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Ist die Luft da oben schon dünn, Herr Birk?

Sehr hohen Besuch im wahrsten Sinne des Wortes bekam jetzt der historische „Ratskeller“ in Dohna (erstmals 1817 eröffnet). Gastwirt Daniel Lindner (38) staunte nicht schlecht, als plötzlich ein Kerl wie ein Baum vor ihm stand: Thomas Birk (40), mit stolzen 2,17 m Sachsens längster Mann, schaute sich erstmals das historische Lokal auf dem Marktplatz von innen an. Der gebürtige Heidenauer war auf Heimaturlaub, arbeitet mittlerweile seit neun Jahren als Lokführer bei der S-Bahn in München.

„Ich habe mächtigen Appetit auf Kaffee und Kuchen“, tönt Goliath von oben herab. Sagt's und zieht vorsichtshalber den Kopf ein, um sich nicht den Scheitel am sandsteinernen Renaissance-Portal zu rasieren.
Lindner, fast 35 Zentimeter kleiner als sein Gast, zeigt sich beeindruckt: „So ein Hüne wie Sie ist ja für unsere Stadt eine echte Touristen-Attraktion. Sie dürfen künftig gern öfter kommen!“ Meinen auch die verblüfften Besucher im Gastraum und knipsen fleißig Selfies zur Erinnerung. Vor allem Tobias (4) macht große Augen: „Onkel, bist du etwa der Riese aus dem Märchen?“ Der schüttelt den Kopf und streicht dem Zwerg lächelnd übers Haar.
 
Dann setzt er sich an einen freien Tisch, fährt zufrieden die langen Beine aus. „So wenig Probleme wie hier unter diesem wunderbar restaurierten Kreuzgewölbe“, freut sich der XXL-Mann, während er einen Schluck aus der Kaffeetasse nahm, „habe ich sonst im täglichen Leben nicht.“ Dann erzählt Thomas von seinem kürzlichen Besuch in der Dresdner Frauenkirche, wo er sich schon am Eingang den Kopf an einem goldenen Kerzenleuchter stieß. Oder vom Versuch, sich ins enge Kirchengestühl zu zwängen. „Ich musste die Beine zum spitzen Winkel klappen, um nicht mit den Knien die Sitze vor mir auszuhebeln.“ Nur ganz oben, auf dem Rundgang um die Kuppel, zahlten sich seine Gardemaße wirklich aus. „Keiner sonst in der Menschenmenge hatte einen solchen traumhaften Panoramablick wie ich“. Keiner sonst konnte auch gleich sechs der insgesamt 281 Treppenstufen auf einmal nehmen... Kein Wunder mit Schuhgröße 50. Fazit nach einer knappen Stunde anstrengendem Kirchenbesuch: Drei Schrammen an der Stirn und schmerzende Gelenke. Trotzdem muss Thomas lachen: „Ich glaube fast, ich bin, vor allem von den im Verhältnis viel kleineren Japanern, mehr fotografiert worden als das berühmte Gotteshaus.“

Vor- und Nachteile
„Eine gewisse Übergröße sorgt aber auch gehörig für Respekt“, betont Thomas nicht ohne Stolz. Etwa, wenn Halbstarke im Zug randalieren. Dann baut er sich vor ihnen auf und reckt sich zu einem respektablen Turm. „Da werden sogar die bösesten Buben brav.“ Übrigens: Zu Hause in München sind Küchentisch und Herd 20 Zentimeter höher gelegt. „So muss ich mich nicht beim Kochen bücken und vermeide Rückenschmerzen.“ Beim Einbau des Mobiliars hatten ihm Vater Karl-Heinz (71) und Bruder Uwe (37) geholfen, die selbst 1,95 bzw. 2,05 m messen und sich mit den Problemen großer Menschen bestens auskennen. Wie zum Beispiel beim Baden, wo die Waden stets über den Wannenrand hängen. Oder im Auto, wo der lange Kerl die Blinker bequem mit den Knien bedienen könnte. Natürlich hat seine Übergröße auch angenehme Seiten. „Beim Renovieren in der Wohnung brauche ich keine Leiter, da kann ich aus dem Stand bequem die Decke streichen und die Wände tapezieren.“
Für den Ratskeller in Dohna ist Thomas Birk an diesem Tag der Star des Tages. „Vor dreihundert Jahren“, meint ein geschichtsbeflissener Graubart am Nachbartisch, „wären Sie bestimmt ins Potsdamer Garderegiment von König Friedrich I. in Preußen gezwungen worden.“ Thomas nickt vielsagend: „Die sogenannten langen Kerls, die mindestens 1,88 m groß sein mussten, hätte ich aber locker noch um einen Kopf überragt.“ Unter dem Gelächter der Lokalgäste verabschiedet sich dann Sachsens längster Mensch: „Wenn es mein Dienstplan erlaubt“, verspricht er noch, „reserviere ich telefonisch für den 24. Februar hier einen Tisch. An diesem Tag feiere ich nämlich meinen 41. Geburtstag.“ Vom Marktplatz aus wirft er noch einen Blick auf den um 1349 oberhalb des Restaurant-Eingangs in Stein gemeißelten Ritter Jeschke, dessen spannende Geschichte auch in der Speisekarte verewigt ist. Thomas mustert nachdenklich dessen Rüstung: „Mööönsch, waren diese Kerle damals klein, in deren Arbeitsanzug hätte ich nie und nimmer reingepasst...“ Hans Jancke


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