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Stefan Staindl

Wotschofska zwischen zwei Buchdeckeln

Raddusch. Peter Becker aus dem Spreewald betrachtet in seinem neuen Werk eine Traditionsgaststätte

Peter Becker mit seinem neuen Buch über die Traditionsgaststätte Wotschofska.

Peter Becker mit seinem neuen Buch über die Traditionsgaststätte Wotschofska.

Bild: Peter Becker

Fotograf, Buchautor und Journalist Peter Becker (74) lebt seit 1981 im Spreewald. Der gelernte Eisenbahner und mittlerweile pensionierte Lehrer und Schulleiter veröffentlicht seit elf Jahren Bücher über Bräuche und Traditionen seiner Heimat. Sein neuestes Werk ist im August erschienen und betrachtet die Geschichte und Gegenwart der Traditionsgaststätte Wotschofska im Spreewald.

Die Ausflugsgaststätte Wotschofska besteht seit 128 Jahren. Was hat Sie angetrieben, jetzt ein Buch über dieses Haus zu veröffentlichen?

Ich hatte mich schon 2015 in einem anderen Buch der Spreewaldgastronomie gewidmet. Damals war ich auf der Suche nach der "wirklich ältesten Gaststätte" im Spreewald. Bald stellte sich heraus, dass die Wotschofska trotz ihrer inzwischen 128 Jahre zu den Jüngeren gehört, aber eine sehr interessante Geschichte aufweisen kann. Hinzu kommt noch die Lage, die anderswo das wirtschaftliche Überleben nicht ermöglicht hätte. Heute möchte jeder am liebsten vor der Gaststättentür parken. Zur Wotschofska gelangt man nur auf langen Wegen, zu Fuß, per Rad oder Kahn/Paddelboot - und es funktioniert, die Gäste strömen in Scharen herbei, um das besondere Fluidum zu erleben, wenn auch nur saisonal.

Wie haben Sie sich der Geschichte des Traditionshauses genähert und welche Quellen konnten Sie nutzen?

Die Geschichte des Hauses ist recht gut dokumentiert. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die Eigentümerin, die Stadt Lübbenau, dies von Anfang an ist und Behörden bekanntermaßen jeden Zettel aufbewahren. Alte Presseartikel aus dem Archiv und Zeitzeugen halfen zusätzlich, Wissenslücken zu schließen. Auch die Lübbenauer AG Zeitgeschichte, hier besonders Hans-Joachim Nemitz, haben sich besonders dem Bau des Weges 1911 gewidmet.

Was hat Sie während Ihrer Recherche zu diesem Buch überrascht?

Gerade der Wegebau erhitzte damals viele Gemüter: Die einen - die Spreewaldgastronomen - sahen darin eine Bevorteilung der Wotschofska. Die anderen - die Stadt Lübbenau - sahen darin eine Einnahmequelle, denn sie bestimmten die Preise in der Wotschofska, die für Speisen und Getränke erhoben werden mussten. In den Anfangsjahren wurde damit eine Art »Wegezoll« abgegolten. Überrascht hat mich auch, welche Rolle das abgelegene Gasthaus in Kriegszeiten gespielt hat - aber da möchte ich hier nicht zu viel verraten.

Welche Bedeutung hatte und hat Wotschofska für den Spreewald? Was haben Sie herausgefunden?

Die Wotschofska gehört neben der Pohlenzschänke, dem Waldhotel Eiche und dem Lehder »Fröhlichen Hecht« zu den etabliertesten Häusern und Ausflugszielen im Oberspreewald. In den DDR-Jahren waren sie in das System der Urlauberbetreuung eingebunden und auch immer wieder Ziel hochrangiger Staatsdelegationen. Wotschofska ist ein idealer Ort für Tagesurlauber, die beispielsweise ab Lübbenau mit dem Kahn anreisen und hier verweilen möchten. Inzwischen hat die Konzertreihe »Rock in Wotschofska« der Gaststätte eine weiteren Bekanntheitsschub beschert.

Was ist für Sie selbst das Besondere an dieser Traditionsgaststätte, die einst 2006 auch als Kulisse für den Spreewaldkrimi diente?

Es ist eindeutig deren Lage im tiefsten Spreewald, ihre beschränkte Zuwegung. Besonders das Servicepersonal muss täglich diese etwa 3,5 Kilometer bewältigen - morgens und abends - und sich mit dem Fahrrad über die Brücken quälen. Dennoch halten sie dem Haus weitgehend die Treue, denn es macht sie auch stolz, hier zu arbeiten. Die besondere Lage und auch ihr Bekanntheitsgrad machten das Haus zum Ziel mehrerer Filmteams, darunter auch für den legendären Spreewaldkrimi. In einer Szene »brannte« das Haus so wirklichkeitsnah ab, dass sich noch Monate später Anrufe häuften, ob es denn die Wotschofska überhaupt noch gäbe oder ob sie inzwischen wiederaufgebaut sei.

Was können wir aus der Geschichte Wotschofskas lernen?

Es scheint von Vorteil zu sein, wenn ein Haus immer in der Hand eines Besitzers ist. Es bleibt bei einem Konzept, Investitionen lassen sich langfristig planen und umsetzen. Bei der Wahl des Pächters kann der Besitzer, hier die Stadt Lübbenau, entscheiden, wem sie das Haus anvertraut. Mit Gisela Atte, die das Haus 26 Jahre führte und seit 2018 nun mit Torsten Teichert, hat die Stadt offensichtlich ein "gutes Händchen" bewiesen. Beide setzten und setzen auf gute Arbeitsbedingungen und Kontinuität.

Welches Buchprojekt haben Sie bereits als nächstes im Blick?

Eigentlich wollte ich ja nur mal ein Buch über die Besonderheiten der Spreewaldküche schreiben, welches ich 2008 gemeinsam mit dem Spreewaldkoch Peter Franke herausgab. Doch wie es so ist, taten sich immer wieder neue »Forschungsgebiete« auf, die mich zum Abarbeiten drängten. Inzwischen sind es 12 Bücher und Büchlein geworden - und noch immer interessiert mich etwas, was vielleicht mal wichtig werden könnte: Wie kamen die Spreewälder ohne Strom - also ohne Kühlschrank und Tiefkühltruhen - durch die Jahreszeiten? Was können wir aus dieser Zeit lernen - und was haben wir alles vergessen? Ich hoffe allerdings nicht, dass dieses Thema angesichts der aktuellen Energiesituation eine zusätzliche Brisanz erfährt.


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