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Peter Aswendt

Nein, er ist nicht für eure Sünden gestorben

„Ist da jemand, der mich kennt?“ Eine Frage, die jetzt zur Premiere von »Judas« (Heinz Klevenow) im Rang Foyer des Theaters »neue Bühne Senftenberg« den Zuschauern gestellt wurde. Sicherlich konnten viele diese Frage mit einem vordergründigen „Ja“ beantworten, angesichts einer klerikalen Allgemeinbildung oder einer geistlichen Haltung im Leben.
Heinz Klevenow begeistert in einem einstündigen Monolog als Judas Iskariot. Foto: »neue Bühne Senftenberg«

Heinz Klevenow begeistert in einem einstündigen Monolog als Judas Iskariot. Foto: »neue Bühne Senftenberg«

Das Stück wurde von der niederländischen Dramatikerin Lot Vekemans geschrieben. Mit ihrem Werk schaut sie hinter die Glorifizierung und Verehrung eines Heiligen und stellt die Frage: Musste ein Mensch alle Schuld auf sich nehmen, um Millionen anderen einen Heiland zu schenken? In der Inszenierung von Daniel Borgwardt, übrigens seine erste Theaterregie, verwandelt er das Rangfoyer der neuen Bühne in eine kleine Kapelle. Bankreihen ohne Sitzkissen und zwei Scheinwerfer, die ein Kreuz an den roten Hintergrund projizieren, lassen an dem Ort des Geschehens keinen Zweifel. Daniel Borgwardt, der auch gleichzeitig für Kostüm und Bühnenbild verantwortlich ist, bringt somit den Zuschauer in eine kirchliche, fast demütige Haltung, auf das Kommende wartend – eben die wahre Geschichte des Judas Iskariot. Spitzbübische Fragen und verzweifelte Suche Judas (Heinz Klevenow) betritt im unschuldigen Weiß gekleidet die kleine Bühne. Als er die eingangs erwähnter Frage stellt: „Ist da jemand, der mich kennt“, ist der Zuschauer sofort gefangen von einer Bühnenpräsenz, die ihres Gleichen sucht. Klevenow agiert als Judas zwischen spitzbübischen Fangfragen und verzweifelnder Suche nach der Anerkennung der Wahrheit über ihn. Der Name, der über 2000 Jahre der Begriff für Verrat ist, der Kuss, der als Judaskuss die Definition für Falschheit wurde – hatte er nicht zur Folge, dass es heute das Christentum gibt? Klevenow spielt mit diesen Fakten und lässt den Zuschauer überlegen, stellt Fragen, die er scheinbar unbeantwortet lässt. Motor des Fortschritts Gegensätzlich denken statt in Dogmen, nicht eingehegter Glaube ist gefragt. Zweifel ist produktiver als Glaubensgewissheit. Fragen zu stellen, ist Motor des Fortschritts, bricht Klischees auf. "Wenn man nichts tut, kann man nichts falsch machen, aber auch nichts richtig." Und: "Glauben will man behalten. Zweifel will man loswerden. Dafür muss man etwas tun. Wer zweifelt, muss sich entscheiden, um am Leben zu bleiben." „Wünsche viel, erwarte nichts“ – Sätze, die den Zuschauer ahnen lassen, dass da mehr ist, als ein simpler Verrat. Immer wieder werden Emotionen des Judas durch schrille Töne aus dem Lautsprecher unterbrochen und holen ihn zurück. Dabei merkt man, dass er doch so viel mehr für seinen Meister getan hat, als so mancher der Zwölf (jünger), die ihn nicht mehr kennen wollten, verleugneten oder bei der Kreuzigung wegschauten. Peinliches Verhör Es bleibt die Frage: Wie hätten wir gehandelt? Hätten wir auch zuerst „Hosianna“ gerufen und dann geschrien: Kreuziget ihn! Ein peinliches Verhör des Publikums war geboten. "Wenn hier jemand für eure Sünden gestorben ist, dann bin ich das." Judas. Er musste sich selbst an einem toten Baum erhängen. Ein Erlöser also auch er, der Verräter des Herrn, gelitten und gestorben für unser Seelenheil? Mit dieser Erkenntnis aber auch mit dieser offenen Frage erfährt man einen einstündigen Theatergenuss mit Heinz Klevenow, in einer spannenden Inszenierung von Daniel Borgwardt.

Weitere Termine:

• Samstag, 30. März, 19.30 Uhr • Freitag, 19. April, 19.30 Uhr • Sonntag, 12. Mai, 19.30 Uhr • Sonntag, 26. Mai, 19 Uhr • Theater »neue Bühne Senftenberg«


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