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far/gb

»Gefühlt« war es Kunstraub

Familienzusammenführung im Museum: Unternehmerporträt kehrt unverhofft nach Meißen zurück. Der Fall symbolisiert die schicksalhafte Geschichte vieler Meißner Kunstwerke.
Dr. Romy und Dr. Matthias Donath schenken dem Meißner Stadtmuseum das Porträt des einstigen Ratsziegeleipächters Karl Gottlob Rudolph. Foto: Farrar

Dr. Romy und Dr. Matthias Donath schenken dem Meißner Stadtmuseum das Porträt des einstigen Ratsziegeleipächters Karl Gottlob Rudolph. Foto: Farrar

Mit einem Weihnachtsgeschenk aus dem frühen 19. Jahrhundert wollte Kunstexpertin Dr. Romy Donath aus Niederjahna ihren Mann überraschen. Sie ersteigerte für ihn das Porträt des einstigen Ratsziegeleipächters Karl Gottlob Rudolph aus Meißen. Anhand der vermerkten Inventar- und Depotnummer auf der Rückseite konnte der Beschenkte, Dr. Matthias Donath, feststellen, dass das Gemälde ursprünglich aus dem Fundus des Museum stammen musste. Auch ein Blick in den Verlustkatalog des Museums sowie mit Unterstützung der Recherchen der Provenienzforscher der Galerie Neue Meister in Dresden konnte das Porträt zweifelsfrei dem einstigen Besitz des Meißner Stadtmuseums zugeordnet werden. Dorthin ist es dank der Großzügigkeit der Familie Donaths jetzt als Schenkung zurückgekehrt. 1955 war es gemeinsam mit drei weiteren Porträts der Familie Rudolph Teil einer Schenkung für das Stadtmuseum. Auf weitverzweigten Wegen gelangte es noch 1989 in den nationalen Kunsthandel, wie viele weitere Werke aus dem Meißner Kunstbesitz. Danach verlor sich seine Spur. »Seine bewegte Geschichte macht dieses Porträt zu einem wichtigen Zeitzeugnis des 19. und zugleich auch des 20. Jahrhunderts. Ich freue mich und bin dankbar dafür, dass es durch den Einsatz von Dr. Romy und Dr. Matthias Donath nun auch für kommende Generationen wieder im Stadtmuseum Meißen erlebbar sein wird«, so Oberbürgermeister Olaf Raschke. »Aber erst durch ihre akribische Durchsicht von Übergabelisten durch Jan Scheunemann von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und Claudia Maria Müller von der Galerie Neue Meister/ Staatliche Kunstsammlungen Dresden konnte der Weg des Gemäldes in den Kunsthandel eindeutig nachvollzogen werden«, erklärt Museumsleiterin. Immer noch 248 schmerzliche Verluste Der 1991 vom Stadtmuseum erarbeitete Verlustkatalog weist noch über 240 Positionen auf, deren Verbleib bis heute unklar ist. In den kommenden Tagen kann das Stadtmuseum Meißen aber zumindest eine Position im Verlustkatalog streichen. Zu Beginn dieses Jahres veröffentlichte der Leipziger Museologe Jan Scheunemann seine Forschungsergebnisse zu den Geschäftsbeziehungen zwischen den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Kunst und Antiquitäten GmbH, kurz auch KuA. Das Unternehmen war Teil der Kommerziellen Koordinierung der DDR, die Valuta-Gewinne für den sozialistischen Staat zu erwirtschaften hatte. Zwischen 1965 und 1977 wurden mehr als 500 Gemälde, Skulpturen und Arbeiten auf Papier aus dem Stadtmuseum in die Albrechtsburg ausgelagert – so auch die Bildnisse der Familie Rudolph. Dies geschah vor dem Hintergrund kulturpolitischer Planungen in der frühen DDR, als die Geschichtsmuseen verstärkt Aufgaben in der kulturellen und kulturpolitischen Bildung übernehmen sollten. Die Geschichte der Arbeiterklasse und aktuelle, zeithistorische Themen sollten nun im Mittelpunkt der Kreismuseen stehen. 1988 wurde der ausgelagerte Kunstbesitz an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden überführt und von dort in mehreren Transporten in das Depot Mühlenbeck der Kunst und Antiquitäten GmbH gebracht. Das Porträt Karl Gottlob Rudolphs gehörte zu jenen Meißner Kunstgegenständen, die im Dezember 1989 von Mühlenbeck aus über ein Bremer Auktionshaus in den Kunsthandel gelangten. Ein perfektes Weihnachtsgeschenk gab es im Hause Donath aber trotzdem. Die beiden sind am Heiligabend Eltern einer kleinen Tochter geworden. Herzlichen Glückwunsch!


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