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Mehr Zeit für unsere Senioren

Weniger Bürokratie, mehr Zeit für die Menschen: Das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II) sorgt nach über 20 Jahren für eine längst überfällige Reform im Pflegesystem. In den stationären Einrichtungen blickt man grundsätzlich positiv in die Zukunft, ein wenig Unbehagen bleibt dennoch.
Hildegard Weber (l.) und Pflegehilfskraft Kathrin Beyer im Seniorenzentrum „Am Gorbitzer Hang“. In der stationären Pflege bleibt künftig mehr Zeit für die Bewohner. Foto: Schramm

Hildegard Weber (l.) und Pflegehilfskraft Kathrin Beyer im Seniorenzentrum „Am Gorbitzer Hang“. In der stationären Pflege bleibt künftig mehr Zeit für die Bewohner. Foto: Schramm

Für das Management, aber auch für die Mitarbeiter im ASB Seniorenheim „Am Gorbitzer Hang“ ist das PSG II schon länger ein Thema. Das Personal wurde geschult, das Abrechnungssystem umgestellt, sogar eine Projektgruppe war erforderlich, um die vielschichtigen Veränderungen ab 2017 in die Praxis umzusetzen.

„Tatsächlich ist das PSG II eine grundlegende und längst überfällige Reform seit 21 Jahren“, sagt Ulrich Grundmann, Geschäftsführer der ASB Dresden & Kamenz gGmbH.
Dass der Gesetzgeber Schwierigkeiten hat, das Gesetz „sauber rüber“ zu bringen, schiebt der Geschäftsführer gleich hinterher. Er erzählt von furchtbar komplizierten Informationsschreiben an die Bewohner, deren Inhalt sich selbst den Experten nur mit Mühe erschließt. Mitwirkungspflicht besteht Künftig rücken an die Stelle der Pflegestufen sogenannte Pflegegrade (1 bis 5). Die Überführung erfolgt weitestgehend automatisch. Bei Bewohnern, die auf finanzielle Leistungen angewiesen sind, besteht allerdings eine Mitwirkungspflicht. Eigenanteil „Pflege“ Im Gorbitzer Seniorenheim betrifft das etwa 20 bis 30 Prozent der insgesamt 240 Bewohner. Für die Überführung wurde ein pauschales Verfahren gewählt. „Das heißt, es ist dafür keine gesonderte Begutachtung vorgesehen“, sagt Grundmann. Ein Beispiel: Wer bislang in der Pflegestufe 1 und an einer Demenz erkrankt war, bekommt ab 2017 den Pflegegrad 3. Hinzu kommt, dass der Eigenanteil „Pflege“ in den Pflegegraden 2 bis 5 immer gleich bleibt. „Gerade die Höherstufung  hat in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten geführt, auch in der Familie der Seniorin bzw. des Seniors“, sagt Grundmann. Außerdem soll niemand durch die Reform schlechter gestellt werden als bisher, so verspricht es das Gesetz. Entbürokratisierungsprojekt Die wohl spürbarste Neuerung wird der Fortgang von der verrichtungsorientierten hin zur  bewohnerorientierten  bzw. beziehungsorientierten Pflege sein. Der ASB hat sich mit seinen Einrichtungen daher freiwillig zu einem Entbürokratisierungsprojekt angemeldet, wie knapp die Hälfte aller 12.400 Pflegeheime in Deutschland. 
„Die Dokumentation der Arbeit ist die letzten Jahre immer mehr ausgeufert. Das führte dazu, dass für die eigentliche Pflege weniger Zeit zur Verfügung stand“, erzählt Grundmann.
Mitunter hätten die Aufzeichnungspflichten bis zu 20 Prozent der Arbeitszeit aufgefressen. Künftig soll sich die Dokumentation nur  auf die Abweichungen vom Pflegeplan beschränken, dafür aber den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Bewohners mehr Raum geben.
„Indem wir den Blick nicht auf Defizite, sondern auf die Fähigkeiten des Bewohners lenken, helfen wir ihm, so lange wie möglich aktiv zu bleiben. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir ihm bei Essen unterstützen und nicht füttern“, erklärt der Geschäftsführer. 
Dass die Umsetzung des PSG II nur mit mehr Personal funktionieren kann, lag für den ASB auf der Hand. Der Verband trat recht früh  in die Verhandlungen über einen besseren Personalschlüssel mit den Pflegekassen und gehört damit zur Minderheit. Von den 600 sächsischen Pflegeheimen sind nur etwa 20 Prozent diesen Weg gegangen. Die Mühe hat sich gelohnt. Die Personaldecke wächst zum Jahreswechsel in Gorbitz um zehn Prozent. Ob die gute Personalausstattung jedoch von Dauer ist, weiß niemand. „Die pauschale Überführung in Pflegegrade sorgt dafür, dass wir zunächst einen hohen Anteil von Bewohnern mit hohen Pflegegraden und viel Leistung haben“, sagt Grundmann. Wie das in zwei drei Jahren aussieht, vermag derzeit niemand vorauszusagen. (A. Schramm)


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