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Nach Werksunfall: Neustart in Neundorf

Knapp fünf Jahre nach der Explosion im Chemiewerk Pirna-Neundorf wird der neue Reaktor schrittweise wieder hochgefahren. Die Sicherheitsvorkehrungen der »P1 Vielstoffanlage« liegen über den gesetzlichen Anforderungen.
Reaktor »an« (v.l.): Schill & Seilacher-Chef Dr. Rüdiger Ackermann, Staatssekretär Dr. Hartmut Mangold (Sächsisches Wirtschaftsministerium), Uwe Wunderlich (Kaufmännischer Direktor) und Werksleiter Dr. Uwe Dittrich bei der Inbetriebnahme der P1 Vielstoffanlage. Zunächst steht eine »Wasserfahrt« zu Testzwecken an. Foto: D. Förster

Reaktor »an« (v.l.): Schill & Seilacher-Chef Dr. Rüdiger Ackermann, Staatssekretär Dr. Hartmut Mangold (Sächsisches Wirtschaftsministerium), Uwe Wunderlich (Kaufmännischer Direktor) und Werksleiter Dr. Uwe Dittrich bei der Inbetriebnahme der P1 Vielstoffanlage. Zunächst steht eine »Wasserfahrt« zu Testzwecken an. Foto: D. Förster

Am 1. Dezember 2014 kommt es auf dem Gelände von Schill & Seilacher in Pirna-Neundorf zu einer folgenschweren Explosion. Trümmerteile fliegen durch die Luft, Fenster in der Nachbarschaft gehen zu Bruch. Ein Mitarbeiter stirbt, vier weitere werden verletzt. Schuld an der Katastrophe, so kommt später raus, sei menschschliches Versagen gewesen. Ein zerbeultes Stahlteil mit Inschrift erinnert seither an den tragischen Störfall.  

Zukunft des Werks stand auf der Kippe

Lange Zeit war nicht klar, ob und wie es in Pirna-Neundorf weitergeht. Die Zukunft des Standorts und seiner knapp 150 Arbeitsplätze hing an der Genehmigung für den Wiederaufbau seines Herzstücks. Das Unternehmen bekam zusätzlich Druck aus der Nachbarschaft, die unmittelbar neben der Fabrik beginnt. »Wir mussten das Vertrauen der Genehmigungsbehörden und Nachbarn zurückgewinnen. Zudem gab es in der Unternehmensgruppe nicht wenige Stimmen, die für eine Werksschließung waren«, erinnert sich Dr. Rüdiger Ackermann, Geschäftsführer der Schill & Seilacher Unternehmensgruppe. Am Ende gab es grünes Licht für den Wiederaufbau in modernisierter Form. Neue Standards in der Industrie gesetzt Ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept soll Werksunfälle in Zukunft unmöglich machen. »So werden in der P1-Vielstoffanlage nur noch Reaktionen gefahren, deren Energiepotential nicht ausreicht, um eine zerstörerische Explosion hervorzurufen«, sagte Werksleiter Dr. Uwe Dittrich. Auf eine Vielzahl von bisher genutzten Stoffen werde nun verzichtet. Ferner besitzt die Anlage explosionssichere Instrumente. Die wohl auffälligste Neuerung ist die Einhausung des Reaktors, die über Druckableitungsklappen und Fangnetze verfügt. »Mit dem Neubau liegen wir weit über den gesetzlichen Bestimmungen und setzen neue Standards in der Industrie«, erklärte Ackermann. Heiko Weigel, Baubeigeordnete des Landkreises, nannte die Chemieanlage eine der »vielleicht sichersten in Sachsen«. Und wenn sich eines Tages  doch Routine und damit Fehler einschleichen? »Um das zu verhindern, besitzt die Anlage nun einen hohen Automatisierungsgrad«, so Werksleiter Dittrich.  

Eigene Feuerwehr ist kein Thema mehr

In der Vielstoffanlage P1 wird Schill + Seilacher neben Produkten für die Kosmetik und die Verarbeitung von Leder für die Textil- und Faserherstellung sowie Additiven für Gummis und Kunststoffe vor allem zwei Produktgruppen produzieren: Stabilisatoren für Bauschäume und Katalysatoren für die Herstellung von Wärmeisolationspanelen. Weltweit gibt es nur etwa zehn Mitbewerber, allesamt mit Sitz in Niedriglohnländern. Bis die tatsächliche Produktion (Kapazität: unverändert 10.500 Tonnen pro Jahr) beginnen kann, wird noch eine Weile vergehen. Das Genehmigungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. »Jede einzelne Prozedur muss nun überprüft werden«, sagt Heiko Weigel. Er rechnet mit dem Produktionsstart frühestens in ein paar Monaten. Unterdessen ist auch die Diskussion um eine Werksfeuerwehr vom Tisch. »Insgesamt 18 Mitarbeiter hier am Standort Neundorf sind Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr. Im Ernstfall sind die Kameraden von außerhalb in drei bis fünf Minuten vor Ort. Deshalb haben wir eine Betriebsfeuerwehr nach mehreren Gesprächen mit Stadt und Feuerwehr ad acta gelegt«, so der Werksleiter.


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