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Sein Leben ist auch ein Stück Stadtgeschichte

Hoyerswerda. Es gibt Tage, da kommt er beim Einkauf gar nicht zum Einkaufen. Denn Jürgen Socher kennt die halbe Stadt, plaudert gern hier und dort, mit Vorliebe über die alten Zeiten. Seine Geschichte ist auch ein Stück Geschichte Hoyerswerdas. Am 14. Oktober begeht der ehemalige Unternehmer seinen 80. Geburtstag.

Seit mehreren Jahren organisiert Jürgen Socher (r.) Traditionsspiele und Turniere für seinen Herzensverein Aktivist Schwarze Pumpe.

Seit mehreren Jahren organisiert Jürgen Socher (r.) Traditionsspiele und Turniere für seinen Herzensverein Aktivist Schwarze Pumpe.

Bild: Werner Müller

Geboren in Großweidau (heute wieder Klein Neida) wurden Jürgen Socher zwei Dinge quasi schon in die Wiege gelegt - die Liebe zum Auto und die Liebe zum Fußball. »Ich bin schon als kleiner Knirps bei meinem Papa auf dem Schoß im Laster mitgefahren, durfte auch mal lenken«, erinnert sich Socher an seinen Vater Karl, der in den Nachkriegsjahren ein Fuhrunternehmen gegründet hatte. Klar, dass der Filius auch in diese Branche wollte. Doch da war ja noch der Fußball. »Mit Schulbeginn hat unsere gesamte Klasse eine Mannschaft bei Lok Hoyerswerda gestellt. Paul Schmaler war unser Trainer.«

 

Alltag zwischen Beruf und Fußball

Der kleine Jürgen entwickelte sich zu einem recht passablen Offensivspieler, machte gelegentlich auch Tore. 1961 habe Lok dann die ganze Nachwuchsmannschaft an Aktivist Schwarze Pumpe verkauft, wie Socher es bezeichnet. »Die hatten seinerzeit Besetzungsprobleme. Aber für uns war das nicht schlecht. So konnten wir sogar Bezirksliga spielen.« Und Halbstürmer (so die Bezeichnung damals) Socher kickte noch einige Monate gemeinsam mit Michael Strempel in einer Mannschaft. »Er wurde später zu Brieske delegiert und Jahre darauf in Jena sogar Nationalspieler.«

Dann stand für Socher zunächst der Job im Vordergrund. Einer Ausbildung zum Dampflokschlosser folgte die Rückkehr zur alten Liebe. Meisterschule, Kfz-Technikstudium. 1972 übernahm er die Produktionsgenossenschaft des Handwerks, die PGH »Gute Fahrt« im Industriegelände. »Ich wurde Chef, weil sie keinen anderen hatten. Man hat mich ins kalte Wasser geschmissen. Aber es hat mir nicht geschadet«, findet Socher, der in Hochzeiten Verantwortung für gut 200 Mitarbeiter hatte. Die kümmerten sich vorrangig um die Reparatur von Motorrädern und Autos, zumeist Trabant und Skoda. Und Jürgen Socher kümmerte sich auch gern mal um »seine« Fußballer. Denn über die Jahre war der PGH-Boss auch zum eisenharten Pumpe-Fan geworden. »Da konnte ich Spielern und Trainern durchaus mal helfen, wenn sie einen Termin oder ein Ersatzteil brauchten.«

 

Schlaflose Nächte nach der Wende

Alles anders wurde mit der Wende. »Nach der Währungsunion im Juli 1990 kamen plötzlich keine Kunden mehr«, sinniert Socher. »Die wollten ihre neue D-Mark nicht für kaputte Trabis ausgeben, sondern selbst schicke Autos fahren.« Für die PGH bedeutete das nichts Gutes. »Erstmals musste ich Leute entlassen. Ich hatte viele schlaflose Nächte.«

Längst aber hatten auch westdeutsche Automobilhersteller ihre Fühler ausgestreckt. »Volkswagen und Audi wurden unsere Partner. Im Januar 1991 legten wir mit 36 PGH-Leuten los, verkauften erste Gebrauchtwagen. Nach langen Kämpfen mit der Treuhand konnten wir ein Grundstück in der Altstadt erwerben und ein modernes Gebäude errichten.« Das Autohaus Socher öffnete am 14. Oktober 1993 - just am 50. Geburtstag des Chefs.

Drei Jahrzehnte später gibt es das Autohaus längst nicht mehr. »Ich habe da auch Fehler gemacht, die ich bereue«, räumt er freimütig ein. »Allerdings waren die meisten Jahre gute Jahre, die Kunden zufrieden, die Mitarbeiter auch.«

Und natürlich blieb der Fußball ein bedeutender Teil in Sochers Leben. Zum einen bei Aktivist-Nachfolger FSV Hoyerswerda, dem er über die Jahre in vielen Funktionen zur Verfügung stand. Aber auch in seiner eigenen Betriebsmannschaft, die sich mehrere Titel der Volkssportliga sicherte. »Wir traten da gegen Medizin, Kreisbau, Reichsbahn oder Wohnungsbaukombinat an. Ab und an konnte ich ein paar namhafte aussortierte Pumpe-Spieler verpflichten«, freut sich Socher noch heute diebisch.

 

Gefeiert wird später

Und sonst? Große Party? Eher nicht! Ausgerechnet das Geburtstagswochenende verbringt der Jubilar (ein Sohn, zwei Enkel) an der Ostsee. »Wir treffen uns mit ehemaligen Kommilitonen. Da wird mein Geburtstag eben später gefeiert.« Und vermutlich wird man ihn dann schon bald wieder beim Einkauf treffen. Oder bei der Organisation von Traditionsspielen für seinen Herzensverein Aktivist Schwarze Pumpe. Ohne Jürgen Socher, da sind sich viele Wegbegleiter sicher, würde es diese Tradition in der Form gar nicht geben.


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