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André Schramm

Industriepark IPO: "Im Ungefähren"

Vieles über den geplanten »IndustriePark Oberelbe« (IPO) liegt noch im Dunkeln. Für das millionenschwere Projekt am Autobahnzubringer in Pirna (Feistenberg) wurde nun ein Bürgerbegehren gestartet. Oder dagegen?

 Lange Gesichter in der jüngsten Stadtratssitzung: »Mehraufwendung für die Verwaltungsumlage IndustriePark Oberelbe in Höhe von 326.568 Euro« heißt der Tagesordnungspunkt gegen Ende der Veranstaltung. In der Vorlage liest man von Planungskosten, die nicht förderfähig waren, Personalkosten, die erst beim Anlauf des Projektes genau bekannt wurden sowie Gutachter- und Sachverständigenkosten, u.a. zur Ermittlung der Grundstückswerte links und rechts vom Zubringer.  »Die haben noch nicht mal begonnen, aber schon Mehrkosten«, raunt es von der Besuchertribüne als Pirnas Oberbürgermeister sein 18-minütiges Plädoyer für die geplante Großinvestition am Feistenberg beginnt und damit um Zustimmung zur Beschlussvorlage bittet.

Miese Wirtschaftskraft, alternde Menschen

Klaus-Peter Hanke spricht von Überalterung der Bevölkerung im Landkreis, speziell in Pirna und der möglichen Lösung: Zuzug. Ein weiteres Argument für den Industriepark sei die geringe Wirtschaftskraft in der Region. »In Sachsen kommen durchschnittlich elf Unternehmen auf 1.000 Einwohner. Im Wirtschaftsraum Oberelbe sind es nur sieben«, sagt Hanke. Kein einziges Unternehmen hier habe über 500 Mitarbeiter, schiebt er hinterher. Auch gebe es mehr Dienstleistungs- als produzierendes Gewerbe.  Pirnas Stadtoberhaupt zitiert aus einem bundesweiten Ranking. Dort landete der hiesige Wirtschaftsraum nur auf Platz 380 von 402.  Auf der anderen Seite führt er die Arbeitskräfteverfügbarkeit an: 6.000 Geringbeschäftigte, 8.000 Auspendler, 3.700 Arbeitslose, 10.000 Pirnaer, die nach der Wende in den Westen sind. »Mindestens 20.000 Menschen stehen bereits heute ohne Zuwanderung als potentielle Arbeitskräfte zur Verfügung«, sagt Hanke. Im IPO sieht er eine Garantie für weitgehende Vollbeschäftigung, vor allem aber die Existenzgrundlage für künftige Generationen.

Hochqualifizierte Arbeitskräfte: Bitte wo?

»Es ist ein holpriger Start, wenn wir nach wenigen Monaten schon Hunderttausende nachschießen müssen«, meint Stadtrat Frank Ludwig. Den CDU-Mann plagen eine ganze Reihe offener Fragen. Eine davon ist zum Beispiel, ob die vorhandenen Arbeitskräfte tatsächlich für die hochbezahlten /-qualifizierten Jobs in der Industrie taugen? »Was passiert mit den Erlösen aus den Grundstücken«, will Dr. Thomas Gischke (WfP-FW) wissen. Er vermisst Modellrechnung für verschiedene Szenarien. Stadträtin Katrin Lässig (WfP-FW) interessiert sich für die Zusammenarbeit mit Dresden: Ist die nur ideell oder finanziell?  Tim Lochner (fraktionslos) hat keine Lust auf ständige Nachforderungen in Zukunft, weil Bodenspekulanten das dicke Geschäft wittern. Insgesamt scheint, und das wird ziemlich deutlich, die Informationsgrundlage äußerst dünn zu sein. Manch Stadtrat weiß überhaupt nicht, welche Auswirkung sein Stimmverhalten auf den weiteren Werdegang des ganzen Projektes hat.

»Ich bin nicht dagegen, aber...«

Dabei herrscht im Ratssaal keinesfalls Antistimmung gegenüber dem Industriepark. »Ich bin nicht gegen das Projekt«, ist ein häufig bemühter Satz an diesem Abend, der meistens mit einem »aber« weitergeht.  Oberbürgermeister Hanke verspricht mehr Transparenz in der Angelegenheit. Dass sein Amtskollege aus Dresden auf den Zweckverband zugekommen sei, sagt er auch. »Die größte zusammenhängende Fläche in Dresden beträgt nur sechs Hektar. Dort stehen aber Investoren auf der Matte, die größere Flächen benötigten«, erklärt Hanke. Mehr Transparenz wollen nach eigenem Bekunden auch die Mitglieder der »Bürgerinitiative Oberelbe«. Sie geben den Startschuss für das »Bürgerbegehren Feistenberg«. »Wir sind nicht gegen das Projekt, wollen aber, dass sich die Bürger darüber im Klaren sind, welche Chancen, aber auch welche Risiken in dem Großprojekt stecken«, sagt Daniel Szenes. Vorausgesetzt, es ist alles formal korrekt, hat das »Bürgerbegehren Feistenberg« ein Jahr Zeit, um 5 Prozent der Einwohner Pirnas (ca. 2000 Unterschriften) für einen Bürgerentscheid zu begeistern. Der Beschluss zu den Mehraufwendungen kommt am Ende durch – zähneknirschend in namentlicher Abstimmung. Zu den IPO-Entwicklungskosten (ca. 100 Millionen Euro) sagt Klaus-Peter Hanke noch einen Satz, der wohl bezeichnend war für die ganze Debatte: »80 Millionen Euro wird, will, möchte und hoffentlich soll der Bund dazuschießen – aus Euro- und Bundesmitteln.«


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