu tun? »Es geht um Flächenversiegelung. Einmal zugebaut, stehen die Flächen nie wieder der Landwirtschaft zur Verfügung«, erzählt Sebastian Schmidt von der NABU-Regionalgruppe »Oberes Elbtal«.  Er hält den Standort für absolut ungeeignet, wegen seiner Hanglage und seiner wichtigen Funktion als Frischluftentstehungsgebiet. Unterstützung bekommt der Umweltschützer von Anliegern, Landwirten und IPO-Gegnern. »Ackerland in Bauernhand« und »Grün statt Beton« ist auf den Pappschildern zu lesen, die sie mitgebracht haben.

»Enteignung: Das schlechteste Mittel«

Der eigentliche Anlass, zu dem eingeladen wurde, sind sogenannte Baugrundvoruntersuchungen. Eine Meißner Firma treibt dazu an 15 verschiedenen Stellen im IPO-Revier ihren Bohrer jeweils in eine Tiefe von fünf Metern. Der Zweckverband erhofft sich daraus Erkenntnisse über die Gesteinszusammensetzung. Diese ist wiederum u.a. für die hydronumerische Simulation gedacht. Sie gibt Aufschluss darüber, wie sich das Oberflächenwasser verhält und wie man darauf baulich reagieren muss. »Mit dem Industriepark wird sich die Situation des Oberflächenwassers verbessern«, ist sich der Zweckverbandsvorsitzende sicher. Dass eine Bohrung irrtümlich auf einem falschen Grundstück durchgeführt wurde, lag an alten Plänen, in denen ein Flächentausch noch nicht verzeichnet war, hieß es.  Als der Landwirt von der Aktion auf seinem Acker Wind bekam, schickte er die Mitarbeiter hinfort. Das Grundstücksthema ist allerdings für den Verband ein ziemlich großes. »Wir sind bereits in ersten Verhandlungen zum Flächenankauf«, sagt Jürgen Opitz. Man wolle mit den Eigentümern und nicht gegen sie arbeiten, schiebt er hinterher. Deshalb sei der Teil 5 im Baugesetzbuch die denkbar schlechteste Lösung. Dort steht geschrieben, dass »die Enteignung im einzelnen Fall nur zulässig ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.« Auch die Satzung des Zweckverbandes bezieht sich darauf. Insgesamt umfasse das beplante Gebiet 240 Hektar. Allein 100 Hektar, so sagt Opitz, seien für Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen, Rad- und Wanderwege inklusive. »In der Pflege der Ausgleichsflächen sind wir auf die Landwirte hier angewiesen«, so der Verbands-Chef weiter. Ob man sich überall rechts und links des Zubringers die Mitarbeit erkaufen kann, wird die Zeit zeigen. Zu dem Projekt laufen derzeit auch drei Bürgerbegehren.

Autobahn, Zubringer, Südumfahrung & Co.

»Die Autobahn, der Zubringer, die Südumfahrung, der Industrie-Park und die Zugtrasse – irgendwann reicht es«, schimpft die Pirnaerin Anna Reimann. Sie hat allein in Heidenau 19 Brachen ausgemacht, die man stattdessen flott machen könnte. Was sie besonders ärgert, sei die Art und Weise, wie das Projekt bisher gelaufen sei. »Das ist im Prinzip durch. Wir können dank des Zweckverbandes nicht mitreden, uns dafür aber belehren lassen«, sagt sie. Fraglich sei auch, ob es überhaupt den Bedarf ansiedlungswilliger Unternehmen gebe.  »Konkret für den IPO nicht, für die Region aber schon«, meint Flörke.   Informationsveranstaltungen: Dohna (12. Februar, 18.30 Uhr, Aula der Oberschule);  Heidenau (19. März, 19 Uhr im Pestalozzi-Gymnasium).


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