Seitenlogo
sst

Wiedervereinigung war der Auftakt für eine Erfolgsgeschichte

Das Jahr 2020 ist ein Jubiläumsjahr für die BASF Schwarzheide GmbH. Vor 30 Jahren hat der Chemiekonzern BASF das Synthesewerk Schwarzheide übernommen. Darüber und über die Klimaschutzziele des Unternehmens spricht Jürgen Fuchs, Vorsitzender der Geschäftsführung der BASF Schwarzheide GmbH, im WochenKurier-Interview.

Der BASF Schwarzheide GmbH steht ein Jubiläum bevor. Vor drei Jahrzehnten hat am 25. Oktober der Chemiekonzern BASF das Synthesewerk Schwarzheide übernommen – die Geburtsstunde Ihres heutigen Arbeitsplatzes. Was bedeutet das Jubiläum für Sie? Im Herbst 2020 blicken wir nicht nur zurück auf 30 Jahre Unternehmensgeschichte, sondern feiern ebenso 30 Jahre deutsche Wiedervereinigung, die den Auftakt für die Erfolgsgeschichte von BASF in Schwarzheide bildet. Heute ist der Standort einer der größten BASF-Produktionsstandorte in Europa und weiter auf Wachstum ausgerichtet. Das Engagement und die Leistungsbereitschaft unserer Mitarbeiter haben die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahrzehnte ermöglicht. Das 30. Jubiläum ist der richtige Anlass, um innezuhalten, zurückzublicken und auf das bisher Erreichte stolz zu sein. Jetzt ist aber auch die Zeit, nach vorn zu schauen und mit innovativen, neuen Produkten und Technologien die Weichen für die Zukunft des Standorts zu stellen. Wie schon nach der Wende 1990 übernehmen wir als Unternehmen auch heute in Zeiten des Strukturwandels Verantwortung und leisten unseren Beitrag für eine wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung der Lausitz. Mit der Übernahme im Jahr 1990 hat die BASF am Industriestandort Schwarzheide einen Neuanfang eingeleitet und damit bis heute eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Sie selbst sind seit dem 1. Oktober 2016 in Schwarzheide als Geschäftsführer tätig. Wie stark fühlen Sie sich mit der Geschichte des Standortes verbunden?
Ohne Vergangenheit keine Zukunft. Der Chemiestandort Schwarzheide besteht seit 85 Jahren. Wir finden es wichtig, die Unternehmensgeschichte zu würdigen, dazu gehört auch die Zeit vor der Übernahme durch BASF. In unserem unternehmenseigenen Museum ›rückblicke‹ machen wir die Geschichte des Standortes mit über 100 originalen Exponaten erfahrbar. Über die Jahrzehnte hat sich das Produkt-Portfolio immer wieder gewandelt. Was geblieben ist, ist die Tradition und Expertise unserer Mitarbeiter in der Herstellung von Chemieprodukten. Dieser Erfahrungsschatz ist bis heute ein großer Standortvorteil. Die Investitionen in Produktionsanlagen und Infrastruktur, die BASF seit 1990 getätigt hat, sind das starke Fundament, auf dem wir weiterwachsen werden. Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen. Welche sehen Sie aktuell als Vorsitzender der Geschäftsführung der BASF Schwarzheide GmbH?
