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»Die Entscheidung war überfällig«

Landkreis Görlitz. Die Bundesregierung hat die Gasumlage gekippt und stattdessen ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, um die Folgen der hohen Energiekosten  zu mildern. Wir haben bei Versorgern im Landkreis Görlitz nachgefragt, wie sie diesen Schritt bewerten.

Mit dem Abwehrschirm sollen die durch die steigenden Energiekosten entstehenden Belastungen für Verbraucher und Unternehmen abgefedert werden.

Mit dem Abwehrschirm sollen die durch die steigenden Energiekosten entstehenden Belastungen für Verbraucher und Unternehmen abgefedert werden.

Bild: T. Keil

Um Entlastung bei den Strom- und Gaspreisen zu schaffen, hat die Bundesregierung vergangene Woche ein Maßnahmenpaket über 200 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Mit den mit Hinblick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine als „Wirtschaftlicher Abwehrschirm“ betitelten Maßnahmen ist die Gasumlage, die für die Verbraucher Mehrkosten bedeutet hätte, wieder vom Tisch. Stattdessen soll neben der Strompreis- nun auch eine Gaspreisbremse kommen.

 

Wie genau die Gaspreisbremse aussehen soll, ist noch nicht klar. Eine Kommission soll dazu schnellstmöglich Vorschläge erarbeiten. Beim Strompreis wird für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen ein Basisverbrauch subventioniert. Für darüber hinausgehenden Verbraucht gilt dann wieder der Marktpreis. Wie hoch der Basisverbrauch angesetzt wird, ist noch nicht bekannt. Außerdem sind Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen für Unternehmen vorgesehen, die trotz Strom- und Gaspreisbremse weitere Hilfe brauchen. Um die Kosten weiter zu senken, wird außerdem die Umsatzsteuer auf Gas und Fernwärme bis Frühjahr 2024 von 19 auf sieben Prozent gesenkt.

 

Teil des Maßnahmenpakets ist es auch, das Angebot an andere Energiequellen als Gas auszuweiten. Man wolle „alle Potentiale der Erneuerbaren Energie und der Kohleverstromung“ ausschöpfen und durch den Bau von LNG-Terminals den Import von Flüssiggas vorantreiben. Außerdem wird die Möglichkeit geschaffen, die zwei süddeutschen Atomreaktoren bis Frühjahr 2023 laufen zu lassen.

 

Umsetzung bisher noch unklar

 

In ihrer grundsätzlichen Bewertung des Maßnahmenpakets sind sich die Stadtwerke aus Löbau, Zittau und Weißwasser einig (die Görlitzer Stadtwerke antworteten auf unsere Anfrage leider nicht rechtzeitig). Man begrüßt die Abschaffung der Gasumlage und die angedachten Preisdeckel für Gas und Strom. „Diese Entscheidung war nach der öffentlichen Diskussion überfällig“, sagt Ingo Jürs, Geschäftsführer der Stadtwerke Löbau. Als herausfordernd bezeichnet Sandra Tempel, Geschäftsführerin der Stadtwerke Zittau die Tatsache, dass die Details zur konkreten Umsetzung noch fehlen: „In der Regel werden bei Preisänderungen entsprechende Maßnahmen erforderlich, dies beinhaltet unter anderem eine fristgerechte Information der Kunden wie auch die Änderung im Abrechnungssystem. In den letzten Wochen wurde alles für die Einführung der Gasumlage angepasst. Nun werden wir abwarten, wie die neue Abrechnung zu gestalten ist.“ So sieht man es auch in Weißwasser. „Wichtig ist nun, dass alle Maßnahmen möglichst einfach gestaltet werden, nur dann können sie auch schnell und effektiv umgesetzt werden“, teil Pressesprecherin Bettina Brandt mit. Die Branchenverbände BDEW und VKU stehen dazu mit dem Wirtschaftsministerium im Austausch, um die Interessen der Versorger für eine einfache, unbürokratische Abwicklung gegenüber den Kunden an das Ministerium heranzutragen.

 

Wie kritisch die Lage ist, zeigt die Frage nach den Preissteigerungen. „Die Preise auf den Energiemärkten haben sich innerhalb eines Jahres im Strom um 750 Prozent und im Gas um 880 Prozent erhöht“, heißt es von den Stadtwerken Weißwasser. Allerdings lassen sich diese Preissteigerungen nicht 1 zu 1 auf den Preis für den Endkunden umrechnen. Das ist zum einen Abhängig von vertraglichen Regelungen. „Zudem ist zu beachten, dass der eigentliche Energiepreis nur ein Bestandteil des Endkundenpreises ist“, erklärt Sandra Tempel. Für die staatlichen Umlagen und Steuern als auch die Netzentgelte entfallen bei Strom als auch Gas jeweils mehr als die Hälfte des Preises.

 

Außerdem werden die benötigten Mengen in der Regel über einen längeren Zeitraum beschafft. Das verringert das Risiko. Denn dann müssen in Hochpreisphasen wie der aktuellen nicht alle Mengen für die Kunden zu den hohen Preisen gekauft werden. Das lässt sich allerdings nicht bis auf die letzte Kilowattstunde so umsetzen. „Zu beachten ist, dass nicht sämtliche Mengen langfristig beschafft werden, sondern ein gewisser Anteil prognoseunschärfebedingt kurzfristig, also aktuell bei hohen Preisen, beschafft werden muss“, heißt es von den Stadtwerken in Löbau.

 

Wann genau die durch das Maßnahmenpaket angedachten Entlastungen beim Kunden ankommen, ist zum Teil noch unklar, weil wie bereits erwähnt die konkrete Umsetzung der Preisdeckel erst noch ausgearbeitet werden muss. „Den Wegfall der Gasbeschaffungsumlage werden wir so schnell wie möglich umsetzen. Gegebenenfalls wird die Abrechnung nachträglich angepasst. Darüber hinaus wird die Verminderung der Umsatzsteuer auf sieben Prozent umgesetzt“, sagt Sandra Tempel von den Stadtwerken Zittau. Auch die Stadtwerke in Löbau und Weißwasser haben bereits angekündigt, die Senkung an die Kunden weiterzugeben. Bei Gas- und Strompreisdeckel heißt es dagegen zunächst abwarten. „Eine Bitte haben wir abschließend noch an alle unsere versorgten Kunden und Unternehmen“, so Ingo Jürs. „Bitte sparen Sie Energie, denn was heute nicht verbraucht wird, muss im Winter nicht beschafft werden.“

 

Zumindest ein Signal ist angekommen

 

Die Handwerkskammer Dresden sieht im Hinblick auf die Lage der Unternehmen die Regierung jetzt in der Bringschuld. Denn die Kostensituation der Unternehmen hat sich noch nicht geändert – hierzu muss die Politik erst liefern. „In den Unternehmen ist zumindest das Signal angekommen, dass nach Lösungen gesucht wird“, teilt die Kammer mit. Die Stimmung in den Handwerksbetrieben sei „gedrückt und durchaus gereizt.“ Man warte schon zu lang auf angemessenen Lösungsansätze seitens der Bundesebene. Die ersten Entlastungspakete hätten keinen Effekt bei dieser Dimension der herannahenden Krise gehabt. „Die Befürchtungen der Betriebe reichen vom Verlust ganzer Kundengruppen, der Einstellung von Produktionsteilen bis hin zur Gefährdung der eigenen Existenz“, teilt die Handwerkskammer mit. Kritisch sieht man bei der HWK auch die Krisenkommunikation der Bundesregierung, die man als „wenig zielführend“ bewertet.


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