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Peter Aswendt

Zwei Fahrgemeinschaften auf Fontane-Tour

„Fontane am Zug“ heißt das diesjährige Spektakel der neuen Bühne Senftenberg. Ungewöhnliche Spielorte und ein mit Herzblut agierendes Ensemble machten das Senftenberger Theaterfest zu einem einmaligen Erlebnis.

Im Vorfeld wurde viel über den besonderen Spielort des diesjährigen Spektakels der neuen Bühne Senftenberg geschrieben. Nicht jeden Tag wird ein Bahnhof nebst Güterabfertigungsstrecke zur Theaterbühne. Aber die Reiselust des Theodor Fontane forderte es geradezu heraus, dass zu seinem 200. Geburtstag ein Bahnhof die Kulisse für den theatralischen Einblick in sein Leben bildet. Und so freute sich auch Intendant Manuel Soubeyrand, natürlich mit einem Augenzwinkern, dass die Bahn den morbiden Charme des Bahnhofs über 30 Jahre erhalten hat. Farbige Fahrgemeinschaften Ausgangspunkt der Fontanereise ist die ehemalige Gemüsehalle in der Güterbahnhofstraße. Dort werden die reiselustigen Spektakelgäste mit Fahrausweisen in blauer und gelber Farbe ausgestattet und bilden so Fahrgemeinschaften, mit denen man gemeinsam das Leben des Theodor Fontane erkundet wird. Damit das Farbenspiel nicht zur Verwirrung führt und auch jeder seine Wanderung in die richtige Richtung beginnt, singen die „Fröhlichen Gaukler“ Jan Mixsa und Mirko Warnatz noch einige Hinweise, bevor es in zu Fuß ins „Weites Feld“ oder per Bus in die Details des Fontane-Lebens auf dem Bahnhof geht. Mark Brandenburg am Wasserturm Rings um den alten Wasserturm ist eine einzigartige Landschaft entstanden, die Teile aus Fontanes „Wanderung durch die Mark Brandenburg“ beschreibt. „Weites Feld“ heißt die sehenswerte Installation, die die Apotheke Fontanes Eltern zeigt oder auch das Bad im Neuglobsow am Stechlinsee. Eine rustikale Bühne vor dem Wasserturm bildet die Spielfläche für Fontanes Leben von der Geburt an. In einer bestechend kurzweiligen Art, die in jeder Sekunde des Zusehens begeistert, zeigt das Ensemble eine große Spiellaune. Catharina Struwe (u.a. Fontanes Mutter, Emilie) wird in Windeseile Vierfachmutter und Marianne Helene Jordan (Emilie Kummer) kichert verliebt, als sie ihren späteren Mann Theodor (Tom Bartels) kennenlernt. Als dann Jan Mixsa als Wilhelm der Erste fragt: „Wer ist dieser Tane“, war das Publikum schon im Fontane-Rausch. Die Bahnhofsvariante des Fontane-Klassikers Effi Briest lies die Zuschauer jubeln: „Ich habe Fontane noch nie so kurzweilig erlebt“, so Karl Scheuber aus Berlin, der aber aus der Schweiz kommt. Etta und Jürgen Helmstätter, ebenfalls aus Berlin schwärmen: „Das ist alles so wunderbar zu erleben“, und schauen auf die Installationen hinter dem Wasserturm. Zwischenwelt und Strand Je nach Fahrgemeinschaft und geplanter Tour landeten die Fontane-Reisenden auf dem Bahnhof in geheimnisvolle Zwischenwelten und an idyllischen Stränden. Ein Bahnhofstunnel, der im Schwarzlicht geheimnisvolle Schriftzüge an der Wand preisgibt, entpuppt sich als Übergang in die endgültige Körperlosigkeit. Dass Fontane (Roland Kurzweg) gerade hier auf seinen alten Widersacher Theodor Storm (Dimitrij Breuer) trifft, ist von besonderer Brisanz. Zur anfänglichen Einigkeit, denn keiner möchte die Zwischenwelt verlassen, kommt es dann doch zum Disput. Schließlich hat aber alles seine Ordnung und alles Irdische muss nun einmal auch gehen. Das findet auch Otto (Alfred Tempel), der unermüdlich sächselnd die Zwischenwelt am Laufen hält. In der ehemaligen Reisegastronomie, der Mitropa traf man dann Emilie Fontane (Nicolo Haase). Sozusagen als Erstleserin der Werke ihres Mannes, trifft sie gerade auf die weiblichen Figuren der Erzählung. Ehebrecherin Melanie von Straaten (Eva Maria Kreder) oder Franziska Franz (Anja Kunzmann) die einen reichen, älteren Herrn ehelichte. Ob Emilie etwas von diesen Figuren in sich birgt – man kann es ahnen. Im „Weißen Hirsch“ (rechte Mitropa) wird den Gaumenfreuden gefrönt. Der Zuschauer erfährt, warum die Stechlin-Maräne nicht essbar ist und dass der Congnac-Kaffee gesund ist. Die illustren Gäste Dubslav von Stechlin (Heinz Klevenov) und Frau Gundermann (Sybille Böversen) wissen, wie man das Leben genießt. Und Mützell, der Kellner (Max Hänsel) weiß: „Ein Hase, darf nicht nach Hase schmecken!“ Finale am Gleis Mit „Souvenier 1870“ gibt das Eisenbahntheater „Das letzte Kleinod“ seine Visitenkarte ab. Ein Fahrzeugwaggon der Bahn wird zur französischen Insel Olberón. Hier erlebte Fontane eine Zeit als Kriegsgefangener. Mit dem Start um 23 Uhr und über einer Stunde Spielzeit, ist dies schon eine echte Herausforderung für einige Zuschauer auf der Fontane-Tour. Aber spätestens, wenn die „Fliegenden Lokomotiven“ zur großen Party in der Gemüsehalle aufspielen, sind alle Gäste des Spektakels in Feierlaune und genießen das Leben, ganz so, wie es Theodor Fontane gemacht hat. Fazit des diesjährigen Spektakels „Fontane am Zug“: Man muss es gesehen und erlebt haben, was Theater alles bewegen kann, selbst öde Bahnhofsflächen erzählen Geschichten, die einzigartig sind.

Termine:

Freitag, 9. August, 18.30 Uhr
Samstag, 10. August, 18.30 Uhr
Sonntag, 11. August, 18.30 Uhr
Theater Senftenberg


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