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»Langfristig geht es nur gemeinsam!«

Der ewige Streit um die Wahrnehmung zwischen Bio- und konventioneller Landwirtschaft verschwendet unnütz Kraft, wo man doch eigentlich zusammen stehen müsste. Denn die Probleme liegen ganz woanders, meint Tobias Pelz.
Landwirt Tobias Pelz ist konventioneller Landwirt und glücklich mit seinem Job. Foto: Farrar

Landwirt Tobias Pelz ist konventioneller Landwirt und glücklich mit seinem Job. Foto: Farrar

Landwirt Tobias Pelz ist verärgert! Der Vizepräsident des Sächsischen Landesbauernverband ist konventioneller Landwirt mit etwa 800ha Ackerfläche, die er zwischen Lommatzsch und Leuben-Miltitz bewirtschaftet. Immer wieder hat er das Gefühl, von den Bio-Landwirten in eine Ecke geschoben und als Produzent eher minderwertiger Produkte dargestellt zu werden. Das versteht der Naturfreund nicht. »Wir können doch nur gemeinsam existieren«, fasst er zusammen. Viele Bio-Anbauflächen profitieren indirekt von der Schädlings- und Unkrautbekämpfung auf den Flächen der konventionellen Landwirtschaft. »Wir haben genaue Vorgaben, was in welchen Mengen auf die Felder darf und wie die Behandlung erfolgen muss, denn unter einer »giftigen, chemischen Wolke« wachsen auch keine konventionellen Pflanzen. Außerdem nutzt die Bio-Landwirtschaft ebenfalls Dünger, der nicht immer ungefährlich ist. Nicht selten enthalten biologische Schädlingsbekämpfungsmittel Kupferverbindungen, deren Auswirkungen auch nicht vernachlässigt werden könnten. Landwirtschaft ist eine komplexe Arbeit gemeinsam mit der Natur, das gelte für Bio- und konventionellen Ackerbau. Nicht nur die Anbaupflanzen, auch die Bearbeitungsmethoden, der Zeitpunkt und die Düngezugaben müssen stimmen, damit eine Pflanze ihre maximalen Erträge entwickeln kann.  Man müsse sich gegenseitig akzeptieren, um die Versorgung der Bevölkerung langfristig abzusichern. »Nur noch ein Prozent der Bevölkerung sind Bauern. Heute ernährt ein Landwirt bis zu 140 Menschen. 1950 hat ein Landwirt lediglich 15 Menschen versorgt«, gibt Tobias Pelz zu bedenken. Ein weiteres großes Problem sieht er in der Undurchsichtigkeit der Ökosiegel für die Verbraucher. Da gibt es sehr strenge Siegel, die wirklich eine nahezu natürliche und regionale  Produktionsweise garantieren, wie die Demeter-Kennzeichnung und andere hingegen, die mehr Schein als Sein sind - das EU-Siegel ist für die Verbraucher wenig aussagekräftig.  Sein Maß für eine gute Landwirtschaft, ist die Produktion vor Ort. Nur echte regionale Produkte sollten als besonders schützenswert gelten. Ohne große Transportwege, aufwendige Verpackungen für die Verschiffung - Stichwort Bio-Gurke eingeschweißt in Plastikfolie - oder  über Tausende Kilometer angereiste Kiwis. Tobias Pelz sieht die gesamte Landwirtschaft vor gemeinsamen »Wohlstandproblemen«: Es würden immer noch viel zu viele Lebensmittel weggeworfen, (Billig-)Fleisch werde aus dem weit entfernten Ausland importiert und kann oft nur schwer auf die EU-Richtlinien zur wirklichen Erzeugung geprüft werden oder exotische Früchte verbringen Wochen auf dem Transportweg. Tobias Pelz ist echt besorgt, denn viele regionale Handwerksbetriebe zur Lebensmittelverarbeitung wird es irgendwann nicht mehr geben. »Sachsen hat schon jetzt keinen großen Schlachthof mehr. Ein paar kleine Höfe schlachten für den Eigenverkauf noch selbst, ansonsten müssen die sächsischen Rinder und Schweine ihre letzten Stunden auf ewigen Autobahnfahrten in andere Bundesländer oder gar ins Ausland verbringen«, fügt er an. So gebe es unzählige strukturelle Probleme in Bezug auf die Landwirtschaft und Tierhaltung, da seien hausgemachte Verleumdungskampagnen zwischen Bio- und konventioneller Herstellung völlig Fehl am Platze. Tobias Pelz bemüht sich um eine friedliche Koexistenz, hier gebe es auf neiden Seiten noch viel ehrlichen Informationsbedarf. Zur Zeit fahren wieder viele Laster und Traktoren in der Lommatzscher Pflege. »Wir bringen gerade die Maisernte und den Raps ein. Aber auch Kartoffeln und Zuckerrüben starten bald. Wir freuen uns natürlich über rücksichtsvolle Autofahrer nicht nur hupend hinter dem Traktor drängeln. Immerhin hohlen wir auch ihre künftigen Lebensmittel vom Feld«, mahnt Pelz.

  • Zum Schluss noch ein echter Verbrauchertipp vom Landwirt: Achten Sie doch beim Einkauf mal auf den »Ehrenwort«-Schriftzug beim Mehl. Dieses stammt aus der Dresdner Mühle und besteht zu einem großen Teil aus dem Korn der Lommatzscher Pflege - Versprochen!


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