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Falsche Mahnungen und Gelenkkapseln für 1900 Euro

Die Verbraucherzentrale Görlitz hat Bilanz für das Jahr 2015 gezogen. Zu den bestimmenden Themen gehörten Inkasso-Abzocke, unerlaubte Telefonwerbung und Widerruf bei Immobiliendarlehen.

Ein nahezu unüberschaubares Produkt- und Dienstleistungsangebot auf einem immer undurchsichtigeren und vernetzten Anbietermarkt macht es vielen Verbrauchern fast unmöglich, möglichst optimale Entscheidungen zu treffen und eventuelle Fallstricke frühzeitig zu erkennen und zu umgehen. Auch durch die zunehmende Digitalisierung der Märkte wird das Spektrum der Verbraucheranliegen immer größer. Fragen zu Gewährleistung, Umtausch oder Gewinnversprechen gehören weiter zu den Dauerbrennern. Aber auch Probleme mit Fakeshops, Spam-Mails oder Vertragsabschlüssen im Internet nehmen in der Beratung einen immer größeren Raum ein. Bei den Beratungsthemen zeigte sich bei der Verbraucherzentrale Görlitz und ihrer Nebenstelle in Zittau ein ähnliches Bild wie schon 2015. So bezogen sich rund 41 Prozent der Anfragen auf Themen aus dem Bereich Markt und Recht, 35 Prozent fielen auf Finanzdienstleistungen und Versicherungen, 17 Prozent bezogen sich auf den Bereich Telekommunikation und Medien und rund sieben Prozent betrafen das Themenfeld Energie, Bauen und Wohnen.

Telefon-Abzocke

Zeitungsabo, Telekommunikations- oder Stromlieferverträge – sie alle werden gern am Telefon angeboten. Die unerwünschten und verbotenen Werbeanrufe gehörten auch 2015 zu den Themen, mit den sich viele Verbraucher herumschlugen und schließlich an die Verbraucherzentrale herantraten. Wie die VBZ Görlitz mitteilt, war dabei die MGN GmbH aus Dresden besonders erfolgreich. Eine Telefonumfrage zum Arzneimittelkauf mündete in der Bestellung einer Probepackung „Haut-, Kopf- oder Gelenkkapseln“. Preis: 19,99 Euro. Doch wenig später wurden die Betroffenen mit einem 24-monatigen Abo für Nahrungsergänzungsmittel konfrontiert. Prei: bis zu 1900 Euro. „Die Anrufer sind sehr geschickt, verwickeln die Leute zuerst in ein Gespräch und fragen zum Beispiel, wie zufrieden man mit seiner Apotheke sei und bieten dann an, eine Probepackung zuzuschicken“, sagt Katrin Pötschke von der Verbraucherzentrale. Im Fall der Dresdner Firma gelang es oft noch, durch einen Widerruf den Vertrag zu beenden. Teilweise wurde der aber wegen angeblicher Verspätung nicht akzeptiert und die Inkassoschreiben folgten.

Inkasso-Abzocke

Überhaupt waren Mahnungen durch Inkassobüros auch 2015 wieder ein großes Ärgernis für Verbraucher. Drohungen mit Zwangsvollstreckung, Gerichtsverfahren oder Schufa-Einträgen lösten enorme Ängste aus. In vielen Fällen waren die Firmen nicht einmal als Inkassodienst registriert, hinterließen keine Kontaktdaten und das Geld sollte auf ausländische Konten fließen. „Die Verbraucherzentrale hat in einer Bundesweiten Inkasso-Aktion eingegangene Anfragen und Beschwerden zum Thema gesammelt und Ausgewertet. Dabei bestätigten sich unsere Erfahrungen aus der Beratung. Über 50 Prozent der eingegangenen Inkassoforderungen waren unberechtigt“, so Katrin Pötschke. Flattert also ein Inkasso-Brief ins Haus gilt: Ruhe bewahren, Forderung gründlich prüfen und im Zweifel Fachleute um Rat fragen.

Immobiliendarlehen

Im Bereich Finanzdienstleistung war 2015 erneut der Widerruf bei Immobiliendarlehen das bestimmende Thema. Es dürfte aber bald vom Tisch sein, denn das Widerrufsrecht für bis 10. Juni 2010 abgeschlossene Immobilienkreditverträge ist erloschen, neue Verträge sind oft fehlerfrei. 

