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Zimmis Einwurf – Der heimliche Star ist gegangen

Wer ist eigentlich die Witzfigur? Der, der gnadenlos provozieren wollte und sich auf den Olymp der Gehässigkeit gehievt hat. Oder derjenige, der ruhig und gelassen reagiert und den Störenfried einfach zu Kaffee und Kuchen und dazu noch zu einem Fußballspiel der Leidenschaften eingeladen hat. Natürlich der Besonnene, also die Sportgemeinschaft.

Als hätte sie, die Chefsekretärin Gitta Müller noch einmal die Zügel in der Hand gehabt. Ein letztes Mal, so wie sie immer die Ruhe ausgestrahlt hat. Immer, in den hektischen Zeiten, in denen Dynamo ohne Zwischenhalt in den Abgrund sauste. An jenem Tag, als die Staatsanwaltschaft vor der Tür im so genannten Weißen Haus stand und um Eintritt bat. Vorher war ihr Chef Otto verhaftet worden. Dem hatte sie immer die kleinen Sahne-Näpfchen aufgemacht, wenn er gerade mal wieder wutschnaubend und völlig außer Atem in ihr Zimmer im zweiten Stock rein gepoltert kam. Oder sie legte einen Judoka auf dessen Kreuz. Er solle sich erst einmal in aller Ruhe hinsetzen und nachdenken. Der junge Mann hatte behauptet, er wäre der neue Präsident und müsse alle wichtigen Unterlagen einfach mal mitnehmen. Sie nahm auch lächelnd die Strumpfhosen vom selbst ernannten Star-Trainer Schafstall entgegen und wunderte sich nicht. Warum auch? Seit den Fünfzigern brachten Wessis, die was wollten, Strumpfhosen in die DDR mit. Sie erlebte aber auch die Herzlichkeit eines Christoph Franke, der einfach mal die Sportgemeinschaft vor dem Sterben bewahrte. Am Tag ihres Abschieds im alten Casino des alten Rudolf-Harbig-Stadions war es wahnsinnig heiß. Für einen Tag hatten die Fans ein Spruchband gezogen, das einfach nur den Dank ausdrücken sollte – für den eigentlichen, heimlichen Star der SGD. Jetzt ist Gitta gegangen. Es lässt uns frösteln.

Ihr Gert Zimmermann


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