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Schutzgesetz sorgt für Unsicherheit

Das durch den Bundesgesetzgeber im September 2016 verabschiedete Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) sieht diverse neue Anmelde- und Erlaubnispflichten sowie gesundheitliche Pflichtberatungen für Prostituierte vor. Symbolfoto: Dmitri Maruta/fotolia.com

Das durch den Bundesgesetzgeber im September 2016 verabschiedete Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) sieht diverse neue Anmelde- und Erlaubnispflichten sowie gesundheitliche Pflichtberatungen für Prostituierte vor. Symbolfoto: Dmitri Maruta/fotolia.com

Bereits 2017 trat bundesweit das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Es soll klarere Regeln für das Geschäft mit dem bezahlten Sex schaffen und damit Zuhälterei und Zwangsprostitution erschweren. Doch dabei gibt es zwei Probleme. Zum einen wurde das Gesetzt in Sachsen lange nicht umgesetzt, weil das entsprechende Ausführungsgesetz fehlte. Zum anderen stoßen die im Gesetz enthaltenen Regelungen auf viel Kritik. So schrieb Katja Meier, gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, bereits im Januar: „Der Gesetzentwurf verkennt, dass das Kernelement und das Ziel des Prostituiertenschutzgesetzes der Schutz der Prostituierten vor Zwang und Ausbeutung und nicht die Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten ist. Leider wird dieses Ziel durch den vorliegenden Entwurf in Sachsen unerreichbar. Das Thema Prostituiertenschutz wurde komplett verfehlt. Es ist erschreckend, dass dieses Werk aus einem Sozialministerium kommt.“ Die Kritiker führen vor allem an, dass die im Gesetz verankerte Pflicht zur Anmeldung und Gesundheitsberatung viele Prostituierte in die Illegalität treiben könnten. Das sieht auch Barbara Lange aus Görlitz so. Sie vermietet mit dem Verein „Hautnah“ auf der Rosa-Luxemburg-Straße Zimmer an Prostituierte, kennt sich also in dem Geschäft aus. „Ich rufe seit 9 Monaten das Ordnungsamt an und frage, wie weit sie sind“, sagte Lange noch im Juni bei einem Gespräch mit dem WochenKurier. Antworten bekam sie lange keine. Vor allem die Ungewissheit verunsichere ihre Frauen. „Warum gibt es den Hurenpass, wenn mir keiner sagen kann, wem der am Ende gezeigt werden muss“, so Lange. Sie kritisiert auch, dass niemand ihr sagen konnte, wer die Anmeldebescheinigung (die im Gewerbe Umgangssprachlich als Hurenpass bezeichnet wird) ausstellt, wie sie letztlich zugestellt wird und was in ihr steht. Viele Frauen fürchten, dass die Bescheinigung per Post geschickt wird und eventuell dem Ehepartner oder den Kindern in die Hände fällt. Eine Angst, die dazu führen könnte, dass sich viele Frauen die Anmeldung sparen und illegal arbeiten. Und auch die Kosten könnten ein Grund sein, Anmeldung und Beratung sausen zu lassen. Denn ursprünglich war geplant, die Prostituierten dafür zur Kasse zu bitten. Ende Juni ist das Ausführungsgesetz im Landtag beschlossen worden. Auf einige der Fragen konnte der Landkreis jetzt also Antworten liefern. So teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit, dass die Anmeldebescheinigung „nach jetziger Sachlage durch das Ordnungs- und Straßenverkehrsamt ausgestellt“ wird. Für die Gesundheitsberatung entstehen den Prostituierten keine Kosten, für die Anmeldung werden 35 Euro fällig. Die Bescheinigung soll nur persönlich ausgehändigt werden, um die Privatsphäre zu wahren. Beinhalten wird die Anmeldebescheinigung laut Landkreis folgendes: Lichtbild; Name; Vorname oder Aliasname; Geburtsdatum; Geburtsort; Staatsangehörigkeit; die Länder oder Kommunen, für die die Prostitution angemeldet ist; Gültigkeitsdauer; ausstellende Behörde; Unterschrift der ausstellenden Person und Verwaltungsnummer. Die Anmeldebescheinigung haben die Sexarbeiter laut Sozialministerium immer bei sich zu führen und bei Kontrollen durch Ordnungsamt oder Polizei vorzuweisen. Kunden haben dagegen nicht das Recht, die Bescheinigung vorgelegt zu bekommen. Ein weiteres Problem, das auch in der Sitzung des Landtags im Juli zur Sprache kam, ist die Frage des Datenschutzes. Wo landen die Daten, die bei der Anmeldung aufgenommen werden? Und wer kann sie einsehen? Was passiert beispielsweise, wenn sich eine junge Frau oder ein junger Mann sein Studium mit erotischen Massagen oder Sex gegen Bezahlung finanziert? Können zukünftige Arbeitgeber diese Daten einsehen? All das ist in dem Bundesgesetz, das im Juli 2017 in Kraft trat, nur unzureichend geregelt und verschärft natürlich ebenfalls die Unsicherheit. Antworten gibt es darauf im Ausführungsgesetzt nicht. Sozialministerin Barbara Klepsch sagte vor der Abstimmung lediglich, dass man dazu mit den Kommunen im Gespräch bleiben will. Die Anmeldung und Gesundheitsberatung sollen theoretisch dazu führen, dass Behörden durch den regelmäßigen Kontakt erkennen können, ob Prostituierte in einer Notlage sind. Allerdings bezweifelt beispielsweise Sarah Buddeberg von der Partei Die Linke, dass die tatsächlich geschieht. Durch den Zwang fehle jedes Vertrauen. Außerdem seien die Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern gar nicht hinreichend geschult und wüssten nicht, wie im Falle einer vermuteten Notlage zu handeln sei. Auch die Frage der Kosten für Dolmetscher ist in dem Gesetz nicht hinreichend geregelt. Schätzungen zu folge sprechen aber 80 Prozent der in Deutschland tätigen Sexarbeiter kein Deutsch, Dolmetscher sind also in jedem Fall nötig, wenn der Sinn der Beratungsgespräche nicht völlig ad absurdum geführt werden soll.

Hintergrund

Prostitution ist in Sachsen in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Zwickau, Plauen und Görlitz (Städte mit mehr als 50000 Einwohnern) erlaubt. Das durch den Bundesgesetzgeber im September 2016 verabschiedete Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) sieht diverse neue Anmelde- und Erlaubnispflichten sowie gesundheitliche Pflichtberatungen für Prostituierte vor. Die spezifischen Ausführungsgesetze in den Bundesländern sollten im Idealfall am 1. Juli 2017 zusammen mit dem ProstSchG in Kraft treten. In Sachsen geschah das allerdings nicht. Erst im Juni 2018 wurde das Ausführungsgesetz beschlossen.


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