Die Zeichen stehen für uns auf Wachstum – allen scheinbaren Unwägbarkeiten und der wirtschaftlich angespannten Lage zum Trotz. Die BASF zeigt ihr Vertrauen in den Lausitzer Produktionsstandort mit dem Bau einer der zukunftsträchtigsten Neuanlagen weltweit: der neuen Fabrik für Kathodenmaterialien, die 2022 in Betrieb gehen soll. Hier müssen wir unser Können und unsere Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Zeitgleich arbeiten wir darauf hin, erneuerbare Energien in die Energieversorgung unseres Standorts zu integrieren. Wirtschaftlich gelingt uns das jedoch nur, wenn der Gesetzgeber den regulatorischen Rahmen schafft, grünen Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen nutzen können. Zusätzlich beschäftigt auch uns aktuell die Corona-Pandemie. Keiner weiß, wie lange sie uns noch begleiten und wie sie die Auftragslage und damit unsere Produktion weiter beeinflussen wird. Im März dieses Jahres standen wir beispielsweise vor der Herausforderung innerhalb kürzester Zeit mehr als 450 unserer Mitarbeiter von zuhause aus arbeitsfähig zu machen. Dank guter IT-Ausstattung, einer sehr guten sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit mit unserem Betriebsrat und der großen Flexibilität und Solidarität, die die Mitarbeiter in dieser Ausnahmesituation an den Tag gelegt haben, ist uns das gelungen. Aus diesen Erfahrungen wollen wir lernen, um zukünftig als Organisation noch agiler und widerstandsfähiger zu werden.   Der BASF-Standort in Schwarzheide ist nicht nur erfolgreich, sondern engagiert sich auch für die Umwelt und für den Klimaschutz. Bis 2030 will die BASF-Gruppe die Produktion deutlich steigern, ohne dabei die CO2-Emissionen zu erhöhen. Mit welchen Mitteln wollen Sie dieses Ziel erreichen und wie greifbar ist dieses Ziel bereits heute? Wir setzen auf die Integration von erneuerbaren Energien, auf verbesserte Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft, um uns als Nachhaltigkeits-Champion innerhalb der BASF-Gruppe zu positionieren. Nicht nur wir haben Nachhaltigkeit fest in unserem Unternehmenszweck verankert, auch unsere Kunden verlangen zunehmend nach nachhaltigen Produkten. Um Wachstum ressourcenschonend zu gestalten und Kreisläufe zu schließen, arbeiten wir beispielsweise seit 2020 mit dem Ansiedler Tradebe zusammen. Das spanische Unternehmen ist spezialisiert auf die Rückgewinnung von Lösungsmitteln aus Abfallströmen, die wir dann wiederum in den Produktionsprozess einbringen. Somit verringern wir den Bedarf an neuen Rohstoffen, reduzieren Abfallströme und schaffen Arbeitsplätze am Standort. Auch in Sachen Energiewende sind erste Schritte bereits getan. Wir investieren aktuell 73 Millionen Euro in die Modernisierung unseres Gas- und Dampfturbinenkraftwerkes. Wir werden damit Energie- und kosteneffizienter. Gleichzeitig sind wir nach der Modernisierung in der Lage, unser Kraftwerk flexibler zu betreiben, das heißt, wir können Schwankungen besser abfangen und unser Kraftwerk binnen Minuten hoch- oder runterfahren. So schaffen wir die Voraussetzung, den volatilen Strom aus Wind und Sonne für die Versorgung der Produktionsanlagen einbinden zu können. Warum liegt Ihnen die Nachhaltigkeit so sehr am Herzen? ›We create chemistry for a sustainable future‹, das ist der Unternehmenszweck der BASF und zugleich ein Versprechen an kommende Generationen. Wir definieren Nachhaltigkeit als einen Dreiklang von Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Das ist der rote Faden, der unser Handeln auch in Schwarzheide leitet. Unsere Chemieprodukte sind der Ausgangsstoff für eine Vielzahl von Gütern des alltäglichen Bedarfs. Mit innovativen, CO2-armen Produktionsverfahren können wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette einen großen Unterschied bewirken und einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen. Das motiviert ungemein. Das Thema Nachhaltigkeit hat für mich aber auch eine ganz persönliche Dimension: Ich als Familienvater möchte, dass auch meine Kinder und Enkel einen lebenswerten Planeten vorfinden. Am Lausitzer BASF Standort wird es zukünftig eine Anlage zur Produktion von Batteriematerialien geben. Welche Bedeutung hat die neue Anlage für den Industriestandort Schwarzheide? Die neue Anlage in Schwarzheide ist Teil eines mehrstufigen Investitionsplans zum Aufbau der europäischen Wertschöpfungskette für Elektrofahrzeuge. Sie wird durch die öffentliche Hand gefördert, als ›wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse‹. Den Zuwendungsbescheid von Bund und Land konnten wir im August entgegennehmen. Die Förderpolitik unterstreicht die