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André Schramm

Onlinehandelbetrug: LKA Sachsen sprengt Ring

Das Landeskriminalamt Sachsen und die Staatsanwaltschaft Dresden haben einen internationalen Ring im Versandhandelbetrug aufgedeckt. Der Schaden geht in die Millionen.

 Der 12. Juni 2018 war nicht nur für die Beamten an der Neuländer Straße ein besonderer Tag. Auch in Polizeidienststellen in der Ukraine, Großbritannien, Litauen und weiteren Ländern lief an dem Dienstag zeitgleich der Actionday »Atlantis« an. Mehr als fünf Jahre Ermittlungsarbeit waren dem Einsatz vorausgegangen, die Erwartungen dementsprechend hoch. Das Hauptziel: Der Drahtzieher eines Netzwerks, das nachweislich bis heute 18 Millionen Euro Schaden durch Versandhandelsbetrug verursacht hat, hauptsächlich in deutschen Onlineshops, selbst in Dresden. Der russisch/moldawische Kopf der Bande wird in einer Villa auf Zypern festgenommen – unter den Augen sächsischer Beamter. Sein Szenename: »Exemption«. In der Nähe von Würzburg,  in der Schweiz und Litauen klicken ebenfalls die Handschellen. Bis zum 15. Juni werden insgesamt 31 Wohnungen- und Geschäftsräume im In- und Ausland durchsucht – alles koordiniert von Europol und Eurojust in Den Haag.

Warenagent: Wenig Arbeit, viel Geld

 Es ist kein neues Phänomen. Spätestens seit 2012 liest man hin und wieder von sogenannten »Waren- bzw. Paketagenten«. Das sind Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten, darunter Rentner, Leute mit und ohne Arbeitsverhältnis, aber auch Studenten. »Sie werden über Annoncen im Internet bzw. Mails für einen vermeintlich einfachen Job angeworben«, sagt Petric Kleine, Chef des LKA Sachsen. Die Aufgabe der Warenagenten besteht darin, ein Paket in Empfang zu nehmen, dessen Inhalt zu prüfen, es ggf. umzupacken, zu frankieren und an eine Adresse im Ausland weiter zu schicken. »Dafür wird ein Verdienst zwischen 400 bis 1.500 Euro pro Monat in Aussicht gestellt«, erzählt Kleine weiter. Um keinen Verdacht zu wecken, wurden die »Logistik-Assistenten«, »Versand- oder Paketmitarbeiter«, »Testkäufer« und »Controller« allesamt in dem Glauben gelassen, dass eben jene Shops nicht ins Ausland liefern, dieser Zwischenhalt also notwendig sei. Arbeitsverträge und das firmeneigene Onlinesystem – alles wirkte sehr professionell. Selbst die Frankierung für den Weiterversandt war so geregelt, dass niemand finanziell in Vorleistung gehen musste. Shoppingtour mit fremden Daten Die Bestellungen selbst hatten im Schnitt ein Warenwert von 500 Euro. Spielekonsolen, Laptops, Kameras, Smartphones, Drohnen und vieles mehr gingen so auf die Reise, meist über weitere Warenagenten im Ausland bis zum Ziel, irgendwo in Osteuropa oder gar Vietnam. Dort standen sie wenig später auf Online-Plattformen zum Verkauf. Allerdings wurde die Shoppingtour hierzulande mit geklauten  Kreditkartendaten und gehackten Paypal-Konten finanziert, und das kam irgendwann raus. Die Warenagenten wurden nach vier bis sechs Wochen »fallen gelassen«, durch ihre Lieferadresse aber schnell Ansprechpartner für die Versandhäuser und eben auch die Polizei. Der Vorwurf: Geldwäsche. Vom versprochenen Lohn hat fast keiner etwas bekommen. Dafür aber eine Menge Ärger. Bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe steht auf leichtfertige Geldwäsche, auf schwere sogar bis 10 Jahre.

Die Ermittlungen

2012 zeigte sich ein Warenagent in München selbst an. Er brachte die Ermittler auf die Spur eines weiteren Warenagenten in Dresden. Die Ermittlungen liefen damals noch unter Federführung der Polizeidirektion Dresden.  Als ersichtlich war, dass es sich um internationale, bandenmäßige Kriminalität handelt, zog sich das LKA Sachsen die Sache auf den Tisch.  Aus den anfänglich 350 Logistikhelfern in der BRD wurden bis heute 2000 bekannt gemacht. Schnell war klar, dass den Drahtziehern nur mit Hilfe der Behörden  im Ausland das Handwerk zu legen ist. Die Hilfeersuchen der Sachsen liefen allerdings zunächst mehr oder weniger ins Leere. Unterstützung kam überraschend aus Litauen, wo ebenfalls Ermittlungen dazu liefen.   Eine Joint Investigation Team (zwischenstaatliche Ermittlungsgruppe) wurde gegründet. Für LKA-Chef Klein zeigt der Fall, dass die vorhandenen Möglichkeiten über Europol und Eurojust wirksam sein können, wenn man einen langen Atem und eine engagierte Staatsanwaltschaft an der Seite hat. Eingebunden waren auch die IT-Spezialisten des »CyberCrimeCompetenceCenterSachsen«. Das Gros der Arbeit kommt allerdings noch: Es müssen u.a. Unmengen an Daten gesichtet werden. Auch die Verknüpfung illegaler Abbuchungen mit den bestellten Waren dürfte dauern. "Mister Exemption" wartet derweil auf seine Auslieferung. Gegen einen sogenannten "Stuffer" (Besorger von Kreditkartendaten und Besteller) aus Dresden läuft bereits ein Verfahren. Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt noch minderjährig. Warenkreditbetrug Im Jahr 2017 gingen bei der sächsischen Polizei insgesamt 12.500 Anzeigen ein, die im Zusammenhang mit Warenkreditbetrug standen.


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