Haustürgeschäfte

Auch außerhalb von Geschäftsräumen versuchten Vertreter ihre Produkte an die Verbraucher zu bringen. So pries die Firma S.P. Luftbild aus Trebbin an der Haustür gerahmte Luftaufnahmen der Grundstücke an. Widerrufe der Verträge wurden mit dem Verweis auf eine individuelle Herstellung abgelehnt. Schaltete sich die Verbraucherzentrale ein, wurden die Verträge aber aus „Kulanz“ storniert.

Geldanlagen

Die anhaltende und sich weiter verschärfende Niedrigzinsphase führte zu einer starken Verunsicherung der Verbraucher. Sie wissen nicht mehr, wie sie ihr Geld sicher und mit annehmbarer Rendite anlegen sollen. In der Hoffnung auf eine höhere Rendite lassen sich viele von den Zinsversprechen der Anbieter auf dem grauen Kapitalmarkt verleiten. Ein grüner Anstrich mit Wind oder Solar macht die Produkte in Zeiten der Energiewende nochmal attraktiver. So schlugen Verbraucher beispielsweise bei Angeboten der SunRise Energy GmbH zu. Dabei handelte es sich um partiarische Darlehen. Heißt: Anleger überlassen dem Anbieter Geld, bekommen dafür Zinsen und einen Anteil am Gewinn. Ein enormes Risiko, das bis hin zum Totalverlust des Geldes reicht. Viele Verbraucher realisierten das allerdings erst, als die versprochenen Zinsen ausblieben.

Bankentgelte

Egal ob Bearbeitungskosten bei Verbraucherkrediten, Abschlussgebühren bei Bausparverträgen oder Kontoführungsgebühren: Bankentgelte waren auch im Jahr 2015 immer wieder ein stark nachgefragtes Beratungsthema. So wurde beispielsweise einer Verbraucherin, nachdem die Bank das Immobiliendarlehen gekündigt hatte, eine Vorfälligkeitsentschädigung berechnet. Kündigt die Bank, steht ihr aber nur der Verzugszins in Höhe von 2,5 Prozent über dem Basiszinssatz zu. Eine Beratung bei der Verbraucherzentrale und ein Schreiben an das Kreditinstitut später verzichtete die Bank auf ihre Forderungen.

Telefon- und Internetverträge

Die Beschwerden zu Telefon- und Internetverträgen waren 2015 wieder zahlreich und vielfältig. Unter anderem gehörten überhöhte Rechnungen, nicht vertragsgemäßes Verhalten, Schwierigkeiten beim Anbieterwechsel und Premiummitgliedschaften fürs E-Mail-Postfach zu den Problemen, mit denen sich die Menschen an die Verbraucherzentrale wandten. Viele Fragen drehten sich um Abbuchungen von Drittanbietern. „Oft merken Verbraucher gar nicht, dass sie kostenpflichtige Apps oder Abos heruntergeladen haben. Schauen sie dann nach Monaten mal wieder auf ihre Telefonrechnung, folgt das böse Erwachen“, sagt Katrin Pötschke. Denn die Rechnungen kommen heute oft nur noch per Mail, nicht jeder kontrolliert daher jeden Monat den zu zahlenden Betrag, das sich viele in dem Glauben wähnen, dank Flatrate sowieso immer den gleichen Betrag zu zahlen. Eine einfache Lösung bietet hier die Drittanbietersperre. Die muss der Kunde aber bei Anbieter einfordern, da sich nicht automatisch eingerichtet wird.

Spam- und Phishing

Ungebrochen war auch die Flut gefälschter Rechnungen und Mahnungen, die in E-Mail-Postfächern landeten. Dank korrekter Ansprache, kopiertem Firmendesign und Logos und der richtigen Firmenbezeichnung sehen die Betrugsmails dabei zunehmend echter aus. Die Verbraucherzentrale rät hier, keine Anhänge zu öffnen und solche Mails zu löschen. Und ist man doch mal unsicher, kann ein Anruf beim Unternehmen helfen.


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