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Birgit Branczeisz

Karl-May-Museum hat eine Turtle-Island-Galerie

Radebeul. Erstmals zeigen indigene Künstler wie sie sich heute sehen. Eine in Deutschland einzigartige Galerie entsteht.
Radebeuls Erster Bürgermeister Dr. Jörg Müller, Stiftungschef Dr. Volkmar Kunze, Wissenschaftler Robin Leipold und  US-Generalkonsul Kenichiro (Ken) Toko eröffnen die Turtle-Island-Galerie.

Radebeuls Erster Bürgermeister Dr. Jörg Müller, Stiftungschef Dr. Volkmar Kunze, Wissenschaftler Robin Leipold und US-Generalkonsul Kenichiro (Ken) Toko eröffnen die Turtle-Island-Galerie.

Bild: Branczeisz

Das Karl-May-Museum hat jetzt eine Turtle-Island-Galerie. Woher der Name kommt? Robin Leipold, wissenschaftlicher Direktor im Haus, erklärt es: Turtle-Island nennen die Indigenen Nordamerikas ihren Kontinent. Das Wort "Schildkröte" für "Turtle" geht auf eine uralte indianische Legende zurück, nach der eine riesige Schildkröte die Erde und Menschen Nordamerikas auf ihrem Rücken trägt.

"Turtle-Island" als indigenes Selbstverständnis des Umgangs mit der Natur und anderen ist ein guter Name für eine Galerie, die sich genau diesem Anliegen widmen wird - das indigene Selbstverständnis von Nachfahren verschiedenster Stämme zu zeigen. Was ist indigene Kultur heute, welche Fragen stellen sich "die Indianer" und was hat Karl May mit seinen Abenteuer-Erzählungen als Mittler zwischen den Kulturen zum Indianer-Bild beigetragen? Damit will die Karl-May-Stiftung ein "eingefrorenes Indianerbild in Europa öffnen" und im Blickwinkel des 21. Jahrhunderts betrachten, so Robin Leipold und Dr. Volkmar Kunze, Chef der Karl-May-Stiftung zum Credo ihres Hauses.

Angefangen hat alles mit den beeindruckenden Felsbildern von Dwanyne Frost (Cree) am Hohen Stein im Lößnitzgrund. Er war auch der erste indigene Künstler, der Werke an das Museum verkaufte. Erweitert wurde der inzwischen zusammengetragene Schatz durch Leihgaben des Ethnologen Martin Schultz. Er hat bislang über 500 Kunstwerke in Nordamerika gesammelt und stellt dem Karl-May-Museum einen kleinen Teil davon zur Verfügung. Eine vergleichbare Sammlung ist derzeit nirgendwo in Deutschland zu sehen.

Für die Eröffnung der "Turtle-Island-Galerie" war Martin Schultz live aus Santa Fe zugeschaltet. Ebenfalls zugeschaltet - Prof. Andreas Brenne, der im wissenschaftlichen Beirat in der Karl-May-Stiftung mitarbeiten wird.

Das Karl-May-Museum hat sich damit auf den Weg gemacht, die Geschichte der indigenen Völker weiterzuerzählen. Volkmar Kunze kündigte an, das Museum werde mit dem Neubau auch den Zeitraum zwischen 1900 und 2000 in den Blickpunkt rücken, "denn da muss einiges gesagt werden, was bislang verschwiegen wurde", so Kunze.

Das macht gespannt auf neue Geschichten und Geschichte, auch unsere eigene, die wir dadurch neu begreifen. Bei den Menschen hier genießen "Indianer" ungebrochen Sympathie und Interesse. Allein 4.500 Faltblätter mit der Frage "Darf man noch Indianer sagen?" sind zu den Karl-May-Festspielen weggegangen "wie warme Semmeln", so Kunze. Bald kommen neue Flyer, die kurz schildern, was Europäer, Amerikaner und Kanadier unter "Indianer" verstehen.

Das Gute, Edle und Menschen-Verbindende aus Karl Mays Roman-Erzählungen lassen sich die Leser nicht nehmen. Nur durch Begeisterung ist auch der Zugang zur Wissenschaft für so viele erlebbar. Dass "wir nicht davor zurückschrecken sollten über die oft tragische Geschichte der indigenen Völker und ihre negative Folgen, die bis in die Gegenwart nachhallen, zu sprechen", das sagte zur Galerie-Eröffnung kein geringerer als der US-Generalkonsul Kenichiro (Ken) Toko.

Ken Toko ist in New York geboren und seit 2003 im diplomatischen Dienst der US-Regierung. Seitdem war er in verschiedenen Funktionen in Kiew, Tokio, Shanghai, Taipeh und Washington, D.C. Seit August 2020 ist er im Amt des US-Generalkonsuls für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am US-Generalkonsulat in Leipzig zuständig - im Sommer endet seine Amtszeit turnusmäßig. Ken Toko spricht Englisch, Japanisch, Chinesisch (Mandarin), Deutsch und Ukrainisch. Vor zwei Jahren bekam er von Volkmar Kunze mehrere Karl-May-Bücher geschenkt.

Nun könne er verstehen, warum Karl May so beliebt ist, sagte er schmunzelnd. Vielleicht auch deswegen war er dreimal in seiner Amtszeit Radebeul. Ein Novum. Der Wunsch von Radebeuls Erstem Bürgermeister Dr. Jörg Müller, Ken Toko möge doch auch aus der Ferne weiter Anteil nehmen, wird sich bestimmt erfüllen. Zumindest das US Konsulat dürfte bei einer weiteren Überraschung eingebunden sein. Eine indigene Künstlerin könnte die Rückwand der Villa Bärenfett gestalten. Auch wenn das wahrscheinlich erst 2025 passiert, die Idee ist geboren.

Mit eingefädelt haben Hans Schulze und Leonie von Wangenheim die Idee. Beide sind erst am 1. Februar als Volontäre ins Karl-May-Museum gekommen und haben die erste Schau der Turtle-Island-Galerie der indigenen Künstler mit vorbereitet. Die Begeisterung für "Indianer" springt gerade auf die nächste Generation über.


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