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Erste Stolpersteine in Löbau verlegt

Löbau. Stolpersteine erinnern in vielen Städten an Opfer des Nationalsozialismus. Auch Löbau hat jetzt welche. Der Stadtrat hatte nach Kritik an der Aktion zunächst gezögert.

Die Stolpersteine vor dem Haus am Altmarkt 4. Foto: T. Keil

Die Stolpersteine vor dem Haus am Altmarkt 4. Foto: T. Keil

Bild: T. Keil

Am 23. September wurden die ersten Stolpersteine in Löbau im Gedenken an Helene und Adolf Grünewald verlegt. Vor dem Haus am Altmarkt 4, in dem das Ehepaar Grünewald wohnte, wurden die Steine in den Boden eingelassen.

 

Adolf Abraham Grünewald wurde 1880 in Hamburg geboren. 1919 heiratete er in Bautzen die 1886 in Peterswald in Ostpreußen geborene Helene Feibusch. Seit 1919 betrieb er in Löbau das Görlitzer Schuhhaus. Im Verkaufsraum seines Geschäfts hatte sich Grünewald nach anhaltenden Boykotten der Geschäfte jüdischer Inhaber am 20. Oktober 1937 erhängt. Ein Zeitzeuge erinnerte sich, dass er dabei sein Eisernes Kreuz trug, das ihm im Ersten Weltkrieg verliehen wurde. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof Zittau beigesetzt. Seine Beerdigung war die letzte vor Beginn des Zweiten Weltkriegs und der vollständigen Zerstörung der jüdischen Gemeinde Zittau-Löbau. Helene Grünewald wurde im Januar 1942 von Berlin Tiergarten deportiert und starb am 10. Februar 1942 im Ghetto Riga.

 

Felix Pankonin, Hillersche Villa: „Wir arbeiten seit vielen Jahren die Geschichte der Zittauer Jüdinnen und Juden auf, die mit den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Löbaus eine Gemeinde bildeten. Adolf Grünewalds Grab auf dem Jüdischen Friedhof in Zittau markiert einen Schlusspunkt des Lebens dieser Gemeinde, bevor sie durch die Nationalsozialisten vollständig zerstört wurde. Die Stolpersteine in Löbau unterstreichen zukünftig die Verbindung der beiden Städte im Gedenken an ihre jüdischen Bürgerinnen und Bürger.“

 

Organisiert hat die Stolpersteinverlegung die Initiative Löbaus jüdische Geschichte unter Beteiligung der Hillerschen Villa in Zittau, des Augen auf e.V. Oberlausitz, der Gruppe Vielfalt des Glaubens – Christen in Löbau, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtbibliothek Löbau und des Stadtmuseums Löbau sowie weiterer Privatpersonen. Die Initiative widmet sich seit Ende 2021 der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte Löbaus und fördert das Gedenken an die Löbauer Jüdinnen und Juden, die Opfer der Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus wurden.

 

Nicht jeder sieht die Aktion positiv

 

Die 1992 von Künstler Gunter Demnig eingeführten Stolpersteine sind das weltweit größte dezentrale Denkmal zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Inzwischen wurden über 90.000 der Gedenkplatten in 29 Ländern verlegt. Ein Großteil der Steine erinnert an Jüdinnen und Juden, weitere sind Sinti und Roma, Homosexuellen, politisch Verfolgten und Opfern der Aktion „T4“ gewidmet. Stolpersteine sind kleine Gedenktafeln aus Messing, im Gehweg vor dem letzten frei gewählten Wohnort, in die die Lebensdaten der Vertriebenen oder Ermordeten eingeprägt sind.

 

Die Aktion wird zum Teil kritisch gesehen. So spricht sich etwa die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, immer wieder gegen diese Art des Gedenkens aus. Knobloch ist eine Gegnerin der Stolpersteine. Sie sieht darin eine zusätzliche Herabwürdigung der Opfer, die so mit Füßen getreten werden. Der Münchner Stadtrat verbot 2004, dass die Steine auf städtischem Grund verlegt werden. 2015 sprach sich der Rat mehrheitlich für das Beibehalten des Verbots aus, nachdem die Grünen beantragt hatten, die Steine zuzulassen. Deutlich sei hier nochmal gesagt, dass es dabei nur um diese spezielle Form des Gedenkens ging und die Stolpersteine auch in München nicht grundsätzlich, sondern nur auf städtischen Grund verboten sind. Und einig ist man sich in München lange nicht, es gibt auch viele Befürworter der Steine, etwa den Verein “Initiative Stolpersteine für München”.

 

Auch im Löbauer Stadtrat hatte es Kritik gegeben. AfD-Stadtrat Prof. Dr. Klaus Werner hatte ebenfalls argumentiert, dass man so das Schicksal der Opfer öffentlich zur Schau stelle und mit Füßen trete. Er wollte wissen, ob die Nachkommen befragt wurden. Die Sache ging damals zunächst zurück an den Hauptausschuss. Weil dort aber keine Alternativen vorgeschlagen wurden, ging die Beschlussvorlage unverändert zurück an den Stadtrat, der letztlich der Verlegung der Steine zustimmte.


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