Agenda der Europäischen Kommission, eine eigene europäische Wertschöpfungskette im Bereich der Elektromobilität aufzubauen und damit in Europa unabhängiger von Importen zu werden. Für Schwarzheide bedeutet der Bau der Kathodenmaterialfabrik nicht nur die größte Einzelinvestition seit Bestehen des Standortes, sondern hier entstehen auch 150 neue Arbeitsplätze. Mit den Tiefbauarbeiten haben wir bereits begonnen. Mit unserem sehr innovativen Kathodenmaterial wollen wir die Leistung von Batterien maßgeblich steigern und somit klimafreundlicher Mobilität Vorschub leisten. Durch die regionale Produktion kombiniert mit erneuerbaren Energien und dem Einsatz energieeffizienter und firmeneigener Produktionstechnologien können wir den CO2-Fußabdruck des Kathodenmaterials erheblich reduzieren. In einem nächsten Schritt werden wir uns auch dem Recycling von Batteriematerial zuwenden. Sie sind mit der Philosophie in Ihr Amt eingetreten, mit den Menschen gemeinsam Ziele zu erreichen, sie mitzunehmen, sie zu begeistern und mit ihnen im Dialog zu stehen. Sie wollten einen Team-Spirit erzeugen. Inwiefern sind Sie diesem Ziel näher gekommen? Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen großen Unterschied macht, ob Menschen ›nur‹ zur Arbeit erscheinen oder ob sie bei ihrer Tätigkeit das Gefühl haben, mitzugestalten, zu etwas Größerem, etwas Sinnvollem beitragen zu können. Wir haben deshalb in den vergangenen Jahren viele von Mitarbeitern getragene Initiativen gestartet, beispielsweise zu Themen wie Nachhaltigkeit oder ganz aktuell zum Schwerpunkt Neues Arbeiten/Arbeiten 4.0. Die Mitarbeiter anzuspornen, sich einzubringen und eigenverantwortlich zu handeln ist für uns ein Rezept, wie wir die nötige Agilität erreichen, um auf sich ständig verändernde Anforderungen im Geschäftsumfeld erfolgreich und schnell reagieren zu können und damit unsere Zukunftsfähigkeit des Standortes zu erhalten. Zusätzlich widmen wir uns intensiv dem Thema Führungskultur. Wie wichtig gute Führung ist, sehen wir gerade in der Corona-Krise, in der gute Zusammenarbeit und Zusammenhalt in der Mannschaft entscheidend für den Erfolg ist. Die BASF hat die Chance und das Potential, den Strukturwandel in der Lausitz nach dem Kohleausstieg aktiv mitzugestalten. Wo sehen Sie hierfür die besten Ansatzpunkte? Wir können nicht warten, bis das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gegangen ist, sondern haben bereits begonnen die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die traditionsreiche Energieregion Lausitz hat die Chance, sich neu zu erfinden. Erneuerbare Energien und Elektromobilität sind zwei Trends, die wichtige Impulse für den Wandel sein werden. Zusätzliche Chancen eröffnet die geografische Lage. Schwarzheide hat von der Lage her eine einzigartige Möglichkeit zur Logistikdrehscheibe für den kombinierten Verkehr für Westeuropa und Eurasien zu werden. Über die Schiene liegen wir als erster Anlaufpunkt für den Güterverkehr auf deutschem Boden an der ›Neuen Seidenstraße‹, mit einer Direktverbindung bis nach China. Güterzüge mit BASF-Produkten nehmen diesen Weg bereits heute. Entscheidend für den Erfolg wird auch sein, ob wir es schaffen, den Fachkräftebedarf zu sichern und dem demografischen Wandel zu begegnen. Deshalb setzen wir uns ein für hervorragende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Region und unterstützen das Entstehen des ›Leistungszentrum Lausitz‹. Darüber hinaus engagieren wir uns in vielen Initiativen und Gremien. Die Wirtschaft wird für den erfolgreichen Strukturwandel eine entscheidende Rolle spielen. Hier gilt es gemeinsam mit den Gebietskörperschaften und der Politik die Projekte voranzubringen, die wirtschaftliche Ansiedlung attraktiv macht. Gleichzeitig muss die Lebensqualität in der Lausitz so attraktiv sein, dass sich Menschen, und damit Fachkräfte, hier ansiedeln und leben möchten. Können Sie bereits verraten, wie das Jubiläum »30 Jahre BASF in Schwarzheide« in diesem Jahr gewürdigt oder gefeiert werden soll? Anlässlich des Jubiläums wird noch in diesem Jahr der siebte und damit jüngste Band unserer Unternehmenschronik erscheinen, der die Jahre 1996 bis 2007 beleuchtet. Bis zum 25. Oktober ist zudem unsere Doppelausstellung in Zusammenarbeit mit der Kunstsammlung Lausitz im Museum Schloss und Festung Senftenberg sowie dem Kulturhaus in Schwarzheide zu sehen. Auch die Kunstsammlung blickt auf 30 Jahre herausragende Förderpolitik und Sammlungsgeschichte zurück – Grund genug für uns hier die Kräfte zu bündeln und den Liebhabern bildender Kunst in der Region eine Sonderschau zu bieten.


Meistgelesen